Hartz IV: Vielfacher Rechtsbruch durch Jobcenter

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Erwerbslosenverein Tacheles wirft Hartz IV-Jobcentern in Bayern und Baden-Wรผrttemberg vielfachen Rechtsbruch vor

20.07.2011

Harald Thomรฉ, Vorsitzender des Erwerbslosen- und Sozialhilfevereins Tacheles aus Wuppertal und Referent fรผr Arbeitslosenrecht hat im Juni 2011 bei 135 Jobcentern in Bayern und Baden-Wรผrttemberg Antrรคge nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gestellt. Nach diesem Gesetz hat jeder Bรผrger einen Anspruch auf Weitergabe von amtlichen Informationen von Bundesbehรถrden. Das IFG hat zum Ziel, das Vertrauen zwischen Staat und Bรผrgerinnen und Bรผrgern zu stรคrken, indem รถffentliches Verwaltungshandeln transparenter und nachvollziehbarer gemacht wird. Soweit die Theorie, die mit der Hartz IV-Realitรคt nicht allzu viel gemein hat.

Harald Thomรฉ hat sich zur Aufgabe gemacht, in Sachen Hartz IV behรถrdliche Verwaltungsanweisungen ans Licht der ร–ffentlichkeit zu bringen und somit das Behรถrdenhandeln fรผr Betroffene und deren Berater transparenter zu machen. Der Verein Tacheles hat 2006 bereits in Sachen IFG bundesweit Aufsehen erlangt, weil er gegen die Bundesagentur fรผr Arbeit geklagt und sie dazu gezwungen hat, ihre internen Weisungen zum Arbeitslosengeld im Internet zu verรถffentlichen.

Thomรฉ hat im Juni 2011 bei 135 Jobcentern in Bayern und Baden-Wรผrttemberg Antrรคge nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt und beantragt, dass diese Verwaltungsanweisungen und Richtlinien zu den Unterkunftskosten, zum Bildungs- und Teilhabepaket, aber auch zur Erstausstattung von Wohnraum und Bedarfen bei Schwangerschaft und Geburt an ihn herauszugeben.
Solche Informationen sind nach dem IFG unverzรผglich, spรคtestens aber innerhalb eines Monats, herauszugeben (ยง 7 Abs. 5 IFG). Diese Monatsfrist ist jetzt abgelaufen und die Ergebnisse sind so katastrophal, dass sie verรถffentlicht werden mรผssen:

In Bayern wurden 88 Antrรคge gestellt, in 58 Fรคllen wurde รผberhaupt nicht geantwortet (65,9 %), in 11 Fรคllen wurden die begehrten Unterlagen vollumfรคnglich herausgegeben (12,5 %), in 17 Fรคllen wurden teilweise oder unvollstรคndige Unterlagen herausgegeben (19,3 %) und in 3 Fรคllen erbaten sich die Job-center eine Nachfrist.
In Baden-Wรผrttemberg wurden 47 Antrรคge gestellt, in 30 Fรคllen wurde nicht geantwortet (63,8 %), in 13 Fรคllen wurden die begehrten Unterlagen vollumfรคnglich weitergegeben (27,6 %), in 4 Fรคllen wurden teilweise oder unvollstรคndige Unterlagen weitergegeben (8,5 %).

Demnach haben 88 Jobcenter trotz eindeutiger Rechtslage nicht einmal auf die Anfrage reagiert. โ€žBei 65,1 % der IFG-Antrรคge sind die Jobcenter ihren gesetzlichen Verpflichtungen auf Informationsweiter-gabe รผberhaupt nicht nachgekommen. Eine solch niederschmetternde Bilanz von Rechtsmissachtung ist leider bei Hartz IV-Behรถrden รผblichโ€œ, resรผmiert Harald Thomรฉ. โ€žAnderseits haben sich auch einige Jobcenter unverzรผglich gemeldet, die begehrten Unterlagen sofort weitergegeben und zuvorkommend verhalten, leider waren das deutlich zu wenigeโ€œ, so Thomรฉ weiter.

Thomรฉ hat jetzt alle sรคumigen Jobcenter aufgefordert, bis Monatsende ihren Verpflichtungen nachzu-kommen. Sollte dies nicht erfolgen, wird er die betreffenden Jobcenter der ร–ffentlichkeit vorstellen und den Bundesbeauftragten fรผr Informationsfreiheit Peter Schaar einschalten. โ€žWenn das auch nicht auf Resonanz trifft, werde ich die dann noch sรคumigen Jobcenter verklagenโ€œ, kรผndigt Thomรฉ schon mal an, โ€ždenn es kann nicht sein, dass Jobcenter sich nicht geltendes Recht halten oder halten mรผssenโ€œ. (Tacheles Sozialhilfe e.V.)