Jobcenter Passkosten nicht bezahlen

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LSG Celle: Im Einzelfall kann Sozialhilfe einspringen

19.09.2017

Ausländische Hartz-IV-Bezieher können vom Jobcenter nicht die Kostenübernahme für die Beschaffung eines Reisepasses verlangen. Es ist jedoch denkbar, dass das Sozialamt für die Kosten ganz oder zumindest teilweise aufkommen muss, heißt es in einem am Montag, 18. September 2017, veröffentlichten Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen (Az.: L 7 AS 1794/15). Die Celler Richter haben wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zugelassen.

Im konkreten Fall hatte ein türkischer Hartz-IV-Bezieher die Kostenübernahme für die Beschaffung eines türkischen Reisepasses beim Jobcenter Braunschweig beantragt. Die Gültigkeitsdauer seines Passes sei abgelaufen, so dass er einen neuen benötige. Die Kosten in Höhe von 207 Euro könne er alleine mit dem geringen Arbeitslosengeld II nicht stemmen. Nach den deutschen Bestimmungen müsse er zur Identifikation aber einen Pass haben, anderenfalls drohe ihm strafrechtliche Verfolgung.

Das Jobcenter lehnte die Kostenübernahme für einen neuen Pass ab. Die Behörde stellte jedoch ein Darlehen in Aussicht. Dem Mann sei es zuzumuten, dass er sich die Gebühren für die Passausstellung aus der Regelleistung anspare.

Ohne Erfolg wies der Hartz-IV-Bezieher darauf hin, dass im Regelsatz lediglich 30 Euro Verwaltungsgebühren für die Beschaffung eines deutschen Personalausweises enthalten seien. Er benötige jedoch mehr. Das Geld hatte sich der Mann schließlich von Bekannten geliehen und wollte sich dieses nun auf dem Gerichtsweg zurückholen.

In seinem Urteil vom 13. Juni 2017 stellte das LSG fest, dass das Jobcenter für die Beschaffung eines ausländischen Reisepasses nicht aufkommen müsse. Es gebe hierfür keine Rechtsgrundlage. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass bei einem laufenden, nicht nur einmaligen und unabweisbaren Bedarf ein Mehrbedarf bestehen könne, für den das Jobcenter aufkommen müsse. Auch müsse hier nach dem Gesetz der Kläger über einen Pass zur Identifikation verfügen. Es handele sich bei der Passbeschaffung aber nicht um einen „laufenden“, sondern nur einmaligen Bedarf.

Unter Umständen könne aber die Sozialhilfe im Einzelfall einspringen. Das Sozialamt müsse nach dem Gesetz bei einer besonderen Bedarfslage Sozialhilfe in „sonstigen Lebenslagen“ erbringen, wenn der Einsatz öffentlicher Mittel gerechtfertigt ist. Drohe einem Ausländer strafrechtliche Verfolgung, wenn er sich keinen Pass beschafft, sei dem Grunde nach der Einsatz öffentlicher Mittel gerechtfertigt.

Dennoch bestehe zumindest im Fall des Klägers kein „konkreter, mit öffentlichen Mitteln zu deckender Bedarf“, urteilte das LSG. Der Kläger verfüge über einen türkischen Personalausweis. Dieser gelte zwar in Deutschland nicht als Identifikationsnachweis. Mit dem Personalausweis hätte der Kläger sich aber anstelle eines endgültigen, einen günstigeren „vorläufigen Reisepass“ ausstellen lassen können. Dieser werde in Deutschland auch anerkannt. Es gebe lediglich Ein- und Ausreisebeschränkungen in das Ausland.

Das LSG Nordrhein-Westfalen hatte am 23. Mai 2011 geurteilt, dass das Sozialamt für die Passbeschaffung für in Deutschland lebende, geduldete Flüchtlinge aufkommen muss (Az.: L 20 AY 19/08; JurAgentur-Meldung vom 4. Juli 2011). Dies gelte zumindest dann, wenn Flüchtlinge für eine gewünschte Aufenthaltserlaubnis sich Pässe beschaffen müssen. Es wäre widersinnig, wenn einerseits Behörden auf die Ausweis- und Passpflicht verweisen, andererseits bei Bedürftigkeit die Mittel nicht bereitstellen. Da die Passbeschaffungskosten nicht im Regelsatz enthalten sind, müsse der Sozialhilfeträger diese gesondert bezahlen.fle/mwo

Bild: Uwe Schlick / pixelio.de

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