Hartz IV: Jetzt einen Antrag auf iPad oder Computer stellen- Die Chancen sind nicht schlecht!

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Jetzt einen Computer oder Tablet beantragen!

In den Schulen sind digitale Geräte mittlerweile Standard im Unterricht. Auch außerhalb des Unterrichts, beispielsweise im Nachhilfekurs, für Hausaufgaben, zur Eigenrecherche oder Arbeitsgemeinschaften, benötigen Schüler Ipads oder Computer. Eltern, die auf Hartz IV Leistungen angewiesen sind, können den Kindern solche Geräte nicht kaufen, da die Anschaffungskosten meist zu hoch sind. Denn für Kinder und Jugendliche sind für 0-6-Jährige 72 Cent, für 6-14-Jährige noch 53 Cent und für 14-18-Jährige „satte“ 23 Cent für Bildung monatlich in den Regelsätzen einhalten. Doch immer mehr Eltern setzten sich vor Gerichten zur Wehr und bekamen Recht zugesprochen.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte die Bundesregierung schon im Juli 2014 aufgefordert, die Kosten für Bildung zu erhöhen. Allerdings ist seit dem kaum etwas passiert. In weiser Vorraussicht hatten die obersten Verfassungsrichter die Gerichte aufgefordert, das geltene Recht weit auszulegen, damit Kinder aus Sozialhilfe/Hartz IV Familien keine Bildungsnachteile erleiden.

Eine Reihe von Entscheidungen der Sozialgerichte kamen zu dem Ergebnis, dass die Anschaffung von PCs, Tablets oder Laptops ein Muss für die schulische Erfüllung sei. Daher handele es sich hierbei um einen “laufenden Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II”. So urteilte zb das Sozialgericht in Gotha: „Jeder, der Kinder in einem schulfähigen Alter hat […] müsste eigentlich wissen, dass ohne internetfähigen PC/Laptop die Befolgung organisatorischer Vorgaben der Schule zu großen Teilen nicht mehr möglich ist. Das fängt bei der Essenbestellung bei den einschlägigen Anbietern an, geht weiter über oftmals täglich aktualisierte Vertretungspläne der Schule und weiter über Referate bzw. Seminararbeiten, deren Fassung am Computer als selbstverständlich vorausgesetzt wird. […] Es ist offensichtlich und selbstverständlich, dass es hier keiner gesonderten Darlegung mehr bedarf“

Eine Reihe weiterer Gerichte kam ebenfalls zu ähnlichen Ergebnissen:
LSG Niedersachsen-Bremen L 11 AS 349/17, zur Übernahme von Schulbüchern für 135,65 €;
SG Hannover S 68 AS 344/18 ER, Tablet für 369 €;
SG Cottbus S 42 AS 1914/13, PC für 350 €;
SG Gotha S 26 AS 3971/17, PC mit Drucker, Software und Einrichtung für 600 €;
SG Stade S 39 AS 102/18 ER, Laptop für 399 €.

Alle Grichte betonen, dass PCs/Laptops/Tablets zur soziokulturellen und schulischen Teilhabe der Schüler gehören. Zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimum müssen die Jobcenter diese Leistungen als Zuschuss erbringen.

Eltern sollten daher Bedarfe für Bildung bei den Jobcentern beantragen, auch wenn die meisten Jobcenter zunächst die Bewilligung ablehnen werden. Außer Tablets kommen auch weitere Schulbedarfe wie Kopierkosten, Anschaffungskosten für spezielle Taschenrechner, Schulbücher etc. in Frage. Der Erwerbslosenverein “Tacheles” hat eigens ein Musterschreiben angefertigt, den Antragsteller kostenlos nutzen können. Diese lässt sich hier herunterladen.

Bei der Beantragung eines Tablets oder PC´s für die Schule ist es wichtig, dass im Haushalt kein funktionsfähiger Computer bereits vorhanden ist. Bedeutet, es kann auch begründet werden, dass der bereits vorhandene defekt ist. Sehr wahrscheinlich wird das Jobcenter den Antrag zunächst ablehnen und darauf verweisen, dass es einen zu beantragenden Schulbearf in Höhe von 100 EUR pro Jahr bereits existiert. Oft wird dann ein Darlehen angeboten, der von den ALG II Regelleistungen abgezahlt werden kann.

Folgende Szenarieren sind möglich:

Akutbedarf

Besteht ein akuter Bedarf sollte laut dem Verein “Tacheles” aus Wuppertal begründet werden, dass “die Benutzung des Schulcomputers für schulische Angelegenheiten erforderlich ist und sonst dem Unterricht nicht im ausreichenden Maße gefolgt werden kann, Hausaufgaben nicht durchgeführt oder Referate nicht geschrieben werden können.” Wird der Antrag abgelehnt, sollte dagegen fristgerecht ein Widerspruch eingelegt werden. Zusätzlich sollte eine einstweilige Anordnung (Eilklage) beim zuständigen Sozialgericht beantragt werden. Das Gericht wird dann kurzfristig über den Eilantrag entscheiden.

Bedarfsdeckung durch Vermögensverbrauch oder bereits gedeckter Bedarf (nicht akuter Bedarf)

Wenn ein solcher Antrag abgelehnt wurde und die Anschaffung der benötigten Schulbedarfe durch Verbrauch von Vermögen oder mit Hilfe eines Darlehns von Dritten bereits realisiert wurde, besteht keine Möglichkeit für eine Eilklage. Hier ist ein normales Widerspruchs- und bei erneuter Ablehnung ein Klageverfahren durchzuführen.
In allen Fällen sollte ein Nachweis über die Beschaffungskosten des erforderlichen PC/Laptop/Tablet-Computers oder sonstiger Bedarfe beigefügt werden. Diese sollten sich im unteren Preissegment befinden, jedoch grade beim Schulcomputer als langlebigen Gebrauchsgegenstand eine gewisse Qualität aufweisen. Die Kosten für einen Internetanschluss können nicht geltend gemacht werden, denn diese sind im Bereich „Nachrichtenübermittlung“ in der Regelbedarfsstufe 1 im Regelbedarf 2018 (Alleinstehende) mit 37,16 € ausreichend abgedeckt.

Rückwirkende Geltendmachung der Schulbedarfe ist möglich

Ein unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II muss nicht gesondert im Sinne von § 37 Abs. 1 S. 2 SGB II beantragt werden. Das bedeutet, dieser kann auch rückwirkend bei laufenden Leistungsbezieher*innen geltend gemacht werden. Die Rückwirkung ist immer bis maximal Januar des jeweiligen Vorjahres möglich (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X i.V.m. § 48 Abs. 4 SGB X i.V.m § 40 Abs. Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II). Wenn demnach ab Januar des jeweiligen Vorjahres solche einmaligen Schul- und Bildungsbedarfe bestanden, führt dies zu einer Änderung der Verhältnisse zugunsten der Leistungsberechtigten, die auch rückwirkend berücksichtigt werden muss.

Gewährung als Darlehen

Auch ist es möglich, dass das Jobcenter versucht, Schul- und Bildungsbedarfe auf Darlehensbasis nach § 24 Abs. 1 SGB II abzudecken, da es sich um einen vom Regelbedarf umfassten Bedarf handelt (auch wenn dieser, wie oben beschrieben, nur mit Cent-Beträgen berücksichtigt ist). Wenn die Behörde ein Darlehen bewilligt, sollte es zunächst angenommen werden und wenn der Schul- und Bildungsbedarf gedeckt ist, sollte gegen den Darlehensbescheid Widerspruch eingelegt werden. In der Begründung sollte angeführt werden, dass der Bedarf im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung als laufender Bedarf zu werten und als Zuschuss zu gewähren ist. Ferner sollte gegen die gleichzeitig verfügte Aufrechnung Widerspruch eingelegt werden. Dieser Widerspruch entfaltet nach § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. Das Jobcenter darf das Darlehen aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht aufrechnen, bis der aufrechnungsverfügende Bescheid nicht bestandskräftig geworden, d.h. bis über den Widerspruch entschieden ist. Das heißt im Klartext, Sie bekommen das Geld und müssen sich hinterher drüber streiten, ob auf Zuschuss- oder Darlehensbasis. Weitere Hilfen hierzu finden Sie auf den Seiten von Tacheles e.V.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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