Schwerbehinderung: Wann Stellenausschreibungen schwerbehinderte Menschen benachteiligen

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Wenn eine Stellenausschreibung Beamte ausschlieรŸt, die vom Schicht- und Wechseldienst befreit sind, kann dies eine Benachteiligung schwerbehinderter Menschen darstellen. Der Arbeitgeber muss diese Vermutung dann widerlegen. Keine Benachteiligung ist es, wenn schwerbehinderte Bewerber in das Auswahlverfahren einbezogen werden. So urteilte das Verwaltungsgericht Freiburg (ย 5 K 774/14).

Beamter ist von Wechseldiensten befreit

Der Betroffene arbeitet als Beamter im Justizvollzugsdienst, und sein anerkannter Grad der Behinderung ist 50. Damit gilt er als schwerbehindert und kann die entsprechenden Sonderregelungen am Arbeitsplatz fรผr sich beanspruchen.

Zu diesen gehรถrt, dass er bei Bewerbungen nicht aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Wegen seiner Schwerbehinderung war er von der Verpflichtung zu Spรคt- und Nachtdienst sowie Wochenenddiensten befreit. Gibt es Indizien dafรผr, dass eine Benachteiligung vorliegen kรถnnte, liegt die Beweispflicht dafรผr, dass dies nicht so ist, beim Arbeitgeber.

Absage und Widerspruch

Er bewarb sich auf einen ausgeschriebenen Dienstposten als stellvertretender Bereichsdienstleiter bei der Justizvollzugsanstalt Freiburg. Der Ausschreibungstext lautete unter anderem โ€žBewerben kรถnnen sich leistungsstarke und belastbare Beamtinnen und Beamten die nicht vom Schicht- und Wechseldienst befreit (gilt nicht fรผr Beamtinnen und Beamten, die mit Erreichen des 55. Lebensjahres nicht mehr zu Nachtdienst verpflichtet sind) und in einer Abteilung auch im Stockwerksdienst eingesetzt sind.โ€œ

Die Justizvollzugsanstalt erteilte ihm eine Absage und informierte ihn, dass die ausgeschriebene Stelle durch einen Mitbewerber besetzt werde. Er legte Widerspruch wegen Benachteiligung ein und forderte vom Stellenausschreiber Schadensersatz.

Betroffener sieht Verdacht fรผr Benachteiligung

Das Gericht informiert: โ€žZur Begrรผndung verwies er darauf, dass in der Ausschreibung ohne sachlichen Grund die Teilnahme am Schicht- und Wechseldienst gefordert worden sei. Diese Einschrรคnkung betreffe vor allem Bewerber mit einer (Schwer-)Behinderung. Es bestehe daher der Verdacht, dass bei der Auswahlentscheidung Kriterien herangezogen wurden, die ihn benachteiligten.โ€œ

Formulierung richtet sich nicht gegen Schwerbehinderte

Der Arbeitgeber wies den Widerspruch zurรผck. Er stimmte zwar zu, dass die Formulierung โ€žnicht vom Schicht- und Wechseldienst befreitโ€œ im Ausschreibungsprofil nicht sachlich begrรผndet worden sei. Dies habe sich jedoch nicht gegen Schwerbehinderte gerichtet, da Befreiung von Schicht- und Wechseldienst nicht zwangslรคufig mit Schwerbehinderung in Verbindung stehe. Er hรคtte auch keinen Nachteil gehabt, denn er hรคtte sich auf die Stelle beworben und sei in die Auswahl einbezogen worden.

Vielmehr sei der erfolgreiche Bewerber ihm vorgezogen worden, weil seine Leistung und Befรคhigung besser gewesen seien. Er hรคtte bei den einzelnen Leistungsmerkmalen eine deutlich hรถhere Punktzahl erreicht, und dies auch bei den fรผr diese Stelle besonders bedeutsamen Kriterien wie โ€žOrganisationsfรคhigkeitโ€œ und โ€žpraxisgerechtes Arbeitenโ€œ.

Der Betroffene klagte vor dem Verwaltungsgericht, um seinen Anspruch durchzusetzen. Die Richter hielten die Klage zwar fรผr zulรคssig, aber unbegrรผndet. Im Wesentlichen teilten sie die Ausfรผhrungen des Arbeitgebers.

Indizien sprechen fรผr eine Benachteiligung

Tatsรคchlich seien Indizien gegeben, dass es sich um eine Benachteiligung handeln kรถnnte. Zwar erfolge eine Befreiung von Schicht- und Wechseldienst allgemein aus gesundheitlichen Grรผnden. Auch Schwerbehinderung sei aber ein gesundheitlicher Grund, und wenn Menschen mit Schwerbehinderung wegen ihrer Behinderung von diesen Diensten befreit seien, kรถnne Benachteiligung bei diesem Kriterium vorliegen. Ein zweitens Indiz sei, dass seine Bewerbung abgelehnt worden sei.

Nicht von Anfang an ausgeschlossen

Damit mรผsse geprรผft werden, ob es sich tatsรคchlich um eine Benachteiligung handle. Dagegen spreche in diesem Fall, dass seine Bewerbung nicht von Anfang an aufgrund seiner Befreiung vom Spรคt- und Nachtdienst ausgeschlossen wurde.

Keine Benachteiligung wegen Berรผcksichtigung beim Bewerbungsverfahren

Das Gericht fรผhrte aus: โ€ž(So) kommt eine Benachteiligung des Klรคgers wegen seiner Behinderung trotz des VerstoรŸes gegen die Pflicht zur neutralen Stellenausschreibung jedoch nicht in Betracht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Klรคger sich wie im vorliegenden Fall trotz des in der Ausschreibung enthaltenen diskriminierenden Merkmals um die Stelle beworben hat und in das Bewerbungsverfahren mit einbezogen worden ist, ohne von diesem vorab ausgeschieden oder in diesem sonst benachteiligt worden zu sein.โ€œ

Benachteiligung ist widerlegt

Bei der Gesamtรผbersicht zeige sich, dass ย hinsichtlich der Leistungs- und Befรคhigungsmerkmale andere Bewerber deutlich besser abgeschnitten hรคtten. Das Gericht hielt es fรผr beweisen, dass er wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft nicht benachteiligt worden war und wies die Klage ab.