Im Einzelfall müssen Jobcenter ein Mietschuldendarlehen auch bei unangemessen teurer Unterkunft erbringen. Kann das Jobcenter die Bezahlung von Mietrückständen für eine unangemessen teure Wohnung darlehensweise übernehmen? Gehören auch Gerichtskosten und Gerichtsvollziehergebühren zu den Mietschulden?
Zu den Voraussetzungen für die Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 8 SGB II
Bei Mietschulden erbringen die Jobcenter im Regelfall ein Darlehen. Dies setzt aber voraus, dass die Wohnung mit dem Darlehen langfristig erhalten werden kann.
Aus diesem Grund werden viele Anträge auf Übernahme der Mietschulden abgelehnt, weil die Mietkosten meist über den maßgeblichen Angemessenheitsgrenzwerten liegt.
Für die Gewährung eines Mietschuldendarlehens ist es nach der Rechtsprechung des BSG erforderlich, dass die laufen Kosten der Unterkunft angemessen sind ( BSG, Urteil vom 17.06.20210 – B 14 AS 58/09 R ).
Ausnahmen sind aber durch aus denkbar
Zwei Ausnahmen in diesem Sinne wurden von der Rechtsprechung bereits anerkannt
1. Wenn der Leistungsbezieher den Differenzbetrag zwischen der tatsächlichen Miete und der angemessenen Miete aus seinem Erwerbseinkommen oder der Regelleistung aufbringen kann (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 05.02.2009 – L 26 B 2388/08 AS ER und LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 23.08.2023 – L 31 AS 627/23 B ER – ).
2. Die langfristige Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft ist im Regelfall nicht gerechtfertigt. Eine Ausnahme ist denkbar, wenn die Kosten den Rahmen des Angemessenen nur geringfügig übersteigen (etwa bei Aufstockern unter Verwendung des Freibetrages aus Einkommen) und der künftige Erhalt der Wohnung gesichert erscheint.
3. Bei Vorliegen der Voraussetzungen hat eine Übernahme der Mietschulden durch den Leistungsträger regelmäßig zu erfolgen. Die Nichterbringung des Darlehens stellt den Ausnahmefall dar, der nicht bereits dann anzunehmen ist, wenn sich ein Verschulden des Leistungsempfängers an der Entstehung der Verbindlichkeiten feststellen lässt ( LSG NRW, Beschluss vom 03.12.2014 – L 19 AS 1909/14 B ER – rechtskräftig -).
Der Wortlaut des § 22 Abs. 8 SGB II ist offen gefasst und nicht auf Schulden aus dem Mietvertrag bzw. Mietverhältnis beschränkt.
Auch Gerichtskosten und Gerichtsvollziehergebühren gehören zu den Mietschulden
Entstehen infolge einer unberechtigten Versagung von SGB II-Leistungen Mietrückstände und erhebt der Vermieter deshalb Räumungsklage, sind auch die dem Leistungsberechtigten auferlegten Gerichtskosten als einmalig anfallender Bedarf im Fälligkeitsmonat für die Unterkunft zu berücksichtigen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.06.2014 – L 9 AS 1742/14 – unter Verweis auf BSG, Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 58/09 R zur Übernahme von Rechtsanwalts-, Gerichts- und Vollstreckungskosten zur Sicherung der Unterkunft im Falle der Übernahme von Mietschulden).
Mietschulden sind auch dann zu übernehmen, wenn noch offen, ob für denselben Zeitraum Leistungen der Unterkunft zu gewähren sind ( LSG Berlin-Brandenburg (32. Senat), Beschluss vom 21.02.2022 – L 32 AS 139/22 B ER WA – n. v. ).
Liegen die Voraussetzungen für eine Mietschuldenübernahme vor, verbleibt dem Jobcenter regelmäßig kein Ermessensspielraum.
Eine Vergleich der Schuldenhöhe mit den Kosten eines Wohnungswechsels erfolgt nicht, weil bei drohender Wohnungslosigkeit ein Umzug als Alternative ausscheidet.
Auch wirtschaftlich unvernünftiges, vorwerfbares Verhalten des Hilfebedürftigen der die drohende Wohnungslosigkeit (mit) verursacht haben mag, begründet kein anderes Ergebnis (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 26.03.2014, L 7 AS 425/14 B ER, L 7 AS 426/14 B -).
Etwas anderes gilt jedoch in Missbrauchsfällen
Hiervon kann bei zumindest bedingt vorsätzlicher Herbeiführung von Rückständen für Unterkunftskosten auszugehen sein, insbesondere wenn es trotz entsprechender Unterstützung in der Vergangenheit wiederholt zu Rückständen gekommen und kein Selbsthilfewillen zu erkennen ist.
Ist ein Antrag auf Übernahme der Mietschulden beim JobCenter nötig?
Nein, denn nach der Rechtsprechung des BSG aus 2022 – B 7/14 AS 52/21 – reicht es aus, wenn der Leistungsempfänger das Jobcenter darüber informiert, dass eine Wohnungskündigung droht. Auch wenn Dritte – Bekannte aushelfen, geht das Darlehen vom Jobcenter nicht automatisch verloren.
Abschließend kann man sagen
Die Übernahme der Mietschulden sollte der Regelfall sein, leider ist dem nicht so und somit kommt es immer wieder zu Räumungsklage. Man sollte sich bei solchen Problemen rechtzeitig um Hilfe bei Vereinen, Schuldnerberatungsstellen, Jobcenter bemühen.
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.