Günter Wallraff: So lebt sich mit Hartz IV

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Günter Wallraff stellt ein neues Buch vor: Markus Breitscheidel hat 18 Monate mit Hartz IV gelebt.

Der bekannte Enthüllungsautor Günter Wallraff hat ein neues Buch der Öffentlichkeit vorgestellt. Das neue Machwerk handelt vom Leben eines Arbeitslosengeld II Empfängers. Nicht Wallraff selbst hat sich der Hartz IV Wirklichkeit unterworfen, sondern sein Co-Autor Markus Breitscheidel. Das Buch hat den brisanten Titel: "Arm durch Arbeit". Breitscheidel hat sich 18 Monate mit den Hartz IV Gesetzgebungen und den niedrig bezahlten Jobs auseinandersetzen müssen und am eigenen Leib erfahren, dass man als Hartz-Betroffener kaum Rechte hat. Er lebte in den 18 Monaten immer am Existenzminimum, trotz zahlreicher Arbeitstätigkeiten. Breitscheidel arbeitete u.a. als Leiharbeiter bei Opel, im Pharmakonzern Beyer/Schering und musste auch zum Ernteeinsatz auf die Apfelplantagen und Erdbeerfelder. Zwischendurch und mittendrin war er immer wieder auf ALG II- Sozialleistungen angewiesen.

Der Autor selbst hat im "richtigen Leben" Wirtschaftswissenschaften studiert und war davor Marketingchef bei einer bekannten Werkzeugfirma. Doch die Arbeit als Marketingchef wurde Breitscheidel zunehmend Sinn-entleerend. Er wollte mehr und in die "Fussstapfen" des Enthüllungsautors Wallraff treten. Beide lernten sich vor ungefähr zehn Jahren kennen.

Bei Hartz IV muss man wirklich auf Sozialleistungen angewiesen sein

Bevor man einen Antrag auf das Arbeitslosengeld II stellen kann, muss die persönliche Situation auch dem "angeglichen" sein. So musste Breitscheidel zunächst alle Rücklagen fürs Alter aufbrauchen und dürfte über keine finanziellen Mittel mehr verfügen. Erst dann wurde dem Antrag auf Hartz IV Leistungen statt gegeben.

Um einigermaßen über die Runden zu kommen, hat Breitscheidel auch Pfandflaschen gesammelt. Dabei machte er die Erfahrung, dass die "Konkurrenz" hier sehr stark ist. Die Armut treibt die Menschen dazu, auf den Straßen Flaschen zu sammeln, um sich wenigstens ein kleines Zubrot zu verdienen. Der Autor machte auf den Straßen die Erfahrung, dass die Pfandflaschen-Reviere eindeutig abgesteckt sind. So sehr verbreitet ist die Armut auf den Straßen von Berlin.

An Hartz IV verdienen zahlreiche Unternehmen

Die Gewinner der Hartz IV Arbeitsmarktrefom sind die Unternehmen. So können Unternehmen an kostenlose Arbeitskräfte kommen, um sie nach zwei Monaten wieder "abstoßen" zu können. Zum Beispiel beschreibt er in seinem Buch, wie ein Briefdienstleister mit einer privaten Arbeitsvermittleragentur zusammen arbeitet. Für jeden vermittelten Job streicht die Agentur 2000 Euro ein. Das Brisante: der Briefdienstleister ist an der Agentur geschäftlich beteiligt. So kam es dann, dass Breitscheidel genau so lange beschäftigt war, bis die 2000 Euro aufgebraucht waren. Denn die Provision wird nur dann von der Arge gezahlt, wenn der Vermittelte genau zwei Monate angestellt ist. Nach dieser Zeit wurde der Autor wieder entlassen. Ein wirklich gutes Geschäft für den Briefdienstleister, denn die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ist somit nahezu kostenlos.

Zeitarbeit: Arbeiter zweiter Klasse

Das Thema Zeitarbeit behandelt Breitscheidel sehr ausführlich. Zum Beispiel beschreibt er, wie er als Zeitarbeiter bei Opel gearbeitet hat. Das Einstiegsgehalt lag bei 7,15 Euro brutto. Zum Vergleich: das reguläre Einstiegsentgeld liegt bei Opel bei 13,50 Euro. Doch damit nicht genug; Zeitarbeiter werden im Allgemeinen als Arbeitnehmer zweiter Klasse behandelt. So gab es bei Opel für die Leiharbeiter keine Pausenräume, keine Umkleideräume und in der Kantine wurde der doppelte Preis für ein Essen verlangt. Zuschläge für Feiertage und Wochenenden gab es für die Zeitarbeitsnehmer zudem auch keine.

Billiglöhne auf den Feldern: Trotz Arbeit Hartz IV beziehen

Noch weniger verdiente Markus Breitscheidel auf den Obstfeldern. Auf einem Erdbeerfeld verdiente der Buchautor rund 2,50 Euro in der Stunde. Hier wird nicht nach Stundenlohn abgerechnet, sondern nach Erdbeerschälchen. Für ein Schälchen verdient der Erntehelfer 0,25 Cent. Um überhaupt auf dem Feld arbeiten zu können, muss der Erntehelfer ein Auto besitzen. Das ist Einstellungsvorraussetzung. Doch wer kann sich bei einem so geringen Stundenlohn ein Auto leisten? Zudem ist der Verdienst so gering, dass sowieso ergänzendes Arbeitslosengeld II gezahlt werden musste.

Breitscheidel zeigt in seinem neuen Buch eindrucksvoll auf, wie es sich (über-) lebt mit Hartz IV. Hartz IV-Betroffene werden aus dem Buch nicht viel Neues erfahren können- leben sie doch in dieser triesten Realität. Doch alle anderen erhalten durchaus einen guten Einblick in die Machenschaften von Unternehmen und Behörden. Ein gelungenes Machwerk, das parteiisch und dennoch objektiv bleibt. Zu empfehlen für alle Hartz IV Befürworter. "Arm durch Arbeit" von Markus Breitscheidel. Zu bestellen zum Beispiel bei Amazon. (23.10.2008)

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