Abfindung in der Probezeit: Besonderer Kündigungsschutz erweitert

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In den meisten Fällen wird zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses eine Probezeit vereinbart. Während dieser Zeit gelten die gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen nicht in vollem Umfang.

Dies galt bisher auch für Personen mit besonderem Kündigungsschutz, der erst nach Ablauf der Probezeit greift. Der Europäische Gerichtshof hat nun aber entschieden, dass Menschen mit einer Behinderung, die als Schwerbehinderung anerkannt ist, bereits während der Probezeit besonderen Kündigungsschutz genießen.

Kündigung in der Probezeit

Die Probezeit, die maximal sechs Monate dauern darf, dient dazu, die Eignung des Vertragspartners zu prüfen, d.h. festzustellen, ob der Arbeitnehmer über die erforderlichen Qualifikationen verfügt oder ob die Stelle den Fähigkeiten und Erwartungen des Arbeitnehmers entspricht. Zu diesem Zweck erleichtert die Probezeit sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer die Kündigung.

Während der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur zwei Wochen. Sie kann zudem jederzeit und nicht nur zum 15. oder zum Monatsende erfolgen.

Eine kurzfristige Kündigung war bisher auch dann möglich, wenn der Arbeitnehmer während des regulären Arbeitsverhältnisses besonderen arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz genießt.

Besonderer Kündigungsschutz

Einen besonderen Kündigungsschutz genießen nach deutschem Arbeitsrecht Arbeitnehmer, die

  • in Mutterschutz oder Elternzeit sind,
  • nahe Angehörige in häuslicher Pflege versorgen,
  • körperlich oder geistig vor besondere Herausforderungen gestellt (schwerbehindert) sind,
  • Mitglied einer gewählten Interessenvertretung sind, oder
  • Wehrdienst leisten.

Betroffene haben meistens sehr gute Chancen im Rahmen einer Kündigungsschutzklage eine Weiteranstellung zu erwirken oder unter Umständen bereits außergerichtlich eine Abfindung zu erhalten. Doch der besondere Kündigungsschutz galt im deutschen Recht bisher erst nach Ablauf der ersten sechs Monate des Anstellungsverhältnisses.

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Europäischer Gerichtshof weitet besonderen Kündigungsschutz in Probezeit aus

Im Falle eines körperlich beeinträchtigten Angestellten einer belgischen Bahngesellschaft hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der besondere Kündigungsschutz bereits in die Probezeit gilt und entsprechend eine alternative Beschäftigung an einem geeigneten Arbeitsplatz geprüft werden muss (Az.: C-485/20 HR Rail, 10.02.2022).

Der Betroffene konnte wegen eines Herzschrittmachers nicht mehr in der Nähe von elektromagnetischen Gleisanlagen arbeiten und erhielt deshalb eine Schwerbehinderteneigenschaft.

Die Eisenbahngesellschaft kündigte ihm schließlich mit der Begründung, es habe sich während der Probezeit herausgestellt, dass er die Aufgaben, für die er ursprünglich eingestellt worden war, nicht erfüllen könne.

Das angerufene Arbeitsgericht wandte sich daraufhin an den Europäischen Gerichtshof mit der Frage, ob Artikel 5 der Europäischen Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie, der die Diskriminierung wegen einer Behinderung am Arbeitsplatz verbietet, auch während der Probezeit gilt.

Urteil gilt auch für deutsches Arbeitsrecht

Der Europäische Gerichtshof sieht keinen Grund für eine Ausnahme von der allgemeinen Schutzregelung während der Probezeit. Im deutschen Recht ist dies bisher ausdrücklich ausgeschlossen, um Einstellungshindernisse abzubauen – so die Begründung des Gesetzgebers.

Das europäische Urteil ist jedoch höherrangig und überlagert damit das geltende Recht.

Auch in der Probezeit wird es für Arbeitgeber daher künftig darauf ankommen, genau zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung schwerbehinderter Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz möglich ist, selbst wenn dafür eine Umschulung oder Fortbildung erforderlich ist.

Wird dennoch gekündigt, muss im Rahmen einer Kündigungsschutzklage eine Abfindung geprüft werden.

Wie sich das Urteil genau für die Betroffenen auswirken wird, müssen die Arbeitsgerichte zeigen. Es ist sogar zu befürchten, dass eine grundsätzliche Befristung oder gar ein gänzlicher Verzicht auf Neueinstellungen von Betroffenen die Folge sein könnte.

Aber auch das widerspricht natürlich dem Diskriminierungsschutz.

Betroffene, die besonderen Kündigungsschutz genießen, sollten im Zweifelsfall unbedingt einen Anwalt hinzuziehen, um ihre Rechte und Abfindungsansprüche durchzusetzen. Künftig auch während der Probezeit. Bild: Firma V / AdobeStock

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