Mieser Hartz IV Arbeitsalltag im Jobcenter

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Arbeitsvermittlerin gewährt Einblicke in ihre oft frustrierende Arbeit
„Ich habe Kollegen, da möchte ich nicht Kundin sein", berichtet eine Jobcenter-Mitarbeiterin, die anonym bleiben möchte, im Interview mit der Online-Ausgabe des Magazins „Karriere Spiegel“. Hartz IV-Bezieher haben leider keine Wahl. Wer Leistung bezieht, muss sich dem System beugen und wird einem Arbeitsvermittler zugeteilt. Wer Glück hat, landet bei einem verständnisvollen Jobcenter-Mitarbeiter, der auch mal ein Auge zudrückt. Das Gesetz verpflichtet jedoch alle Arbeitsvermittler und Fallmanager dazu, sich streng an die Vorgaben zu halten. Das heißt: Wer nicht zum Termin erscheint, wird mit einer zehnprozentigen Leistungskürzung bestraft. Wer eine Arbeitsgelegenheit ablehnt, muss sogar mit weitaus empfindlicheren Strafen rechnen.

Jobcenter-Mitarbeiter haben keinen guten Ruf
„Ich mag keine Sanktionen. Die motivieren nicht. Und Motivation ist doch der Schlüssel zum Erfolg. Es ist doch klar, dass einer, der immer nur Absagen erhält, irgendwann die Energie verliert“, erklärt die Arbeitsvermittlerin im Gespräch mit dem Magazin. Sie sei zwar gesetzlich zum Sanktionieren bei Pflichtverstößen verpflichtet, aber „Gott sei Dank kann die Teamleiterin nicht immer so genau hinschauen“. Es gebe jedoch auch Kollegen, die sich sogar freuten, wenn sie Strafen verhängen könnten.

Arbeitsvermittler beim Jobcenter genießen keinen besonders guten Ruf. Den Ausführungen der Arbeitsvermittlerin zufolge ist einerseits die hohe Belastung anderseits eine falsche Arbeitsstellung bei vielen ihrer Kollegen Schuld daran. „Für die ist das hier einfach nur ein Job, die könnten auch im Lager arbeiten und Milchkästen zählen. Außerdem sind alle im Jobcenter überlastet. Und dann ist da noch die Angst, dass ein Arbeitsloser uns plötzlich angreifen könnte. Wir haben alle einen Alarmknopf unterm Schreibtisch.“

Überlastung: Jobcenter-Mitarbeiter betreuen häufig weitaus mehr Hartz IV-Bezieher als der Betreuungsschlüssel vorgibt
Ein großes Problem stelle die Einhaltung des Betreuungsschlüssels dar, der offiziell bei 150 Kunden pro Vermittler liege. „Tatsächlich bin ich aber für 350 bis 380 Leute zuständig. Wenn Kollegen krank oder im Urlaub sind, verdoppeln sich die Zahlen“, berichtet die Jobcenter-Mitarbeiterin, die früher in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig war. Um die Vorgaben des Bundesarbeitsministeriums dennoch zumindest statistisch zu erfüllen, gebe es einen rechnerischen Trick: Die Kunden werden auf alle Jobcenter-Mitarbeiter verteilt. „Also auch auf die, die am Empfang, im Sekretariat oder anderswo sitzen – also nichts mit Vermittlung zu tun haben.“

Bei der Vergabe von Fortbildungen wird zudem häufig nicht danach entschieden, ob eine Weiterbildungsmaßnahme im individuellen Fall sinnvoll ist. „Jedes Jobcenter hat nur bestimmte Mittel zur Verfügung. Deshalb steht schon zu Jahresbeginn fest, wie viele Maßnahmen und Weiterbildungen es geben wird, wie viele Fahrtkosten ich erstatten darf und wie viele Bildungsgutscheine ich ausstellen muss“, erläutert die Arbeitsvermittlerin. Das führe aber beispielsweise dazu, dass am Ende des Jahres krampfhaft Hartz IV-Bezieher in Fortbildungen gesteckt werden müssten, wenn noch Weiterbildungen offen sind. Es sei dann nicht entscheidend, ob eine solche Weiterbildungsmaßnahme auch tatsächlich sinnvoll ist. (ag)

Bild: Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

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