Zusatzbeitrag bei Krankenkassen rauf – dann das Krankengeld runter

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Der amtliche durchschnittliche Zusatzbeitragssatz für 2026 liegt bei 2,9 Prozent. In der Praxis setzen viele Krankenkassen jedoch kassenindividuelle Zusatzbeiträge fest, die deutlich darüber liegen. Die Debatte wirkt auf den ersten Blick wie ein reines Beitragsthema – tatsächlich verschiebt sie aber bei einem Teil der Versicherten die finanzielle Balance genau dort, wo Reserven fehlen: beim Krankengeld.

Das Missverständnis ist dabei fast immer dasselbe: Steigende Beiträge würden „vom Krankengeld abgezogen“. So läuft es nicht. Der Effekt entsteht indirekt – über das Netto und eine Kappungsgrenze, die 2026 für mehr Betroffene zur harten Obergrenze werden kann.

Worum es 2026 wirklich geht: zwei Grenzen, eine trügerische Schlagzeile

Krankengeld folgt einer Doppel-Logik. Es ist nach oben begrenzt durch Rechengrößen der Krankenversicherung – und zugleich durch das tatsächliche Netto des maßgeblichen Entgeltzeitraums. Öffentlich sichtbar ist meist nur die erste Grenze, weil sie sich als plakative Zahl kommunizieren lässt:

Die Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der Kranken- und Pflegeversicherung steigt 2026 auf 5.812,50 Euro monatlich (69.750 Euro jährlich). Daraus leitet sich ein höheres maximales Krankengeld ab; als Höchstwert wird für 2026 häufig 135,63 Euro pro Kalendertag (brutto) genannt.

Diese Höchstzahl ist korrekt – sie ist aber für viele eine theoretische Größe. Denn in sehr vielen Fällen entscheidet nicht der Brutto-Deckel, sondern die zweite Grenze: Krankengeld darf 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Und genau dieses Netto wird durch steigende Zusatzbeiträge (Arbeitnehmeranteil) kleiner. Damit kann die 90-Prozent-Kappung früher greifen – obwohl der rechnerische Höchstwert steigt.

Der entscheidende Präzisierungspunkt: Welches Netto zählt – und wann wirkt der Zusatzbeitrag?

Für die 90-Prozent-Grenze ist nicht irgendein „aktuelles“ Netto maßgeblich, sondern das Netto aus dem Entgelt, das der Berechnung zugrunde liegt – in der Praxis regelmäßig die letzte reguläre Entgeltabrechnung vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit bzw. der herangezogene Bemessungszeitraum.

Das hat eine Konsequenz, die in der Debatte oft untergeht: Ob eine Beitragserhöhung 2026 das Krankengeld „spürbar“ beeinflusst, hängt wesentlich davon ab, ob der Beginn der Arbeitsunfähigkeit und die herangezogene Abrechnung bereits unter den neuen Beitragssätzen laufen. Ein pauschales „Zusatzbeitrag rauf = Krankengeld runter“ ist deshalb zu grob – der Mechanismus ist real, aber zeitlich und rechnerisch gebunden.

Kein KV-Abzug vom Krankengeld – und trotzdem weniger Auszahlung

Ein weiteres Missverständnis entsteht, weil Krankengeldbezieher im Bescheid Abzüge sehen. Diese Abzüge sind jedoch nicht automatisch „Krankenversicherungsbeiträge inklusive Zusatzbeitrag“. Während des Bezugs ist das Krankengeld in der Krankenversicherung grundsätzlich beitragsfrei; die Auszahlung kann dennoch sinken, weil je nach Konstellation Beiträge insbesondere zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung aus dem Krankengeld abgeführt werden.

Wer nur „Abzug“ liest, interpretiert das schnell als direkten Zusatzbeitrags-Effekt – und verfehlt damit den tatsächlichen Hebel: die Netto-Kappung im Berechnungssystem.

Rechenbeispiel: So kann 2026 trotz höherem Höchstwert weniger ankommen

Das Beispiel zeigt die Richtung, nicht jede Feinheit der Einzelfallberechnung:

Bei einem Brutto von 5.800 Euro im Monat läge die Brutto-Logik rechnerisch in der Nähe des Deckels. Entscheidend wird aber das Netto. Liegt das maßgebliche monatliche Netto bei 3.650 Euro, ergibt 90 Prozent davon 3.285 Euro. Umgelegt auf 30 Tage wären das 109,50 Euro pro Tag. Selbst wenn die Brutto-Logik rechnerisch 135 Euro und mehr ergibt, wäre die Auszahlung dann durch 109,50 Euro täglich begrenzt.

Sinkt das maßgebliche Netto – etwa weil der Arbeitnehmeranteil durch einen höheren Zusatzbeitrag steigt – auf 3.600 Euro, fällt die 90-Prozent-Grenze auf 3.240 Euro im Monat, also 108,00 Euro pro Tag. Die Differenz wirkt klein, summiert sich aber über Wochen und Monate. Genau diese schleichende Verschiebung ist das Problem: Die öffentliche Debatte erzeugt Erwartungen („Höchstwert steigt“), während die tatsächliche Grenze bei vielen Haushalten woanders sitzt.

Mini-Check: So lässt sich die eigene Kappung nachvollziehen

Maßgeblich sind zwei Werte aus dem Berechnungszeitraum: erstens 70 Prozent des Regelentgelts (Brutto-Logik), zweitens 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts. Entscheidend ist am Ende der niedrigere Wert. Wer prüfen will, ob der Zusatzbeitrag indirekt durchschlägt, sollte deshalb nicht beim Höchstwert starten, sondern beim Netto:

Sinkt das maßgebliche Netto in der herangezogenen Abrechnung, sinkt automatisch die 90-Prozent-Grenze. Genau dort entscheidet sich, ob die Erhöhung nur „politische Diskussion“ bleibt – oder ein konkreter Euro-Betrag im Krankengeld.

Praktisch wichtig ist dabei Transparenz: Ohne Berechnungsbogen bleibt vieles Behauptung. Ein kritischer Punkt in der Praxis ist, dass Bescheide häufig Ergebniswerte nennen, aber den Rechenweg nicht so erklären, dass Betroffene ihn mit ihrer Entgeltabrechnung sauber abgleichen können.

Was bei Zweifeln zählt: Nachvollziehbarkeit herstellen, dann prüfen

Wenn Beträge nicht plausibel wirken, ist der erste Schritt nicht die Vermutung einer „Kürzung“, sondern die Rekonstruktion des Rechenwegs: Welche Abrechnung wurde zugrunde gelegt? Welches Netto wurde angesetzt? Greift bei diesem Netto die 90-Prozent-Kappung?

Welche Abzüge wurden tatsächlich vorgenommen (und für welche Versicherungszweige)? Erst danach lässt sich beurteilen, ob ein Fehler vorliegt. Gegen belastende Bescheide gilt regelmäßig eine Widerspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe; ohne rechtzeitige Reaktion wird aus einem Rechenfehler schnell ein Dauerproblem.

FAQ

Kann eine Zusatzbeitragserhöhung das Krankengeld direkt senken?
Nicht als direkter Krankenversicherungsabzug vom Krankengeld. Der indirekte Effekt entsteht über das maßgebliche Netto und die 90-Prozent-Kappung.

Warum hilft der höhere Höchstwert 2026 vielen nicht?
Weil häufig nicht der Brutto-Deckel entscheidet, sondern 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts. Dann bleibt der Höchstwert rechnerisch, aber nicht auszahlungswirksam.

Wann wirkt der Zusatzbeitrag auf die 90-Prozent-Grenze?
Wenn der Zusatzbeitrag das Netto im Entgeltzeitraum senkt, der der Krankengeldberechnung zugrunde liegt. Entscheidend ist der Bemessungszeitraum, nicht eine allgemeine Beitragsdiskussion.

Welche Unterlagen sind für die Kontrolle entscheidend?
Entgeltabrechnung(en) des relevanten Bemessungszeitraums, Krankengeldbescheid inklusive Berechnungsbogen sowie der kassenindividuelle Zusatzbeitragssatz der Krankenkasse für 2026.

Quellenübersicht 

  • Bundesministerium für Gesundheit (Festlegung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes 2026)
  • Bundesamt für Soziale Sicherung / GKV-Schätzerkreis (Prognose/Herleitung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags 2026)
  • Deutsches Ärzteblatt (Berichte zu kassenindividuellen Zusatzbeiträgen 2026 und Spannweiten)
  • Bundesregierung / Rechengrößenbekanntmachung (BBG KV/PV 2026: 5.812,50 € monatlich)
  • Verband der Ersatzkassen (vdek) (Höchst-Krankengeld 2026: 135,63 € pro Kalendertag)
  • SGB V (Krankengeldberechnung inkl. 90-Prozent-Netto-Kappung; Beitragsfragen während des Bezugs)