Krankheitsbedingt gekündigt – Dann steht eine Abfindung zu

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Viele Betroffene gehen fälschlicherweise davon aus, dass sie bei langer Erkrankung keinerlei Chance auf eine Abfindung haben. Tatsächlich bestehen jedoch im deutschen Arbeitsrecht gute Aussichten auf eine Einigung mit dem Arbeitgeber – besonders wenn bestimmte Abläufe wie das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nicht eingehalten wurden.

Krankheitsbedingte Kündigung ohne BEM: Warum Arbeitgeber Schwierigkeiten bekommen

Auch wenn der Arbeitgeber rechtlich gesehen nicht verpflichtet ist, ein BEM in jedem Fall durchzuführen, verlangen die Gerichte im Kündigungsschutzprozess einen Nachweis, dass der Arbeitgeber zumindest geprüft hat, ob der Mitarbeiter innerhalb des Betriebs so eingesetzt werden kann, dass die Fehlzeiten minimiert werden.

Ohne ein ordentlich durchgeführtes BEM steigen die Erfolgschancen des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzverfahren erheblich.

Wichtig zu wissen: Fehlt ein BEM oder wurde es nur oberflächlich durchgeführt, ist die Kündigung zwar nicht automatisch unwirksam. In der Praxis führt dieser Mangel jedoch oft dazu, dass das Gericht die Kündigung nicht akzeptiert.

Der Arbeitgeber muss dann im Prozess beweisen, dass er die Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung eingehend geprüft hat – was ohne BEM kaum gelingt.

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Typischer Irrtum: Bei langer Krankheit gibt es keine Abfindung

Immer wieder entsteht die Sorge, eine längere Erkrankung oder eine schlechte gesundheitliche Prognose könnten den Anspruch auf eine Abfindung mindern oder ganz ausschließen. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall:

Steht ein Arbeitnehmer bereits seit geraumer Zeit nicht mehr zur Verfügung und möchte selbst nicht an den alten Arbeitsplatz zurückkehren, kann eine Kündigung von Unternehmensseite sogar zu einer vorteilhaften Ausgangslage für Abfindungsverhandlungen führen.

In vielen Fällen sind Unternehmen bereit, eine Abfindung zu zahlen, um das Arbeitsverhältnis dauerhaft zu beenden und ein langwieriges Gerichtsverfahren zu vermeiden. Je weniger rechtssicher die Kündigung ist – beispielsweise mangels BEM – desto höher ist oft die Bereitschaft des Arbeitgebers, über eine attraktive Abfindung zu verhandeln.

Praktische Beispiele: Fehlvorstellungen über den Kündigungsschutz

In der Praxis tauchen häufig Missverständnisse rund um die Themen Kündigung und Abfindung auf. Ein klassisches Beispiel: Ein Arbeitnehmer hat bereits Gerüchte über eine mögliche Kündigung gehört und fürchtet nun, komplett ohne Abfindung dazustehen. Oft wird angenommen, lange Krankheit bedeute automatisch keinen Verhandlungsspielraum.

Doch sobald klar wird, dass kein betriebliches Eingliederungsmanagement stattgefunden hat, eröffnet dies eine günstige Verhandlungsbasis.

Ist kein BEM dokumentiert, muss der Arbeitgeber vor Gericht aufzeigen, wie er versucht hat, gesundheitliche Einschränkungen zu berücksichtigen oder den Arbeitsplatz anzupassen. Gelingt ihm das nicht, ist die Kündigung in der Regel angreifbar. Arbeitnehmer können daher ihre Kündigungsschutzklage nutzen, um eine angemessene Abfindung auszuhandeln.

Einflussfaktoren auf die Abfindungshöhe

Verschiedene Kriterien bestimmen letztlich die Abfindung, auf die sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber einigen könnten:

  • Verhandlungsposition: Wer bereit ist, im Zweifel zum Betrieb zurückzukehren, kann meist höhere Summen durchsetzen.
  • Gesamtdauer der Fehlzeiten: Eine sehr lange Krankheitsphase allein ist kein Hindernis für eine Abfindungszahlung.
  • Rolle des Arbeitgebers: Unternehmen, die ein hohes Prozessrisiko sehen, sind oftmals zu einer großzügigeren Zahlung bereit.
  • Aufhebungsverträge: Wird ein solcher Vertrag vom Arbeitgeber angeboten, sollten Arbeitnehmer ihn nicht vorschnell unterschreiben, da sonst mögliche Ansprüche verschenkt werden.

Kündigungsschutzklage als Schlüssel zum Verhandlungserfolg

Ein wichtiger Aspekt beim Erhalt einer Abfindung ist die Entscheidung, eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Wer eine Kündigung ohne BEM, mit formalen Fehlern oder unter zweifelhaften gesundheitlichen Vorzeichen erhält, kann vor Gericht regelmäßig auf eine gütliche Einigung hoffen.

Der Grund: Unternehmen, die nicht sämtliche rechtlichen Vorgaben eingehalten haben, riskieren ein langwieriges Verfahren und am Ende die Unwirksamkeit der Kündigung. Oftmals wird es als wirtschaftlicher angesehen, eine Abfindung zu zahlen, anstatt einen unsicheren Prozessverlauf in Kauf zu nehmen.

Verhandlungsstrategie: Flexibilität zahlt sich aus

Bei krankheitsbedingten Kündigungen kommt es stark auf die individuelle Strategie an. Wer unbedingt eine Abfindung will, kann nicht gleichzeitig kategorisch ausschließen, zum Arbeitsplatz zurückzukehren, falls der Arbeitgeber aus taktischen Gründen darauf beharrt.

Hier lässt sich folgender Grundsatz feststellen: Je größer die Bereitschaft, zumindest theoretisch im Unternehmen zu bleiben, desto mehr Verhandlungsspielraum besteht.

Wer hingegen unter keinen Umständen zurückkehren möchte, sollte sich bewusst sein, dass dies bei der Abfindungshöhe Kompromisse mit sich bringen kann. Arbeitgeber merken schnell, wenn ein Arbeitnehmer keinesfalls an den alten Arbeitsplatz zurückkehren will, und bieten dann oft weniger Geld an, weil sie wissen, dass die Gegenseite nicht ernsthaft mit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses droht.

Häufige Fragen und praktische Hinweise

Bei krankheitsbedingten Kündigungen stellen sich meist ähnliche Fragen, die oft mit Unsicherheit verbunden sind. Eine kurze Übersicht der wichtigsten Punkte:

  1. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM): Erfolgt kein oder kein ordnungsgemäßes BEM, steigt die Chance, dass die Kündigung vor Gericht keinen Bestand hat.
  2. Aufhebungsvertrag nicht voreilig unterschreiben: Ohne juristische Beratung ist es riskant, verbindliche Dokumente zu unterzeichnen.
  3. Rechtliche Fristen beachten: Bei Kündigung gilt die Drei-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage. Wird sie versäumt, ist das Arbeitsverhältnis meist endgültig beendet.