Kein Hartz IV für rezepfreie Medikamente

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Kein Hartz IV Kostenerstattung für rezepfreie Arzneimittel

29.10.2011

Bezieher von Hartz IV Leistungen können beim zuständigen Leistungsträger keine Kosten für rezeptfreie Arzneimittel beantragen. Das urteilte das Bundessozialgericht in Kassel mit dem Aktenzeichen AZ: B 14 AS 146/10. Im Zweifelsfall muss die Krankenkasse verklagt werden.

Im konkreten Fall leidet eine Frau aus Berlin an Osteoporose, wiederkehrenden Kopfschmerzen, chronischem Eisenmangel und einer Hautallergie. Zusätzlich zur erstattungspflichtigen Therapie stellte der behandelnde Arzt ein Privatrezept aus. Daraufhin stellte die Betroffene einen Antrag auf Kostenerstattung bei ihrem zuständigen Jobcenter, da es sich um eine finanzielle Mehrbelastung außerhalb der ALG II Regelleistung handelte. Das Jobcenter lehnte den Antrag ab, woraufhin die Patientin sich bis zum Bundessozialgericht durch alle Instanzen klagte.

Doch auch beim Bundessozialgericht wurde die Klage abgelehnt. Vielmehr müsse die Klage im Streitfall an die zuständige Krankenkasse gestellt werden, so die Richter in der Urteilsbegründung. Denn die Kassen sind für das gesundheitliche Existenzminimum von Hartz IV Beziehern zuständig. Weigert sich die Krankenkasse, so müsse im Einzelfall ein Gericht über die Kostenerstattung entscheiden. Ein Antrag auf Mehrbedarf beim Leistungsträgern komme nur dann in Betracht, wenn Zuzahlungen zu den regulären Kassenleistungen den Leistungsbezieher finanziell überfordern. Ein Antrag auf Mehrbedarf komme dann in Frage, wenn die Patientin eine kost-aufwendige Ernährung benötigt. (sb)

Dazu ein ergänzender Kommentar von Rechtsanwalt Meinulf Krön: Es kommt immer auf eine Gesamtbetrachtung an. Wenn also die Zuzahlungen und Praxisgebühren laufend anfallen und dann noch zusätzlich nicht-verschreibungspflichtige Medikamente hinzukommen, die nach entsprechenden ärztlichen Attesten aber medizinisch notwendig zur Behandlung sind, ohne zwingend zum Therapiestandard zu gehören (und daher eine Übernahme durch die Kasse ausscheidet) ist schnell der im Regelbedarf enthaltene Anteil für Kosten der Gesundheitspflege von zur Zeit 14.04 EURO überschritten. Ist die Übernahme von Kosten für Arzneimittel, die von der Kostentragung durch die Krankenkasse gemäß § 34 SGB V ausgeschlossen sind, aufgrund der Höhe und des geringen Anteils für Arznei- und medizinische Hilfsmittel in der Regelleistung nach § 20 SGB II dem Hilfebedürftigen nicht zumutbar, so liegt aber eine atypische Bedarfslage vor, die nicht mehr aus dem Regelbedarf zu bestreiten ist. Das Bundessozialgericht hat bei regelmäßig monatlich anfallenden Kosten von 20,45 EUR die Bagatellgrenze auch als überschritten angesehen, oberhalb derer eine Übernahme nach der Härtefallregelung auch für Gesundheitspflegekosten in Betracht kommt (BSG, Urteil vom 19.08.2010 – B 14 AS 13/10 R Rn. 20). Also: immer erst einmal eine Gesamtbetrachtung machen lassen und nicht vorschnell die PatientInnen dazu bringen, Anträge einfach zu unterlassen, weil Einzelpositionen isoliert betrachtet jeweils im quasi füllhorngleichen Regelbedarf enthalten sein sollen.

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