Hartz IV: Rückforderung wegen KiGe-Erhöhung meistens unzulässig
Beispielwidersprüche online verfügbar
Am ersten Januar 2010 wurde das Kindergeld erhöht. Davon haben Kinder, die im ALG II- oder Sozialgeldbezug sind, allerdings nichts, da das Kindergeld voll auf selbigen angerechnet wird. Viele Leistungsträger des SGB II haben diese Änderung verschlafen und fordern nun bundesweit von ALG II-Empfängern Geld zurück. Allerdings ist diese Rückforderung in einigen Fällen grundsätzlich unzulässig und in den zulässigen Fällen aufgrund der Verrechung mit laufendem ALG II unzulässig.
Die meisten Leistungsträger versenden einfach einen Änderungsbescheid, in dem sie mitteilen, dass sie das zuviel gezahlte ALG II mit der Leistung im Folgemonat verrechnen. Einige sind sogar so frech und formulieren noch süffisant: "ihr Einverständnis vorausgesetzt".
Diese Formulierung hat ihren Grund, denn die Rückforderung aus laufendem ALG II, bzw. die Verrechnung damit, ist nur bei vorläufigen Bescheiden zulässig (§ 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 3 SGB III), oder wenn man die Überzahlung selbst schuldhaft verursacht hat (§ 43 SGB II). Sofern es sich um endgültige Bescheide handelt, ist die Rückforderung hier also generell mangels Festlegungen im SGB II unzulässig und damit rechtswidrig. Grundsätzlich muss man hier zwischen folgenden Fällen unterscheiden:
1. Der ALG II-Bewilligungsbescheid, der das ab 1. Januar 2010 zu geringe Kindergeld beinhaltet, wurde NACH dem 30.12.2009 erlassen (Datum im Bescheid) UND es handelt sich NICHT um einen vorläufigen Bescheid. Hier kann der Rückforderung erfolgreich unter Bezugnahme auf den Vertrauensschutz des § 45 SGB X widersprochen werden, da es sich in diesem Fall um einen zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt.
2. Der ALG II-Bewilligungsbescheid, der das ab 1. Januar 2010 zu geringe Kindergeld beinhaltet, wurde VOR dem oder am 30. Dezember 2009 erlassen (Datum im Bescheid) UND es handelt sich NICHT um einen vorläufigen Bescheid.
Hier ist § 45 SGB X nicht anwendbar, d.h. die Überzahlung darf zurückgefordert werden – aber nicht aus laufendem ALG II.
3. Die Rückforderung richtet sich nicht gegen das leistungsbeziehende Kind, sondern nur gegen den Elternteil, der als Vertreter der Bedarfsgemeinschaft (§ 38 SGB II) fungiert. Laut Urteil des Bundessozialgerichts vom 07. November 2006, Az. B 7b AS 8/06 R, kennt das SGB II keinen Anspruch einer Bedarfsgemeinschaft als solchen, da eine Bedarfsgemeinschaft keine juristische Person darstellt, Anspruchsinhaber sind also die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Insofern muss sich die Rückforderung also gegen das jeweilige Kind richten, nicht gegen die Bedarfsgemeinschaft in Form des Elternteils, der als Vertreter der Bedarfsgemeinschaft fungiert. Somit ist in diesem Fall die Rückforderung/Aufrechnung deshalb unzulässig und rechtswidrig, da sie sich gegen die falsche Person richtet.
4. Es handelt sich um einen vorläufigen Bescheid.
Hier ist die Rückforderung/Aufrechnung mit laufendem ALG II generell aufgrund § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 3 SGB III zulässig.
Im Fall 1 und 3 sollte man umgehend schr. Widerspruch gegen die Rückforderung/Aufrechnung einlegen.
Im Fall 3 empfielt es sich, ergänzend darauf hinzuweisen, dass – jenachdem, ob für die Forderung selbst Fall 1 oder 2 zutrifft – die Rückforderung/Verrechnung auch aus den dort genannten Gründen unzulässig ist. Sollte für die Rückforderung selbst aber 4. zustreffen, kann man sich im Fall 3 den Widerspruch sparen, da dieser nur einen zeitlichen Aufschub bis zur korrekten Rückforderung bewirken würde.
Im Fall 2 sollte man, sofern die Überzahlung rechtswidrigerweise aus laufendem ALG II zurückgefordert, bzw. damit verrechnet wird, umgehend schriftlich Widerspruch gegen die Rückforderung und Aufrechnung einlegen. In unserem Forum finden Sie für die Fälle 1, 2 und 3 jeweils einen Beispielwiderspruch. (F.M., 27.01.2010)
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