Koalition fürchtet höhere Hartz IV Regelsätze
Nachdem bekannt wurde, dass die Regelsätze bei Hartz IV nicht mehr an die Rentenentwicklung gekoppelt sind und statt dessen an die Nettolohnentwicklung oder Inflation gebunden werden, fürchten viele Unions- und FDP Politiker Mehrausgaben bei Hartz IV.
(02.08.2010) Die Berechnung der Arbeitslosengeld II Regelsätze muss zukünftig verfassungskonform sein. Das urteilte im Februar das Bundesverfassungsgericht. Nun ist die Bundesregierung, insbesondere das Bundesarbeitsministerium dazu verpflichtet bis zum Jahresbeginn 2011 die Berechnungsgrundlage neu zu gestalten. Bekannt wurde, dass die Angleichung und Berechnung zukünftig nicht mehr an die Rentenentwicklung gekoppelt sein wird. Statt dessen sollen sich die Hartz IV Regelsätze nach den Nettolohnentwicklungen orientieren. Spiegel Online mutmaßte, die allgemeinen Regelsätze könnten dadurch für Erwachsene auf 400 Euro ansteigen. Dieser Darstellung widersprach allerdings das Arbeitsministerium bereits am Wochenende. Bislang würden keine konkreten Berechnungen vorliegen, wie es hieß.
Innerhalb der Koalition wird genau eine solche Erhöhung der ALG II Regelsätze befürchtet. Der CSU-Sozialpolitiker Max Straubinger meint zwar, es sei "unwahrscheinlich", dass die Hartz-IV Sätze steigen, wenn diese allerdings steigen, "wäre es dies nicht wünschenswert" , so der CSU Spitzenpolitiker gegenüber der "Welt". Im Zuge der Sparbemühung der Regierung könne man "nicht besonders freigebig sein". Straubinger führt an, angeblich wäre das Lohnabstandsgebot gefährdet, "gerade jetzt, wo der Arbeitsmarkt beginnt, Arbeitslose aufzunehmen". Doch gleichzeitig spricht sich die Bundesregierung gegen einen gesetzlichen Mindestlohn aus, der genau einen solchen Effekt verhindern könnte.
Ebenfalls ängstlich betrachtet der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Fuchs einen menschenwürdigeren Hartz IV Regelsatz. So sagte Fuchs gegenüber der "Bild": "Die Konsolidierung des Staatshaushalts darf nicht durch Hartz IV gefährdet werden". Hartz IV würde durch einen höheren Regelsatz "attraktiver gegenüber Arbeit" werden. Fuchs hoffe, eine Erhöhung der Sätze "entspreche nicht der Realität".
Widerspruch kam selbstverständlich auch aus der Reihen des Koalitionspartners FDP. So sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Heinrich Kolb: "Sollte die Neugestaltung der Hartz-IV-Sätze zu Mehrausgaben führen, muss das Ministerium Vorschläge für Einsparungen an anderer Stelle machen." Und genau an dieser Stelle gibt es bereits Bemühungen des Arbeitsministeriums, Einsparungen vorzunehmen. So hat sich eine "Expertenrunde" gebildet, die über 200 Vorschläge erarbeitet hat, um Kosten bei den Ausgaben einsparen. Ein Vorschlag ist beispielsweise, den Kommunen freie Hand bei den Kosten der Unterkunft zu lassen. Für einen Alleinstehenden sollen perspektivisch nur noch 25 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung stehen.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Ferner plädiert indes dafür, die Hartz-Sätze auch an die Inflation zu koppeln. Die ausschließliche Orientierung an der Nettolohnentwicklung sei nicht verfassungskonform und werde zu einer weiteren Klage beim Bundesverfassungsgericht führen. So sagte Ferner gegenüber dem Handelsblatt: "Der einzige Weg, Hartz IV verfassungskonform zu reformieren, ist, die Sätze in Zukunft wie die Lebenshaltungskosten unterer Einkommensbezieher steigen zu lassen." Im Zuge dessen sei es unausweichlich auch einen Mindestlohn einzuführen, da ansonsten die Empfängerzahlen staatlicher Leistungen steigen werde. "Nur so kann verhindert werden, dass immer mehr Arbeitnehmer ergänzend auf Hartz IV angewiesen sind und im Alter nur eine Minirente erreichen", argumentierte Ferner.
Scharfe Kritik an den Plänen der Bundesregierung äußerte die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion der Linken, Katja Kipping. "Mehr und mehr erhärtet sich der Verdacht, dass Schwarz-Gelb wie zuvor schon Rot-Grün die Berechnung der Regelsätze in verfassungswidriger Weise manipulieren will. Warum sonst sollte sie Abgeordneten jede Auskunft darüber verweigern, wie die Berechnung erfolgen soll?" Kipping plädierte für einen Eckregelsatz von 500 Euro monatlich. "Das ergibt sich aus den Maßgaben des Gerichts, bei der Ermittlung der Regelleistungen Zirkelschlüsse zu vermeiden, auf nicht sachgerechte Abschläge zu verzichten und die jährlichen Anpassungen sachgerecht vorzunehmen." Die Fraktion der Linken wolle sich deshalb dafür einsetzen, eine "unabhängige Kommission" einzusetzen, damit die ALG II Regelsätze verfassungskonform ausgestaltet werden.
Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband geht davon aus, dass aufgrund des Urteils des Verfassungsgerichtes die Bundesregierung dazu verpflichtet ist, die Regelleistungen ansteigen zu lassen. Gegenüber der Berliner Zeitung sagte der Verbandschef Ulrich Schneider, er gehe davon aus, dass der Regelsatz auf 420 Euro ansteigen wird. Auch bei Kindern seien die Bedürfnisse größer als bisher unterstellt, so Schneider. Allerdings sei schon jetzt erkennbar, dass die Bundesregierung Kinder mit Gutscheinen abspeisen will, die noch nicht einmal für den Besuch einer Musikschule ausreichen könnten. (sb, gr, wm)
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Bild: Christian Seidel / pixelio.de
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