6 Wochen krank, 1 Tag arbeiten und wieder krank – was passiert mit dem Krankengeld?

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Der Krankengeld-Praxisfall – und warum er so heikel ist
Sie sind sechs Wochen krankgeschrieben, arbeiten einen Tag und werden danach erneut arbeitsunfähig. Wer zahlt jetzt: wieder der Arbeitgeber, sofort die Krankenkasse – oder niemand? Die Antwort hängt von wenigen, aber entscheidenden Begriffen ab: gleiche oder neue Erkrankung, Entgeltfortzahlung und Krankengeld innerhalb der Blockfrist.

Wer grundsätzlich wann zahlt

In den ersten sechs Wochen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zahlt in der Regel der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung. Ab Tag 43 springt – bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit – die gesetzliche Krankenkasse mit Krankengeld ein. Dieser Grundmechanismus ist im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) und im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) angelegt.

Die wichtigste Frage: gleiche oder neue Erkrankung

Kehrt jemand kurz an den Arbeitsplatz zurück und fällt danach wieder aus, kommt es juristisch darauf an, ob die erneute Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruht oder ob eine andere Krankheit die Ursache ist.

Bei einer Fortsetzungserkrankung (gleiche Krankheitsursache) entsteht keine neue sechswöchige Entgeltfortzahlung. Bei einer neuen Erkrankung beginnt die sechs-Wochen-Frist erneut – vorausgesetzt, die erste Arbeitsunfähigkeit war zuvor tatsächlich beendet. Das hat das Bundesarbeitsgericht wiederholt klargestellt.

Der eine Arbeitstag – setzt er Fristen zurück?

Ein einzelner Arbeitstag allein „setzt“ die Sechs-Wochen-Frist nicht automatisch zurück. Maßgeblich ist, ob zwischen den Episoden tatsächlich Arbeitsfähigkeit bestand und ob die zweite Erkrankung eine andere ist.

Ist es dieselbe Krankheit und waren die sechs Wochen Entgeltfortzahlung zuvor bereits ausgeschöpft, zahlt der Arbeitgeber in der Regel nicht nochmals; die Krankenkasse ist dann – bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit – ab dem erneuten Beginn der AU zuständig.

Ist es eine andere Krankheit und die erste AU war beendet, kann der Arbeitgeber erneut bis zu sechs Wochen zahlen; Krankengeld würde dann erst nachgelagert einsetzen.

Die 6-Monats-/12-Monats-Regel im EFZG

Auch bei derselben Krankheit kann ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entstehen, wenn eine der beiden gesetzlichen „Sperrfristen“ erfüllt ist: Sechs Monate seit Ende der vorherigen Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit oder zwölf Monate seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit sind verstrichen. Dann entstehen erneut bis zu sechs Wochen Entgeltfortzahlung. Diese Regeln stehen ausdrücklich im Gesetz.

Krankengeld: 78 Wochen innerhalb der Blockfrist

Für das Krankengeld gilt zusätzlich die Blockfrist: Für dieselbe Krankheit zahlt die Kasse maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren, gerechnet ab dem ersten Tag der ersten Arbeitsunfähigkeit. Eine weitere hinzu­tre­tende Krankheit verlängert diesen Höchstzeitraum nicht.

Eine Rückkehr zur Arbeit – ob ein Tag oder länger – unterbricht die dreijährige Blockfrist nicht; sie bleibt an das ursprüngliche Startdatum gebunden. Nach Ablauf der drei Jahre kann – bei erneutem Auftreten – eine neue Blockfrist beginnen, ggf. mit einem neuen 78-Wochen-Rahmen.

Lückenlose Feststellung der Arbeitsunfähigkeit

Das Entstehen und Fortbestehen des Krankengeldanspruchs hängt daran, dass die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird.

Erfolgt die Folgebescheinigung spätestens am nächsten Werktag nach dem bescheinigten Ende, bleibt der Anspruch bestehen; Samstage gelten dabei nicht als Werktage. Wer zwischendurch tatsächlich arbeitet, braucht für diesen Tag natürlich keine AU – maßgeblich ist, dass die neue AU wieder rechtzeitig festgestellt wird.

Beweisfragen und Streitfälle

Nicht selten bestreitet der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung vorliegt. Dann kommt es darauf an, ob die erste Arbeitsverhinderung beendet war und ob die Diagnose/ursächliche Krankheit gewechselt hat.

Nach der Rechtsprechung muss dargelegt werden, dass keine Fortsetzungserkrankung bestand; die bloße Vorlage einer AU genügt in solchen Grenzfällen nicht immer, wenn substantiierte Einwände bestehen. Im Zweifel kann der Medizinische Dienst eingeschaltet werden.

Sonderkonstellationen in der Praxis

Kommt während einer bestehenden AU eine weitere Krankheit hinzu, löst dies keinen neuen Sechs-Wochen-Anspruch beim Arbeitgeber aus; die Frist läuft aus der Ersterkrankung heraus.

Erst wenn Arbeitsfähigkeit wieder erreicht wurde und danach eine andere Krankheit neu auftritt, beginnt die Entgeltfortzahlung erneut. Diese Abgrenzung hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich betont.

Beispielhafte Einordnung des Anfangsfalls

Wer sechs Wochen krank war, einen Tag gearbeitet hat und wieder krank wird, landet in einer von zwei Schienen: Ist die Krankheit dieselbe, ist die Entgeltfortzahlung ausgeschöpft; die Krankenkasse zahlt ab dem erneuten AU-Beginn Krankengeld, solange die Blockfrist und der 78-Wochen-Rahmen es zulassen.

Handelt es sich um eine andere Krankheit und war man zwischendurch wirklich arbeitsfähig, entsteht ein neuer sechs-wöchiger Anspruch gegen den Arbeitgeber; Krankengeld greift erst anschließend.

Minijob, sehr kurze Befristung und andere Ausnahmen

Auch Minijobber haben grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung; nicht jedoch Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis von vornherein auf höchstens vier Wochen befristet ist. Unabhängig von der Beschäftigungsform gelten die Krankengeld-Regeln aus dem SGB V. Im Zweifel sollte der eigene Tarif- oder Arbeitsvertrag geprüft werden.

Praktische Hinweise für Betroffene

Wichtig ist, die neue AU rechtzeitig feststellen zu lassen, damit keine Lücken im Krankengeld entstehen. In der Kommunikation mit Arbeitgeber und Krankenkasse sollten Diagnosen/ICD-Codes in den Bescheinigungen beachtet werden, weil sie die Einordnung als gleich oder neu beeinflussen.

Bei Uneinigkeit lohnt sich die schriftliche Klärung und – falls erforderlich – der Widerspruch gegenüber der Krankenkasse mit medizinischer Begründung. Die gesetzlichen Grundlagen bieten dabei eine klare Leitplanke.

FAQ: 6 Wochen krank, 1 Tag arbeiten, wieder krank

1) Startet nach einem einzigen Arbeitstag die Sechs-Wochen-Frist der Entgeltfortzahlung automatisch neu?
Nein. Ein einzelner Arbeitstag setzt die Frist nicht per se zurück. Entscheidend sind zwei Punkte: Erstens muss zwischen den beiden Episoden tatsächlich Arbeitsfähigkeit bestanden haben. Zweitens muss die neue Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruhen. Nur dann beginnt eine neue Sechs-Wochen-Phase der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber.

2) Gleiche Krankheit, Sechs-Wochen-Frist bereits ausgeschöpft – wer zahlt beim erneuten Krankwerden?
Liegt eine Fortsetzungserkrankung vor und sind die sechs Wochen Entgeltfortzahlung bereits verbraucht, zahlt die Krankenkasse ab Beginn der erneuten Arbeitsunfähigkeit Krankengeld – vorausgesetzt, die Blockfrist und der 78-Wochen-Höchstanspruch sind noch nicht ausgeschöpft.

3) Neue Krankheit nach einem Tag Arbeit – entsteht ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung?
Ja, sofern die vorherige Arbeitsunfähigkeit beendet war, Sie zwischendurch tatsächlich arbeitsfähig waren und die jetzt attestierte Erkrankung eine andere Ursache hat. Dann lebt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für bis zu sechs Wochen erneut auf; Krankengeld greift erst im Anschluss.

4) Was bedeutet die 6-Monats-/12-Monats-Regel im EFZG bei derselben Krankheit?
Auch bei derselben Krankheit kann ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entstehen, wenn entweder seit dem Ende der vorherigen AU wegen derselben Krankheit mindestens sechs Monate vergangen sind oder seit Beginn der ersten AU zwölf Monate verstrichen sind. In beiden Fällen kann der Arbeitgeber erneut bis zu sechs Wochen zahlen.

5) Wie funktioniert die Blockfrist und der 78-Wochen-Rahmen beim Krankengeld?
Für dieselbe Krankheit zahlt die Krankenkasse maximal 78 Wochen innerhalb einer dreijährigen Blockfrist, gerechnet ab dem ersten AU-Tag dieser Erkrankung. Eine zwischenzeitliche Arbeitsaufnahme – selbst für einen Tag – unterbricht die Blockfrist nicht. Tritt nach Ablauf der Blockfrist dieselbe Krankheit erneut auf, kann eine neue Blockfrist beginnen.

6) Wie vermeide ich Lücken im Krankengeldanspruch beim Wechsel zwischen Arbeit und AU?
Achten Sie auf eine lückenlose Feststellung der Arbeitsunfähigkeit: Die Folgebescheinigung muss spätestens am nächsten Werktag nach dem bescheinigten Ende vorliegen. Wird erneut eine AU nötig, sollte sie unmittelbar ärztlich attestiert werden. Nur so bleibt der Anspruch auf Krankengeld ohne Unterbrechung bestehen.

7) Was gilt bei Minijobs, sehr kurzen Befristungen oder Wiedereingliederung?
Minijobber haben grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Ausgenommen sind Arbeitsverhältnisse, die von vornherein auf höchstens vier Wochen befristet sind. Bei einer stufenweisen Wiedereingliederung („Hamburger Modell“) gilt man rechtlich weiterhin als arbeitsunfähig; die Entgeltfortzahlung startet dadurch nicht neu, regelmäßig zahlt die Krankenkasse weiter Krankengeld.

8) Was tun, wenn Arbeitgeber oder Krankenkasse die Einordnung bestreiten?

Kommt es zum Streit, ob eine Fortsetzungs- oder neue Erkrankung vorliegt, sind medizinische Unterlagen und die genaue Diagnose entscheidend. Fordern Sie eine schriftliche Begründung, beziehen Sie den Medizinischen Dienst ein und legen Sie – falls nötig – fristgerecht Widerspruch ein. Dokumentieren Sie alle Zeitpunkte (Ende der AU, Arbeitsaufnahme, neue AU) präzise.

Fazit

Der „ein Tag zurück im Job“-Moment ist kein juristischer Reset-Knopf. Entscheidend sind Ursache der erneuten Erkrankung, echte Arbeitsfähigkeit zwischen den Episoden und die gesetzlichen Fristen.

Bei derselben Krankheit fließt nach ausgeschöpften sechs Wochen in der Regel sofort wieder Krankengeld; bei neuer Krankheit lebt die Entgeltfortzahlung erneut auf. Parallel läuft für dieselbe Krankheit die Blockfrist mit 78 Wochen in drei Jahren. Wer diese kennt, kann seinen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber und der Krankenkasse besser sichern.