Hartz IV Heizkosten widersprechen Sozialgesetz

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Hartz IV Heizkosten-Pauschalen widersprechen Sozialgesetz

Um heil über den Winter zu kommen, müssen ALG II – und Sozialhilfeempfänger nicht selten aus eigener Kasse draufzahlen. Wenn die von den Leistungsträgern bewilligte Heizkostenerstattung den tatsächlichen Bedarf nicht deckt, landen Teile der Regelleistung zweckentfremdet in den Taschen des Energieversorgers. »Heizkosten müssen dann quasi vom Munde abgespart werden, viele Betroffene werden durch diese chronische Mangelsituation existentiell überfordert«, beschreibt Frank Jäger vom Erwerbslosenverein Tacheles einen verbreiteten Mißstand. Zumindest in Wuppertal, dem Sitz der Betroffeneninitiative, hat dieses Unrecht demnächst ein Ende. Ab dem 1. Oktober begleicht die Verwaltung den vollen Kostensatz und gibt die bis dato gängige Praxis der Pauschalierung auf.

Tacheles hat entscheidend zum Sinneswandel der Stadtoberen beigetragen. »Wir haben mehrere Musterverfahren unterstützt, bei denen ausnahmslos zugunsten der Kläger entschieden wurde«, schilderte Frank Jäger am Dienstag im Gespräch mit junge Welt. Den Ausschlag gab am Ende aber eine durch den Sozialhilfeverein initiierte Umfrage in Wuppertaler Hartz-IV-Haushalten, die im Ergebnis zum Teil gewaltige Diskrepanzen zwischen realer Kostenlast und gewährter Vergütung nachweist. Demnach spiegeln die anhand durchschnittlicher Energieverbrauchswerte festgelegten Heizkostenpauschalen häufig nicht die besonderen Lebens- und Wohnumstände der Betroffenen wider.

So werde beispielsweise nicht nach dem Baujahr eines Hauses und entsprechender Wärmedämmung differenziert. Zudem variierten die Heizkosten je nach Art und Zustand der Heizanlage, bewohnter Etage, dem Vorhandensein, der Anzahl und dem Alter von Kindern oder älteren Bewohnern. Die Studie ergab so eine Bandbreite von unter fünf Euro bis 30 Euro jährlicher Heizkosten pro Quadratmeter Wohnraum. In nur zwölf Prozent der Fälle entspricht demnach die von den Behörden gezahlte Pauschale der Höhe des vom Energielieferanten verlangten monatlichen Abschlags. Die ermittelten Abweichungen zwischen Obergrenze und realen Kosten betragen bis zu plus/minus 27 Euro monatlich. Während manche Betroffene also knapp 30 Euro ihrer Regelleistung für zusätzliche Heizkosten aufbrauchen müssen, steht das Geld anderen zusätzlich zur Verfügung. »Heizkosten mit Durchschnittwerten zu pauschalieren, haut einfach vorne und hinten nicht hin, weil das große Ungerechtigkeiten produziert«, bilanziert Frank Jäger.

Dennoch werde nach dieser Methode bundesweit in der Mehrzahl der Landkreise und Kommunen in Deutschland verfahren, in der Regel zum Nachteil der Betroffenen durch Festsetzung von Obergrenzen auf niedrigem Niveau. Wie Jäger ausführte, entbehre die Praxis der »Selbstermächtigung« der Träger dabei jeder gesetzlichen Grundlage. Sie stehe sogar im »eklatanten Widerspruch« zum zweiten und zwölften Sozialgesetzbuch, wonach die Besonderheiten des Einzelfalls bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen sind. Diese Auffassung bestätige auch die laufende Rechtsprechung der Sozialgerichte, so Jäger.

Jägers Hoffnung ist es nun, dass der Fall Wuppertal »bundsweite Signalwirkung« entfaltet. Örtlichen Betroffeneninitiativen empfahl er, die Tacheles-Studie bei der politischen Überzeugungsarbeit zu nutzen und die Diskussion voranzubringen. »Es wird höchste Zeit, den Verantwortlichen auf die Sprünge zu helfen«. (Steffen Lörtzing, st-loertzing@web.de, 26.08.2008)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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