Hartz IV? Schwimmlehrer für die Wüste

Lesedauer 3 Minuten

Schwimmlehrer für die Wüste
von Dietmar Brach

Während die Wirtschaftskrise anhält, immer mehr Menschen in Arbeitslosigkeit, Hartz IV oder Kurzarbeit landen, boomt ein Wirtschaftszweig wie nie zuvor. Ich bezeichne diesen Wirtschaftszweig als die "Redundanzindustrie". Sie liefert Dinge die eigentlich nicht benötigt werden und in der angebotenen Qualität zudem meist auch dann nutzlos wären, wenn sie jemand wirklich benötigen würde. Dennoch finanziert sie der Steuerzahler widerspruchslos und der Staat behauptet sogar oft diese Geldverbrennung wäre „gemeinnützig“.

Die Rede ist von den zahlreichen Instituten, Bildungsträgern, privaten Arbeitsvermittlern, Beschäftigungsträgern mit kuriosen Namen wie Bauhof, Best oder Blitz und Donner, mit für den Bürger unverständlich, für den Fachmann aber verräterisch klingenden Gesellschaftsformen wie gGmbh. Diese sich selbst als Bildungsträger bezeichnenden Institutionen werden von den Argen im Rahmen der Fördermaßnahmen für Langzeitarbeitslose mit Steuergeldern finanziert. Sie bieten Kurse an wie den Computerführerschein, Bewerbertraining, Eignungstests und was alles einem einfallsreichen Unternehmer der als Bildungsinstitut am freien Markt wohl kaum eine Chance hätte, sonst noch einfällt. Auch als private Vermittler erhalten diese cleveren Strategen Geld aus den Sozialkassen, obwohl der Steuerzahler bereits einen riesigen Verwaltungsapparat in Form der Bundesagentur für Arbeit und unzählbaren Argen für die Vermittlung von Arbeitslosen in Arbeit bezahlt.

Um das ganze einmal an einem Beispiel zu verdeutlichen: Da gibt es in Rheinland-Pfalz ein von einem Psychologen geführtes Institut zu dem vorwiegend Langzeitarbeitslose geschickt werden. Dieses Institut bietet Hartz IV Empfängern „Die persönliche Beratung zu Arbeit, Bildung und Beruf“ Weiter heißt es in der Info zu dem Kurs für Langzeitarbeitslose: Eine Beratung die Ihnen etwas bringt muss auf zwei Bereiche eingehen:

1. Ihre Persönlichkeit Wer sind Sie? Was macht Ihnen Spaß? Was können Sie gut? Sind Sie eher praktisch begabt oder theoretisch? Gehen Sie lieber mit Menschen um oder arbeiten Sie gerne alleine?

2. Den Arbeitsmarkt Wo gibt es Jobs? Was muss man dafür können? Wie kommt man dran Wo kann man das eventuell lernen? Ich habe die Fragen einmal für mich beantwortet: Wer sind Sie? Steht in meinem Pass Was macht Ihnen Spaß? Den alltäglichen Wahnsinn zu entlarven Was können Sie gut? Steht in meinen Zeugnissen Sind Sie eher praktisch begabt oder theoretisch? Steht auch in meinen Zeugnissen Gehen Sie lieber mit Menschen um oder arbeiten Sie gerne alleine? Tja, diese Frage muss natürlich unbedingt beantwortet werden um einen Langzeitarbeitslosen in Arbeit zu bringen.

Und dann die Fragen zum Arbeitsmarkt Wo gibt es Jobs? Wenn die Arge das nicht weiß, woher weiß es dann der Herr Psychologe? Was muss man dafür können?

Kleiner Tipp: Steht meist in der Stellenausschreibung? Wie kommt man dran? Eine Möglichkeit wäre es mit einer Bewerbung zu versuchen? Wo kann man das eventuell lernen? Was meint er mit „DAS“? Wie war das doch? Ein Leistungsempfänger nach dem SGB II, im Volksmund liebevoll „Hartz IV ler“ genannt, muss jede zumutbare Arbeit annehmen und alles tun um seine Bedürftigkeit zu beenden.

So sagte letzte Woche noch Kafkas Sachbearbeiter, pardon „Fallmanager“. Er erzählte ihm, dass sogar ein Atomphysiker Müllbeutel leeren müsste und er selbst, würde er nicht gerade als Fallmanager arbeiten, jederzeit auch im Weinberg arbeiten würde. Das hat er wörtlich gesagt, um Kafka dann diesen Kurs des Herrn Psychologen anzubieten, der die Arbeitswelt als Paradies erscheinen lässt. Es gibt ihn also doch – den Arbeitgeber der wissen will, was mir Spaß macht, ob ich lieber ein Büro für mich alleine hab oder mit einem geschwätzigen Kollegen das Zimmer teilen möchte. Und der Psychologe scheint ihn zu kennen. Man fragt sogar ob ich eher praktisch begabt bin, also die Arbeit selbst verrichte, oder mehr zum theoretischen neige, das heißt anderen die von mir zu verrichtenden Tätigkeiten zuweise. Der Fallmanager scheint eher ein Theoretiker zu sein, deshalb lässt er seine Arbeit vom Herrn Psychologen machen.

Offensichtlich wenden sich Arbeitgeber heutzutage mit offenen Stellen nicht mehr an die Arbeitsagentur sondern an Psychologen Wie dem auch sei- dieser sehr lukrative Markt der Schein-Bildungsindustrie lohnt sich. Für den obigen Kurs erhält das anbietende Institut normalerweise 1200 Euro. Da die Arge ein Großkunde ist, wird es da vermutlich günstiger. Aber dennoch Letztlich zahlt der Steuerzahler hier für Schwimmlehrer in der Wüste. Was nutzt der beste Schwimmlehrer wenn kein Wasser da ist, meine was nützt der beste Eignungstest wenn keine Stellen vorhanden sind? Wenn wir die durch Studienabschlüsse und IHK-Prüfungen nachgewiesenen Fähigkeiten ignorieren- warum bezahlen wir dann einen Psychologen der die verborgenen Fähigkeiten und Talente ans Tageslicht bringen soll? Um dann zu wissen ob ein Diplom-Betriebswirt besser als Müllmann oder Erntehelfer einzusetzen ist? Das Geld für die zahlreichen Bildungsinstitute und sonstigen Maßnahmeträger sollte besser in öffentliche Beschäftigung zu einem normalen Tariflohn investiert werden.

Ständig wird betont dass Hartz IV mehr kostet als die alte Sozialhilfe. Das ist kein Wunder, wenn man zulässt, dass jede noch so unsinnige Maßnahme vom Steuerzahler bezahlt werden muss. Kinder werden mit einem zu niedrigen Leistungssatz in die Armut geschickt, während man cleveren Geschäftemachern jeden noch so blödsinnigen Kurs als Integrationsmaßnahme abkauft. Hier liegt ein beachtliches Sparpotential im sozialen Bereich, welches die Leistungsempfänger nicht belastet. Ganz im Gegenteil. (Dietmar Brach, Wiesbaden, 23.12.2009)

Und Ihre Meinung zu diesem Thema? Besuchen Sie uns im Hartz4 Forum!

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...