Jobcenter darf Hartz IV Beziehende nicht zum Umzug aufs Land nötigen

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LSG Celle verwirft Mietobergrenzen des Jobcenters Göttingen

Jobcenter dürfen Großstadtbewohner nicht durch zu knapp bemessene Mietzuschüsse zum Umzug aufs Land zwingen. Zudem müssen bei einer Erhebung der Mietkosten die Daten repräsentativ für den Wohnungsmarkt sein, wie das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in einem am Freitag, 31. Mai 2019, bekanntgegebenen Urteil entschied (Az.: L 6 AS 467/17). Danach genügen die vom Jobcenter Göttingen ermittelten Unterkunftskosten „nicht den höchstrichterlichen Anforderungen an ein sogenanntes schlüssiges Konzept”.

Die Stadt hatte lange Zeit die angemessenen Unterkunftskosten nach den Wohngeldtabellen plus zehn Prozent Sicherheitszuschlag berechnet und bezahlt. Um Gelde zu sparen, beauftragte es das Hamburger Unternehmen „Analyse & Konzepte” mit einer Erhebung der Mietkosten.

In der Folge senkte das Jobcenter 2016 die gewährten Unterkunftskosten deutlich ab. Im Streitfall fehlten der klagenden Göttingerin danach monatlich 66 Euro, um ihre Miete zu bezahlen.

Mit seinem auch bereits schriftlich veröffentlichten Urteil vom 2. April 2019 gab das LSG Celle nun der Hartz-IV-Empfängerin recht. Die Unterkunftskosten seien fehlerhaft ermittelt worden.

Zum einen rügte das LSG, dass „Analyse & Konzepte” zu über 60 Prozent Daten der Städtischen Wohnungsbau GmbH und der Wohnungsbaugenossenschaft Göttingen verwendet hatte, obwohl deren Anteil an den vermieteten Wohnungen unter 20 Prozent liegt. „Eine solche Stichprobe bildet die Realität des Wohnungsmarktes nicht ab”, stellte das LSG klar. Darüber hinaus seien zudem offenbar vorrangig Daten von Hartz-IV-Empfängern verwendet worden, was möglicherweise zu weiteren Verzerrungen geführt habe.

Zudem habe „Analyse & Konzepte” die Universitätsstadt Göttingen mit den Nachbarorten Rosdorf und Bovenden als einen einheitlichen sogenannten Vergleichsraum behandelt. Jobcenter könnten von Arbeitslosen aber nur dann einen Umzug in eine günstigere Wohnung verlangen, wenn sie dabei ihr soziales Umfeld beibehalten können. Davon könne aber „bei einem erforderlichen Umzug zwischen Stadt und Landkreis nicht die Rede sein”, heißt es in dem Urteil.

Da „Analyse & Konzepte” keine brauchbaren Möglichkeiten aufgezeigt habe, diese Mängel zu beheben, müsse das Jobcenter Göttingen bis auf Weiteres wieder auf die Berechnung nach den Wohngeldtabellen plus zehn Prozent Sicherheitszuschlag zurückgreifen.

In seinem Urteil stützt sich das LSG Celle unter anderem auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel vom 30. Januar 2019 (Az.: B 14 AS 11/18 und weitere; JurAgentur-Meldung vom Folgetag). Danach muss ein Vergleichsraum „aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und ins besondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich” bilden. mwo

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