BGH: Persönliche Anhörung während Corona-Pandemie nicht verzichtbar
Gerichte müssen psychisch Kranke im Betreuungsverfahren auch während der Corona-Pandemie grundsätzlich persönlich anhören. Eine telefonische Anhörung kann den persönlich gewonnenen Eindruck nicht ersetzen, stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Dienstag, 1. Dezember 2020, veröffentlichten Beschluss klar (Az.: XII ZB 220/20).
Konkret ging es um eine an einer organisch bedingten Persönlichkeitsstörung erkrankte Frau aus Ostwestfalen. Ihr Ehemann hatte beim Betreuungsgericht die Einrichtung einer Betreuung angeregt. Das Amtsgericht Bünde hörte die Frau daraufhin in ihrer Wohnung an und veranlasste ein schriftliches ärztliches Gutachten.
Das Gericht entschied, dass der Ehemann die Betreuung in Behörden-, Sozialversicherungs-, Vermögens- und Postangelegenheiten übernehmen sollte. Eine Berufsbetreuerin war für die Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitssorge zuständig.
Die Frau hielt sich jedoch für gesund und legte beim Landgericht Bielefeld Beschwerde gegen die Betreuungsentscheidung ein.
Doch auch das Landgericht bestätigte die Betreuung. Hierfür hatte es ein Ergänzungsgutachten eingeholt und die Frau wegen der Corona-Pandemie allerdings nur telefonisch angehört.
Der BGH wertete dies in seinem Beschluss vom 4. November 2020 als rechtsfehlerhaft. Auch während der Corona-Pandemie müssten im Betreuungsverfahren die Betroffenen grundsätzlich persönlich angehört werden. Zwar könne im Berufungsverfahren auf eine persönliche Anhörung verzichtet werden, wenn diese vom Amtsgericht bereits durchgeführt wurde und keine neuen Sachverhalte vorliegen. Hier habe das Landgericht aber ein weiteres Gutachten erstellen lassen, so dass die persönliche Anhörung erforderlich gewesen sei.
Anhand einer telefonischen Anhörung könne sich ein Gericht keinen ausreichenden persönlichen Eindruck verschaffen, entschied der BGH, der das Verfahren damit an das Landgericht zurückverwies. fle/mwo
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