Schwerbehinderten Rollstuhlfahrer mรผssen ihre Urlaubs- und Freizeitgestaltung รคhnlich frei vornehmen kรถnnen, wie nicht behinderte Menschen. Reicht hierfรผr ein von der Krankenkasse gewรคhrter Aktivrollstuhl nicht aus, kann der Rollstuhlfahrer aufgrund seines Rechts auf soziale Teilhabe und zum mittelbaren Behinderungsausgleich zusรคtzlich Anspruch auf ein Rollstuhlzuggerรคt vom zustรคndigen Krankenversicherungs- oder Reha-Trรคger haben, entschied das Sozialgericht Mรผnchen in einem am Montag, 11. August 2025, verรถffentlichten Urteil (Az.: S 48 SO 331/24).
Rolli-Fahrer will mittelbaren Behinderungsausgleich
Der Klรคger, ein frรผherer Krankenpfleger, ist wegen einer fortschreitenden schweren Nervenschรคdigung auf einen Rollstuhl angewiesen. Seine Krankenkasse hatte ihm einen Aktivrollstuhl bewilligt, mit dem er den fuรlรคufigen Nahbereich seiner Wohnung erschlieรen kann.
Er beantragte zusรคtzlich ein Rollstuhlzuggerรคt, um Wege leichter bewรคltigen und auch weitere Entfernungen zurรผcklegen zu kรถnnen. Mit dem Aktivrollstuhl kรถnne er aufgrund seiner mangelnden Kraft keine Tagesausflรผge durchfรผhren.
Auch Pflastersteine oder Waldwege seien fรผr ihn Hindernisse. Mit dem Rollstuhlzuggerรคt kรถnne er diese hingegen aktiv รผberwinden. Die Urlaubs- und Freizeitgestaltung werde durch das Hilfsmittel erleichtert, da er so etwa oberbayerische Seen besuchen kรถnne, die รผber nicht befestigte Wege erreichbar sind, so der Klรคger.
Die Krankenkasse sah sich nicht fรผr zustรคndig. Sie mรผsse nur sicherstellen, dass sich der Rollstuhlfahrer im Nahbereich seiner Wohnung fortbewegen kรถnne. Sie leitete den Antrag fรผr das Rollstuhlzuggerรคt an den zustรคndigen Reha-Trรคger weiter.
Dieser lehnte ab. Der Klรคger kรถnne sein Recht auf soziale Teilhabe und damit auch auf Mobilitรคt mit dem bestehenden Aktivrollstuhl und der Nutzung รถffentlicher Verkehrsmittel wahrnehmen. Die Regierung von Oberbayern wies den dagegen eingelegten Widerspruch ab.
Anspruch auf Rollstuhlzuggerรคt zur Freizeitgestaltung
Das Sozialgericht urteilte am 2. Juli 2025, dass ein behinderter Mensch nach dem Krankenversicherungsrecht ein behinderter Mensch zum mittelbaren Behinderungsausgleich Anspruch auf ein Rollstuhlzuggerรคt haben kann.
โEin solcher Anspruch besteht auch nach dem Recht der sozialen Teilhabe, wenn der behinderte Mensch ohne das Hilfsmittel seine Freizeit- und Urlaubsaktivitรคten nicht wunschgemรคร รคhnlich wie ein vergleichbarer, nicht von einer Behinderung betroffener Mensch gestalten kannโ.
Die gesetzliche Krankenversicherung kann fรผr Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich zustรคndig sein, wenn diese ein allgemeines Grundbedรผrfnis des tรคglichen Lebens befriedigen. Im Bereich der Mobilitรคt muss die Krankenkasse sicherstellen, dass die betroffene Person den Nahbereich ihrer Wohnung erschlieรen kann.
Dagegen ist die Krankenversicherung beim mittelbaren Behinderungsausgleich nicht fรผr Hilfsmittel zustรคndig, mit denen der behinderte Mensch lรคngere Wegstrecken zurรผcklegen will, stellte das Sozialgericht klar. Dabei handele es sich etwa um Wegstrecken, die ein Radfahrer, Jogger oder Wanderer zurรผcklegt. In diesem Fall muss der Reha-Trรคger fรผr erforderliche Hilfsmittel aufkommen.
Bedรผrfnisse von behinderten Menschen mรผssen respektiert werden, Alltagsverrichtungen nach Mรถglichkeit unter Einsatz eigener Krรคfte zu bewรคltigen
Dabei mรผsse das Bedรผrfnis des behinderten Menschen respektiert werden, Alltagsverrichtungen nach Mรถglichkeit unter Einsatz eigener Krรคfte zu bewรคltigen. Dazu gehรถre auch der Teilhabewunsch des Klรคgers, Ausflรผge in die Natur und entlang der oberbayerischen Seen zu unternehmen. Dies kรถnne hier nur mithilfe des Rollstuhlzuggerรคts gelingen. Zu Unrecht habe der Reha-Trรคger den Klรคger darauf verwiesen, bei Ausflรผgen nur asphaltierte Wege zu nutzen. Dies stehe dem in der Verfassung und der UN-Behindertenrechtskonvention enthaltenen Fรถrderauftrag entgegen.
Dabei mรผsse das Bedรผrfnis des behinderten Menschen respektiert werden, Alltagsverrichtungen nach Mรถglichkeit unter Einsatz eigener Krรคfte zu bewรคltigen. Dazu gehรถre auch der Teilhabewunsch des Klรคgers, Ausflรผge in die Natur und entlang der oberbayerischen Seen zu unternehmen. Dies kรถnne hier nur mithilfe des Rollstuhlzuggerรคts gelingen. Zu Unrecht habe der Reha-Trรคger den Klรคger darauf verwiesen, bei Ausflรผgen nur asphaltierte Wege zu nutzen. Dies stehe dem in der Verfassung und der UN-Behindertenrechtskonvention enthaltenen Fรถrderauftrag entgegen.




