Keine Wohnungen mehr für Hartz IV-Bezieher

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Vom Jobcenter als angemessen definierte Mietwohnung sind in Konstanz kaum noch vorhanden

10.07.2014

Sozialverbände schlagen Alarm: Immer mehr Menschen sind in Konstanz vom Verlust ihrer Wohnung bedroht. Entscheidungen des Jobcenters verschlimmern die Lage der Betroffenen häufig noch. So zahlt das Amt grundsätzlich nur für die Dauer von sechs Monaten die vollständige Miete, wenn diese über dem als angemessen definierten Mietpreis liegt. Danach müssen die Betroffenen selbst zusehen, wie sie die Differenz aufbringen, wenn sie keine günstigere Wohnung finden. Nicht selten bleibt ihnen nichts anderes übrig, als bei Verwandten oder Bekannten unterzukommen, um der Obdachlosigkeit zu entgehen. Die Sozialverbände fordern deshalb vom Jobcenter, seinen vollen Ermessensspielraum auszuschöpfen und im Einzelfall Ausnahmeregelung zu schaffen.

Kaum bezahlbare Wohnungen für Hartz IV-Bezieher
Die Online-Ausgabe des „Südkurier“ berichtete über die dramatische Lage auf dem Konstanzer Wohnungsmarkt und über einen konkreten Fall einer Alleinerziehenden mit zwei Kindern. Früher hatte die Frau gut verdient. Sie lebte mit ihren beiden Kindern in einer 90 Quadratmeter großen Wohnung, für die sie 1200 Euro Warmmiete zahlte. Nachdem die Alleinerziehende ihren Job verlor, wandte sie sich ans Jobcenter. Laut Tabelle der Behörde stehen einer dreiköpfigen Familie aber nur 75 Quadratmeter für 577 Euro Kaltmiete zu. Im ersten halben Jahr übernahm das Jobcenter noch die volle Miete für die große Wohnung. Danach sollte die Mutter selbst für die Differenz der Miete aufkommen. Da sie dazu finanziell nicht in der Lage war, verlor sie die Wohnung und musste mit ihren Kindern zu ihren Eltern in eine Zwei-Zimmer-Wohnung ziehen. Die Familie ist noch immer auf der Suche nach einer nach den Jobcenter-Kriterien angemessenen Wohnung. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Claudia Eisenmann, Teamleiterin des Fachbereichs Beratung beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), kritisierte die Entscheidung des Jobcenters gegenüber der Zeitung. Sie könne nicht verstehen, warum die Behörde in diesem Fall nicht noch länger die Miete in voller Höhe übernommen habe, um den Verlust der Wohnung zu verhindern. „Der Wohnungserhalt muss das oberste Ziel sein“, betonte auch Jörg Fröhlich von der Wohnungslosenhilfe (AGJ) gegenüber dem Blatt.

Jobcenter hat Ermessensspielraum
Katja Thönig, Bereichsleiterin der Geschäftsstellen Konstanz und Singen des Jobcenters, erklärte im Interview mit der Zeitung, dass die Behörde nur in ganz seltenen Fällen die Zahlung der Differenz zwischen zu hoher und angemessener Miete über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus übernimmt. Die Kunden würden darüber aufgeklärt und hätten dann Zeit sich um neuen Wohnraum zu kümmern. Wenn die Mieten innerhalb der Stadt zu teuer seien, müssten sie auf Wohnungen außerhalb der Stadtgrenzen ausweichen. Es liege aber auch im Interesse des Jobcenters, dass die Kunden ihre Wohnungen behielten. Denn Ziel sei es, die Menschen in Arbeit zu vermitteln und ihnen zu einem finanziell eigenständigen Leben zu verhelfen. „Wenn die Wohnung fehlt, wird alles noch schwerer.“ Gleichzeitig bestünden aber eindeutige gesetzliche Regelungen, an die das Jobcenter gebunden sei. Die Angemessenheit der Unterkunftskosten orientiere sich in Konstanz am qualifizierten Mietspiegel. Danach ergebe sich ein Quadratmeterpreis zwischen 7,50 und 8,80 Euro für angemessenen Wohnraum.

Kaum öffentlich geförderter Wohnraum kurzfristig verfügbar
Ein weiteres Problem betrifft den sozialen Wohnungsbau. Wie die Zeitung berichtet, stehe geförderter Wohnraum in Konstanz kaum noch kurzfristig zur Verfügung. Deshalb müssten einkommensschwache Familie auf den freien Markt ausweichen, der jedoch fast keine Wohnungen zu den vom Jobcenter geforderten Mieten bereithält. Das bestätigt auch Herbert Weber, Vorsitzender des Bodensee-Mieterbundes, gegenüber dem Blatt. Er vermutet, dass sich das Jobcenter an den untersten Werten im Mietspiegel orientiert. Hinzu komme, dass es derzeit zu drastischen Preissprüngen bei Neuvermietungen komme, die noch nicht im derzeit gültigen Mietspiegel berücksichtigt worden seien. Der neue Mietspiegel, der für 2016 erwartet werde, müsse deutlich höhere Mietpreiswerte enthalten, so Weber. (ag)