Hartz IV: Vermieter verlangte Mietrückstände vom Jobcenter

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Können Vermieter Mietzahlungen vom Jobcenter fordern?

Wer Hartz IV bezieht und die Miete vom Jobcenter auf das eigene Konto überwiesen bekommt, muss dafür sorgen, dass die Mietzahlungen bei dem Vermieter ankommen. Ob man das Geld vom Jobcenter bekommt oder vom Arbeitgeber, das alles geht den Vermieter nichts an. Auch die Jobcenter dürfen nicht entscheiden, dass sie die Miete direkt an die Vermieter zahlen, denn Hartz IV-Betroffene könnten Nachteile entstehen, wenn ihr Vermieter weiß, dass sie vom Jobcenter abhängig sind.

Abtretungserklärung oft Voraussetzung für Mietvertrag

Soweit zumindest die Theorie. Denn in der Praxis verlangen die allermeisten Vermieter einen Nachweis darüber, dass der potenzielle Mieter die Miete zahlen kann – das können beispielsweise Gehaltsabrechnungen sein oder eben Mietübernahmebescheinigungen vom Jobcenter. Die Vermieter wissen dann also, dass die Mietinteressenten auf ALG II angewiesen sind.  Das Jobcenter versichert mit einer Mietübernahmebescheinigung, dass es den Hartz IV-Bezieher Geld für die Miete (und im Regelfall auch für die Kaution) zur Verfügung stellen wird.

Vorsicht: Kein Darlehen für Mietkaution

Die Mietkaution wird widerrechtlich oft als Darlehen gewährt, das die Leistungsberechtigten dann über Jahre von ihrer Regelleistung abstottern müssen – denn die Kosten sind hoch. Bis zu drei Kaltmieten dürfen Vermieter als Kaution verlangen – da kommen leicht ein paar tausend Euro zusammen.

Kommt der Mietvertrag zustande, kann der Mieter das Jobcenter anweisen, die Miete und/oder die Kaution direkt an den Vermieter zu zahlen. Viele Vermieter machen so eine Anweisung – auch bekannt als Abtretungserklärung (was juristisch nicht ganz sauber ist) oder als Direktüberweisung – zur Bedingung dafür, dass sie einen Mietvertrag ausstellen. Doch auch wenn die Anweisung erfolgt ist, steht dem Vermieter in der Regel kein Direktzahlungsanspruch zu. Das urteilte das Landessozialgericht Bayern schon 2015 (L 7 AS 263/15).

Vermieter verklagt Jobcenter wegen Mietrückstand

In dem konkreten Fall verlangte der Kläger vom beklagten Jobcenter die Übernahme der durch seine Mieter, die Arbeitslosengeld II beziehen, verursachten Mietrückstände. Das Jobcenter hatte die Mieten zunächst unmittelbar an den Vermieter überwiesen. Die Mieter widersprachen aber später diesem unmittelbaren Leistungsweg. Zur Begründung seiner Ansprüche verwies der Vermieter auf eine vermeintliche Abtretungsvereinbarung zwischen ihm und den Mietern im Mietvertrag. Das LSG Bayern wies die Klage jedoch ab.

Das Gericht stellte klar: Zwischen dem Kläger und dem beklagten Jobcenter bestanden keine unmittelbaren Leistungsbeziehungen. Der Vermieter hatte einen Vertrag mit dem Mieter, nicht mit dem Jobcenter. Das Jobcenter trat nicht der Schuld des Mieters gegenüber dem Vermieter bei. Das änderte sich auch nicht durch die Abtretungserklärung, also weil Zahlungen an den Kläger einmal unmittelbar vorgenommen wurden. Denn dies geschah ausschließlich auf Antrag der Mieter. Dem Vermieter stand eine dahingehende Antragsmöglichkeit nicht zu.

Klage scheiterte endgültig vor dem BSG

Auch die Abtretungsvereinbarung im Mietvertrag half ihm nicht. Angesichts der mangelnden Pfändbarkeit von Arbeitslosengeld II entfiel eine Abtretungsmöglichkeit. Darüber hinaus erschien es zweifelhaft, ob der Mieter einer Abtretungserklärung auch zustimmen wollte. Letztlich fehlte es aber an einem Verwaltungsakt, in welchem die Abtretung im wohlverstandenen Interesse des Mieters verbindlich als im bestehenden Dreiecksverhältnis zulässig festgestellt wurde.

Wer Hartz IV bezieht, kann also seine Zahlungsverpflichtung dem Vermieter gegenüber nicht ans Jobcenter abtreten. Der Mieter ist selbst in der Pflicht, seine Mietschuld zu begleichen – der zuständige Leistungsträger hat mit der Beziehung nichts zu tun. Der Vermieter hat umgekehrt keinen Anspruch aus abgetretenen Ansprüchen auf Grundsicherungsleistungen gegen den Leistungsträger. Das bestätigte das BSG auch in einem neueren Urteil (Az. B 14 AS 38/17 R)

Im gleichen Urteil klärte das BSG auch, dass der Vermieter nur dann Ansprüche gegenüber dem Jobcenter erwirbt, wenn das Jobcenter selbst die Übernahme der Schuld ausdrücklich erklärt. Eine solche Schuldübernahme ist aber extrem unüblich, weil das Jobcenter nicht verpflichtet ist, diese auszustellen. 

Vermeintliche Abtretungen oft wirkungslos

Mieter können das Jobcenter immer auffordern, das Geld für die Miete künftig an sie und nicht mehr an den Vermieter zu überweisen. Wenn die Mieter dann das Geld einbehalten, statt es ordnungsgemäß an den Vermieter weiterzuleiten, hat der Vermieter nur Ansprüche den Mietern gegenüber. Die Zahlungen direkt an den Vermieter erfolgen nur, weil der Mieter dies mit dem Recht des jederzeitigen Widerrufs veranlasst.

Klauseln in Mietverträgen, die voraussetzen, dass die Miete direkt an den Vermieter ausgezahlt werden, sind im Regelfall wirkungslos. Vermeintliche Abtretungserklärungen der Sozialleistungen und Zahlungen an den Vermieter, die oftmals zunächst vereinbarungsgemäß vorgenommen werden, sichern nicht die Ansprüche des Vermieters.

Rechtsprechung könnte Hartz IV-Betroffenen schaden

Diese Rechtsprechung scheint zwar auf den ersten Blick die Rechte der Mieter zu stärken, wird aber wohl dafür sorgen, dass viele Unbescholtene unter dem Fehlverhalten Einzelner zu leiden haben. Jeder Hartz IV-Betroffene wird zum Schreckgespenst für Vermieter, denn weil einzelne Personen ihre Zustimmung zur Direktüberweisung widerrufen und das Mietgeld einbehalten, wird solches Verhalten gleich einer ganzen Bevölkerungsgruppe unterstellt. Zwischen überhöhten Mieten und Misstrauen auf Vermieterseite wird es für Hartz IV-Betroffene so noch schwieriger, Wohnungen zu finden. 

Dass Menschen ihr Mietgeld verfeiern, ist auch allein schon deswegen sehr selten, weil sich Mieter damit selbst stark schaden. Nach zwei unbezahlten Mieten folgt im Regelfall die fristlose Wohnungskündigung durch den Vermieter. Wer dann nicht auszieht, riskiert eine Räumungsklage – und dann Obdachlosigkeit.

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