Mit neuen Anforderungen versucht die Kölner ArGe Erwerbslose zu schikanieren, jenseits geltender Gesetze und was passiert, wenn sich Alg II Bezieher informieren und dagegen wehren.
Was war passiert. Renate J. hatte eine Aufforderung der ArGe Köln erhalten etliche Unterlagen der ArGe in Kopie zukommen zu lassen (u.a. Kopie der Geldkarte, der Versicherungskarte u.a.) zuzüglich einer quasi Abbuchungsermächtigung, die die ArGe berechtigen würde, eventuell zuviel gezahlte Gelder unverzüglich rückbuchen zu können. Verbunden natürlich mit der Drohung der Einstellung der Leistungen. Renate J. hatte in der ersten Erregung noch am gleichen Tag einer Sachbearbeiterin unter anderem die Kopie der Geldkarte bereits gegeben, bekam aber einen einige Tage späteren Termin für einen anderen Sachbearbeiter, um die restlichen Dinge zu klären. Denn sie weigerte sich der ArGe die angeforderte Einzugsermächtigung zu erteilen.
Ehe dieser Termin nun stattfand hatte Renate J. sich kundig gemacht über das, was sie leisten muss und das, was nicht nur nicht notwendig ist sondern auch rechtswidrig ist. Und sie hatte folgendes in Erfahrung gebracht. Die ArGe kann nur Unterlagen einfordern, die für den Leistungsbezug notwendig sind. Daher ist die Kopie der Geldkarte sowie die Kopie der Krankenversicherungskarte unnötig. Kopie des Personalausweises und des Sozialversicherungsausweises ist rechtens. Die Kopien der Kontoauszüge letzten drei Monate kann die ArGe nur bei begründetem Verdacht auf Leistungsmissbrauch, hier Nebeneinnahmen, anfordern. Die restlichen Unterlagen waren recht unproblematisch, bis auf die Ermächtigung zum Einzug überbezahlter Leistungen. Diese Ermächtigung verstößt gegen die Paragraphen 45 bis 50 Sozialgesetzbuch zehn (SGB X). Hier wird in deutscher Gründlichkeit geregelt was zu passieren hat, wenn ein Verwaltungsakt nicht richtig war. Eine eigenmächtige Einziehung zuviel gezahlter Leistungen gehört nicht dazu. Außerdem wurden die eingeforderten Kopien nur benötigt, weil die Innenrevision im Hause tätig ist.
So gebrieft ging Renate J. etwas beruhigter zu dem Sachbearbeiter der Kölner ArGe. Renate J. beschwerte sich zuerst darüber, dass ihr gedroht würde, sollte sie die Unterlagen nicht beibringen. Der Sachbearbeiter, nennen wir ihn Herrn X, verstand das gar nicht, denn niemand hätte ihr gedroht und dieses Schreiben würde an alle Alg II Bezieher gehen. Seltsam, denn wie ist denn der Satz „Sollten Sie bis zum o.g. Termin nicht antworten haben bzw. die angeforderten Unterlagen nicht einreichen, werde ich die Geldleistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagen“ zu verstehen. Zuerst forderte Renate J. zumindest die Kopie der Rückseite mit ihrer Unterschrift der Geldkarte zurück. Als Herr X die Kontoauszüge haben wollte, weigerte sich Renate J. mit der Bemerkung, dass ihr unwohl wäre, wenn die ArGe genau wüsste, ob sie nun beim Kontra oder Penny Markt einkaufen würde. Außerdem solle er ihr doch sagen, ob ein begründeter Verdacht gegen sie vorläge. Wenn dies nicht der Fall wäre, was Herr X. bestätigte, weigere sie, die Kontoauszüge in Kopie aus der Hand zu geben. Da gab ein Aufleuchten in den Augen des Herrn X, annehmend, Renate J. hätte etwas zu verbergen. Nun wurde er etwas massiver, worauf Renate J. seinen Triumph schmälerte, indem sie die Kontoauszüge auf den Tisch legte, und ihm den Deal anbot, er könne die Auszüge einsehen, nicht kopieren, wenn er die Kopie der Geldkarte ihr zurück geben würde. Und, oh Wunder, Herr X ging auf den Deal ein. Allerdings das Highlight hatte sich Renate J aber bis zum Schluss aufgehoben. Denn nun kam die Frage der Einzugsermächtigung. Renate J. sagte ihm, dass dies schlicht rechtswidrig sei und nannte die entsprechenden Paragraphen. Herr X wechselte die Farbe, entschuldigte sich, denn er müsse das mit seinem Vorgesetzen besprechen. Nun kam Herr X wieder mit der umwerfenden Nachricht, dass die gesamte Angelegenheit in der juristischen Prüfung sei und für Renate J. sein das ganze vorerst erledigt. Indirekt wurde Renate J. auch Recht gegeben mit der Vermutung, dass das alles nur gemacht würde, weil die Innenrevision ins Haus stünde.
Was zeigt diese Angelegenheit nur allzu deutlich? Erstens: Die ArGe versucht auch mit Mitteln des Rechtsbruchs Alg II Bezieher zu schikanieren und unter Druck zu setzen. Zweitens: Auch die Sachbearbeiter der ArGe wissen nicht Bescheid, was rechtlich haltbar ist und was nicht. Sie werden auch nicht darüber informiert, dass eine juristische Prüfung über die Anforderungen stattfindet. Sie werden im Glauben gelassen, das alles rechtens sein, denn ihre Kenntnis über das SGB ist mehr als lückenhaft. Erinnern wir uns doch. Mitarbeiter der Telekom wurden zu den ArGen versetzt. Und die haben keine Ahnung, sind nur gehalten, die Erwerbslosen ständig unter Druck zu halten. Auch hier zeigt die Schmarotzerdebatte Wirkung. Drittens: Alg II Bezieher sollten sich unbedingt rechtlich kundig machen, bevor sie die schikanösen Anforderungen erfüllen.
Welche politischen Forderungen ergeben sich hieraus? Zum einen eine grundlegende Reform der Hartz Gesetze, u.a. Streichung der nicht zu vertretenden Zwangsmassnahmen wie Ein-Euro Jobs und die Erhöhung der Regelleistung um ein menschenwürdiges Leben zu gewährleisten. Und die von der Politik forcierte Schmarotzer- und Missbrauchsdebatte muss endlich beendet werden. Des weiteren müssen dringend die ArGE Mitarbeiter dahingehend geschult werden, Alg II Bezieher zu behandeln als denkende Menschen und nicht als schmarotzende Bittsteller und die Mitarbeiter müssen dringlich endlich fachqualifiziert beraten können, was bisher nur in Ausnahmen der Fall ist.
Medien Loewisch
Lesen Sie auch:
Hartz IV: Neue Schikanen für ALG II Bezieher
Das ist die Realität mit Hartz IV
Hartz IV: Durchleuchtung der Lebensverhältnisse
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors