Die „Aktivrente“ soll Menschen, die das gesetzliche Rentenalter erreicht haben und freiwillig weiterarbeiten, spürbar entlasten. Der Ansatz ist bewusst einfach formuliert: Wer nach der Regelaltersgrenze weiter in einem sozialversicherungspflichtigen Job arbeitet, soll bis zu 2.000 Euro im Monat als Arbeitslohn steuerfrei erhalten. Was zunächst nach einem unkomplizierten Zuschuss klingt, ist in der Praxis vor allem eine steuerliche Sonderbehandlung von Erwerbsarbeit im Ruhestand – und damit ein Signal an den Arbeitsmarkt, ältere Beschäftigte länger zu halten.
Steuerfrei heißt nicht automatisch abgabenfrei
Der Punkt, der in der öffentlichen Debatte immer wieder falsch dargestellt wird ist die Unterscheidung zwischen Steuern und Sozialabgaben. „Steuerfrei“ bedeutet bei der Aktivrente: Auf den begünstigten Teil des Arbeitslohns fällt keine Lohnsteuer an. Das sagt jedoch nichts darüber aus, ob Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung fällig werden.
Genau diese Beiträge sorgen dafür, dass vom Bruttobetrag nicht eins zu eins der gleiche Betrag auf dem Konto landet. Das ist kein versteckter Trick, sondern ausdrücklich Teil der Konstruktion. Die Regierung verbindet den Steuervorteil mit dem Ziel, dass das zusätzliche Arbeiten weiterhin beitragspflichtig bleibt und damit auch die Sozialkassen Einnahmen erhalten.
Was von 2.000 Euro tatsächlich übrig bleibt
Eine häufig zitierte Rechnung kommt auf 207 Euro Abzüge bei 2.000 Euro Hinzuverdienst und damit auf 1.793 Euro netto. Der Betrag ergibt sich aus dem Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Krankenversicherung von 7,3 Prozent, einem unterstellten durchschnittlichen Zusatzbeitrag in Arbeitnehmerhöhe von 1,25 Prozent sowie 1,8 Prozent Pflegeversicherung. Diese Kombination führt rechnerisch genau zu den 207 Euro und erklärt, warum die Nettozahl so oft wiederholt wird.
Für Januar 2026 ist allerdings schon absehbar, dass der gesetzlich festgelegte durchschnittliche Zusatzbeitrag steigt. Wird statt 1,25 Prozent ein Arbeitnehmeranteil von 1,45 Prozent angesetzt, erhöht sich der Abzug aus der Krankenversicherung entsprechend. Dann läge das Netto bei 2.000 Euro eher bei rund 1.789 Euro, bevor individuelle Besonderheiten berücksichtigt sind.
Und genau dort beginnen die Unterschiede im Alltag: Wer in einer Krankenkasse mit höherem Zusatzbeitrag ist, zahlt mehr. Wer kinderlos ist, zahlt in der Pflegeversicherung einen Zuschlag, der die Rechnung ebenfalls verschiebt. Auch regionale Besonderheiten können eine Rolle spielen. Die oft genannte Musterrechnung ist deshalb als Orientierung brauchbar, als persönliche Prognose aber nur dann, wenn die eigenen Beitragssätze dazu passen.
Warum der Steuerbonus politisch attraktiv ist
Ökonomisch wirkt die Aktivrente wie ein Hebel auf den Nettolohn: Wenn auf einen zusätzlichen Arbeitslohn bis 2.000 Euro keine Lohnsteuer anfällt, steigt die Auszahlung für viele deutlich stärker, als man es aus dem normalen Lohnzettel kennt.
Das ist gerade für Menschen interessant, die bereits eine Rente beziehen und deren Steuersatz durch die gesamte Einkommenssituation ohnehin nicht niedrig ist.
Wer profitieren kann – und wer ausgeschlossen bleibt
Die Aktivrente ist keine allgemeine Prämie für „Arbeit im Alter“, sondern ein Freibetrag für bestimmte Einkünfte. Begünstigt sind sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die Regelaltersgrenze überschritten haben. Unabhängig davon, ob die Rente bereits läuft oder bewusst aufgeschoben wird, kann der Steuervorteil greifen.
Ausgeschlossen sind hingegen mehrere Gruppen, darunter Selbstständige, Land- und Forstwirte, Minijobberinnen und Minijobber sowie Beamtinnen und Beamte. Dieser Zuschnitt ist einer der Gründe, warum die Debatte inzwischen auch juristisch geführt wird. Der Bund der Steuerzahler kündigte an, gegen die Ausgestaltung vorzugehen, weil er in der Ungleichbehandlung einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sieht. Damit ist absehbar, dass die Aktivrente zwar startet, aber politisch und rechtlich nicht sofort zur Ruhe kommt.
Wie groß der Effekt am Arbeitsmarkt sein dürfte
Ob die Aktivrente wirklich zusätzliche Arbeit mobilisiert oder vor allem Arbeit vergünstigt, die ohnehin stattgefunden hätte, bleibt eine offene Frage. Genau an dieser Stelle gehen Schätzungen auseinander – auch deshalb, weil „Mitnahmeeffekte“ schwer zu messen sind, bevor eine Regelung praktisch läuft.
Die Bundesregierung rechnet in ihren Annahmen mit rund 168.000 Personen, die das Angebot nutzen könnten. Forschungsergebnisse deuten gleichzeitig darauf hin, dass zunächst vor allem bereits erwerbstätige Rentnerinnen und Rentner profitieren würden und dass die Entlastung stärker bei besserverdienenden Gruppen ankommt.
In einer DIW-Auswertung ist von rund 230.000 erwerbstätigen Rentner*innen die Rede, die unmittelbar begünstigt wären; zugleich werden die Beschäftigungseffekte ausdrücklich als unsicher beschrieben. In der aktuellen Debatte wird deshalb immer wieder betont, dass Geld allein nicht die einzigen Gründe sind, warum Menschen über das Rentenalter hinaus arbeiten: Arbeitsbedingungen, Gesundheit und die konkrete Ausgestaltung von Tätigkeiten spielen in der Realität oft die größere Rolle als steuerliche Feinjustierung.
Praxisbeispiel: So kann die Aktivrente im Alltag aussehen
Nehmen wir an, Sabine ist 67 Jahre alt, bezieht bereits ihre Altersrente und arbeitet ab Januar 2026 wieder in Teilzeit, weil ihr der Kontakt im Team fehlt und sie ihr Einkommen aufbessern möchte. Ihr Arbeitgeber bietet ihr einen Vertrag über 10 bis 12 Stunden pro Woche an. Das monatliche Arbeitsentgelt liegt bei 2.000 Euro brutto.
Durch die Aktivrente wird dieser Hinzuverdienst bis 2.000 Euro im Monat lohnsteuerfrei behandelt. Auf der Abrechnung stehen deshalb in diesem Beispiel keine Lohnsteuer, kein Solidaritätszuschlag und keine Kirchensteuer auf diesen Betrag. Was aber weiterhin anfällt, sind Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. In der Praxis werden diese direkt über die Gehaltsabrechnung einbehalten.
Sabine ist gesetzlich krankenversichert. Vom Hinzuverdienst werden zunächst 7,3 Prozent Krankenversicherung (Arbeitnehmeranteil) abgezogen. Bei 2.000 Euro sind das 146 Euro. Dazu kommt der Zusatzbeitrag, den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer normalerweise teilen; wenn man beispielhaft mit 1,45 Prozent Arbeitnehmeranteil rechnet, sind das 29 Euro. Für die Pflegeversicherung nehmen wir wie im Script 1,8 Prozent an, das wären 36 Euro.
Damit ergibt sich aus 2.000 Euro ein Abzug von 146 Euro plus 29 Euro plus 36 Euro, also 211 Euro. Auf Sabines Konto würden aus dem Aktivrenten-Verdienst in diesem Beispiel rund 1.789 Euro überwiesen.
In der Realität kann Sabines Netto ein paar Euro höher oder niedriger liegen. Entscheidend ist vor allem der Zusatzbeitrag ihrer Krankenkasse und die Pflegeversicherung in ihrer persönlichen Konstellation. Wer kinderlos ist, zahlt in der Pflegeversicherung in vielen Fällen einen Zuschlag, der das Ergebnis spürbar verändert. Wer privat krankenversichert ist, hat ohnehin eine andere Logik, weil Beiträge dann nicht prozentual vom Arbeitslohn einbehalten werden, sondern als eigener Beitrag laufen.
Wichtig ist außerdem, dass es je nach Beschäftigungsform und persönlicher Wahl weitere Abzüge geben kann, die in vielen vereinfachten Beispielen nicht auftauchen. Manche Rentnerinnen und Rentner lassen etwa freiwillig Beiträge zur Rentenversicherung laufen, um die eigene Rente noch einmal zu erhöhen. Dann sinkt das Netto aus dem Job, dafür steigt später die Rente. Genau solche Entscheidungen klärt man am besten vorab mit der Lohnabrechnung oder der Rentenversicherung, damit der gewünschte Effekt wirklich eintritt.
Ein Starttermin, viele praktische Fragen
Für Betroffene entscheidet sich die Attraktivität nicht am Schlagwort „steuerfrei“, sondern an Details. Wer nur wenige Stunden arbeiten will, schaut auf das Netto und darauf, wie die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im eigenen Fall berechnet werden. Wer stärker einsteigen möchte, fragt sich, wie das Zusammenspiel mit dem bestehenden Job, einer möglichen zweiten Beschäftigung oder der betrieblichen Praxis funktioniert.
Für Arbeitgeber stellt sich parallel die Frage, ob der neue Vorteil tatsächlich Personalengpässe mildert oder eher bestehende Beschäftigung im Ruhestand günstiger macht. Beides kann politisch gewollt sein, aber es sind unterschiedliche Wirkungen. Die Aktivrente ist damit weniger ein einfacher Bonus als ein steuerliches Instrument, das nur dann „zieht“, wenn es auf Arbeitsplätze trifft, die altersgerecht organisiert sind und in denen Erfahrung wirklich gefragt ist.
Quellen
Bundesregierung (19. Dezember 2025): Überblick zur Aktivrente, Zeitplan mit Beschlussdaten sowie Hinweis auf weiterhin fällige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Bundesfinanzministerium (15. Oktober 2025): Pressemitteilung zum Gesetzentwurf, Zielsetzung, begünstigter Personenkreis und Hinweis auf fortbestehende Sozialversicherungspflicht.




