Rechtsanwalt Martin Reucher: Schallende Ohrfeige für den Gesetzgeber. Erfolg für den Bochumer Rechtsanwalt Reucher und Hartz IV-Berechtigte
Rechtsanwalt Reucher und sein Beistand und Bürokollege Steffen Bundrück ist es gelungen, das Bundessozialgericht zu überzeugen: der 14. Senat des Bundessozialgerichts hält die Hartz IV-Regelleistung für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres für verfassungswidrig. Die Höhe der Regelleistung sei willkürlich mit 60 % der Erwachsenenregelleistung festgelegt worden, ohne den tatsächlichen Bedarf von Kindern zu ermitteln. Auch sei die unterschiedliche Bedarfslage unterschiedlicher Altersgruppen nicht berücksichtigt worden. Sie befänden sich dadurch im Nachteil gegenüber Kindern von Sozialhilfeberechtigten, die auch einmalige oder regelmäßige höhere Bedarfe geltend machen können.
„Die besondere Situation von Kindern muss nun endlich berücksichtigt werden“ freut sich Rechtsanwalt Reucher. „Vier Jahre haben sie nun gedarbt, ihre wachstumsbedingten wechselnden Bedarfe konnten bislang nur durch Verzicht der Eltern ausgeglichen werden. Von guten Entwicklungsmöglichkeiten oder Entfaltung der Persönlichkeit ganz zu schweigen.“ Damit waren Hartz IV-Kinder vom normalen Kinderleben ausgegrenzt.
„Aber auch schon bei Kleinstkindern schlagen z.B. Windeln und Babynahrung ganz erheblich zu Buche“ meint unterstützend Rechtsanwalt Bundrück, und führte dem hohen Gericht zum Beweis ein Paket Windeln und ein Glas Babynahrung vor – samt Kassenquittungen. In bestimmten Lebensphasen könnten Kinder sogar einen höheren Bedarf haben als Erwachsene.
„Das ist jetzt aber nur die halbe Miete“ führt Reucher weiter aus. „Jetzt kann es noch zwei Monate dauern, bis das BSG die schriftliche Urteilsbegründung veröffentlicht. Dann erst kann sich das Bundesverfassungsgericht damit befassen – und wird sich damit wohl Zeit lassen bis nach der Bundestagswahl. Hinter diesem Beschluss des BSG wird es aber nicht zurückstehen können, es wird dem Gesetzgeber eine Frist setzen, die Regelleistungen für Kinder verfassungsgemäß zu gestalten“. Und das wird womöglich zusammen mit der derzeit auch dort anhängigen Frage der Verfassungsmäßigkeit auch der Erwachsenen-Regelsätze geschehen.
Die Unabhängige Sozialberatung, auch in Kassel dabei, fordert, die Kinder nun nicht länger „im Regen stehen zu lassen“. Hier sind die Kommunen gefragt, die immer einspringen müssen, wenn notwendiger Bedarf nicht durch Bundesregelungen abgedeckt ist. Zumindest für die Schulausstattung und das Schulessen muss gesorgt werden. Auch die Brille und die Zahnspange sind vom der Regelleistung nicht drin. Und auch für einmalige außergewöhnliche Bedarfe für Schuhwerk und Kleidung muß gesorgt werden. (RA Martin Reucher, 27.01.2009)
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