Hartz IV: Der DGB vergisst 250.000 Jugendliche

Lesedauer 3 Minuten

Hartz IV: DGB vergisst 250.000 Jugendliche … und andere statistische Ungereimtheiten

28.12.2012

In der aktuell veröffentlichten Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), „Hohes Verarmungsrisiko Jugendlicher“, heißt es: „Im Sommer 2012 wurden noch rund 300.000 arbeitslose Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren gezählt, doch auf Hartz IV angewiesen waren mit 534.000 fast doppelt so viele junge Menschen allein in dieser Altersgruppe.“ Und an anderer Stelle: „Im September 2012 waren noch 534.000 Jugendliche im Alter von 15 – 24 Jahren auf Hartz IV angewiesen. Weniger als die Hälfte dieser Hartz IV-Empfänger ist arbeitslos.“

In der Tat wurden von der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Sommer 2012 (Mitte Juli 2012) insgesamt 300.920 Arbeitslose im Alter von 15 bis unter 25 Jahren registriert, davon 137.201 im Rechtskreis SGB III und 163.719 im Rechtskreis SGB II. Im selben Berichtsmonat (Juli 2012) lebten in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 810.116 junge Menschen im Alter on 15 bis unter 25 Jahre in SGB II-Bedarfsgemeinschaften, davon 32.163 nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte und 777.953 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Bezogen auf die insgesamt 9.040.382 jungen Menschen im entsprechenden Alter (Ende 2011) errechnet sich daraus eine SGB II-Quote für die 15 bis unter 25-jährigen von 9,0 Prozent.

Im August 2012 sank die Zahl der jungen Menschen im Alter von 15 bis unter 15 Jahren in SGB II-Bedarfsgemeinschaften auf 802.154. Neuere Daten (hier immer revidierte SGB II-Daten nach einer Wartezeit von drei Monaten) wurden von der Statistik der BA bisher nicht veröffentlicht. Die Daten für den Berichtsmonat September 2012, auf die sich die DGB-Studie bezieht, werden von der Statistik der BA erst im Januar 2013 veröffentlicht.

Selbst wenn ein weiterer leichter Rückgang der Zahl der jungen Menschen im Alter von 15 bis unter 15 Jahren in SGB II-Bedarfsgemeinschaften im September 2012 zu erwarten ist, stellt sich die Frage: Wie hat der DGB die von diversen Medien weiter verbreitete Zahl von 534.000 Jugendlichen im Alter von 15 bis unter 25 Jahren ermittelt? Im Text auf der Seite des DGB-Bundesvorstandes (dgb.de) heißt es sogar: „Laut Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit waren im September 2012 bundesweit 534.000 Jugendliche auf Hartz IV angewiesen.“
Der DGB hatte offensichtlich Zugang zu vorläufigen, noch nicht revidierten Daten der Bundesagentur für Arbeit, die, so ist zu vermuten, nur den Teil der Bundesrepublik Deutschland umfassen, in dem das SGB II (Hartz IV) durch Jobcenter umgesetzt wird, an dem die Bundesagentur für Arbeit (Arbeitsagenturen) beteiligt ist. (gemeinsame Einrichtungen) Ausgeschlossen bzw. vergessen blieben die Jugendlichen, die in den kreisfreien Städten und Landkreisen leben, in denen das SGB II allein durch zugelassene kommunale Träger (zkT alias „Optionskommunen“) umgesetzt wird. Darauf deutet hin, dass in der Studie behauptet wird, es seien die „20 größten Jobcenter“ untersucht worden.

Tatsächlich fehlen unter den in der Studie genannten 20 Jobcentern die Jobcenter Essen, Recklinghausen und Wuppertal, drei seit dem 1. Januar 2012 zugelassene kommunale Träger, die, gemessen an den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, zu den 20 größten Jobcentern gehören. Ein Vergessen von schätzungsweise 250.000 Jugendlichen im Alter von 15 bis unter 25 Jahren, die in SGB II-Bedarfsgemeinschaften leben (müssen), ausgerechnet durch den DGB, ist unverständlich und ärgerlich.

Sollte sich das „Runterrechnen“ von 802.154 Jugendlichen im Alter von 15 bis unter 25 Jahren in SGB II-Bedarfsgemeinschaften im August 2012 auf 534.000 im September 2012 auf andere Weise ergeben haben, ist sicher nicht nur das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) an dieser „Berechnung“ interessiert. Von den diversen Medien wurden vor Verbreitung der „534.000“ offensichtlich keine Fragen gestellt.

Der offensichtliche Fehler wurde sogar noch „verdoppelt“: Nicht nur die Süddeutsche schrieb: „Laut der DGB-Auswertung waren nicht alle 534.000 Hartz IV-Bezieher im Alter von 15 bis 24 Jahren arbeitslos. Dies traf nur auf 300.000 zu.“ Und: Auch die in der DGB-Studie genannten Hilfequoten sind nicht korrekt. Aus zwei Gründen: Die Statistik der BA berechnete sie versehentlich auf veralteten Bevölkerungsdaten (Ende 2010 statt Ende 2011) und der DGB übersah, dass es sich bei den von der Statistik der BA veröffentlichten Quoten nicht um die SGB II-Quoten der 15 bis unter 25-jährigen handelt, sondern um die eLb-Quote dieser Altersgruppe. (Spalte 7) Und das heißt: Hilfebedürftige im Alter von 15 bis unter 25 Jahren, die nicht erwerbsfähig sind (oder statistisch nicht als erwerbsfähig erfasst wurden), bleiben in der eLb-Quote unberücksichtigt. Gerade aber auch diese Jugendlichen sollten auch vom DGB nicht vergessen werden. Das gilt nicht nur aber besonders für das kommende Jahr 2013. (Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V. (BIAJ)

Bild: Jerzy/Pixelio

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...