Was kรถnnen Sie tun, wenn Sie als Mensch mit Schwerbehinderung bei der Krankenkasse ein Hilfsmittel beantragen, mit Attest vom Arzt und kassenรคrztlichem Rezept. Die Krankenkasse lehnt den Antrag aber ab, mit der Begrรผndung, das Hilfsmittel stรผnde nicht im Hilfsmittelkatalog. Das kann zum Beispiel bei speziell angefertigten Rollstรผhlen der Fall sein. Was kรถnnen Sie jetzt tun, um Ihren Anspruch durchzusetzen?
Inhaltsverzeichnis
Tabelle: Wann besteht Anspruch auf Hilfsmittel. die nicht gelistet sind?
Voraussetzung / Situation | Anspruch auf nicht gelistete Hilfsmittel โ Erlรคuterung |
Gesetzliche Grundlage (ยง 33 SGB V + ยง 139 SGB V) | Grundsรคtzlich haben gesetzlich Versicherte einen Anspruch auf Hilfsmittelversorgung; das Hilfsmittelverzeichnis dient dabei nur als Orientierung, nicht als abschlieรende Positivliste. |
Hilfsmittelverzeichnis ist nicht bindend | Auch Produkte, die (noch) keine Hilfsmittelnummer besitzen, kรถnnen bewilligt werden, wenn sie nachweislich erforderlich sind โ das steht sowohl in den Erlรคuterungen des GKV-Spitzenverbands als auch in aktuellen Beratungsยญhinweisen fรผr Betroffene. |
Vorliegen einer Schwerbehinderung (GdB โฅ 50) mit individuellem Bedarf | Bei schwerbehinderten Menschen prรผft die Kasse besonders streng auf einen mรถglichst weitgehenden Behinderungsausgleich; ein Verweis auf Standard- oder Katalogware ist unzulรคssig, wenn diese das individuelle Defizit nicht deckt. |
Unmittelbarer vs. mittelbarer Behinderungsausgleich | Wird eine Kรถrperfunktion unmittelbar ersetzt (z. B. Prothese, Cochlea-Implantat), besteht praktisch immer Anspruch; beim mittelbaren Ausgleich (z. B. Rollstuhl, Kommunikationshilfe) muss das Hilfsmittel ein allgemeines Grundbedรผrfnis (Mobilitรคt, Kommunikation u. a.) abdecken. |
Aktuelle BSG-Rechtsprechung (Urteil B 3 KR 13/22 R, 18. 04. 2024) | Das Bundessozialgericht hat den Nahbereich ausgeweitet und anerkannt, dass Restkraft-unterstรผtzte oder motorisierte Zusatzantriebe bewilligt werden kรถnnen โ selbst wenn sie nicht gelistet sind โ, sofern sie die selbststรคndige Lebensfรผhrung sichern. |
Nachweis & Antrag (รคrztliche Verordnung, ggf. SPZ/MZEB-Empfehlung) | Eine formgerechte Verordnung genรผgt; seit 01. 03. 2025 entfรคllt die MD-Begutachtung, wenn ein spezialisiertes Zentrum das Hilfsmittel binnen drei Wochen vor Antragstellung empfiehlt, wodurch Ablehnungen wegen fehlender Listung weniger Chancen haben. |
Wirtschaftlichkeits- und Gleichwertigkeitsยญprรผfung | Die Kasse darf gรผnstigere Alternativen vorschlagen, muss aber Funktionalitรคt, Qualitรคt und individuelle Anpassung nachweisen; reicht der Basisausgleich nicht aus, bleibt der Anspruch auf das bessere (ggf. unlistige) Hilfsmittel bestehen. |
Rechtsweg bei Ablehnung | Ablehnt die Krankenkasse, kรถnnen Versicherte binnen eines Monats Widerspruch einlegen und notfalls Sozialgerichtsklage erheben; die Fristenregelung (ยง 13 Abs. 3a SGB V) schรผtzt vor Verzรถgerungen. |
Wie lauten die Richtlinien?
Die Krankenkasse kann sich grundsรคtzlich darauf berufen, dass ihre Leistungen von Gemeinsamen Bundesausschluss oder ergรคnzend von der Gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehen sein mรผssen, um bewilligt zu werden.
Das schlieรt Hilfsmittel aus, die nicht im Katalog stehen. Solche nicht gelisteten Hilfsmittel zahlt die Krankenkasse also nur in Ausnahmen und mit gut begrรผndeter medizinischer Notwendigkeit.
Was sind die Ausnahmen?
Wenn ein Hilfsmittel fรผr Menschen mit Behinderung nicht im Hilfsmittelkatalog enthalten ist, kann die Kasse es dennoch erstatten, wenn es erstens von einem Arzt verschrieben worden ist. Zweitens erstellt das zustรคndige Sanitรคtshaus oder Hilfsmittelgeschรคft einen Kostenvoranschlag. Drittens stellen Sie bei Ihrer Krankenkasse (oder Pflegekasse) einen Antrag auf Kostenรผbernahme.
Viertens, und das ist wesentlich, prรผft die Kasse im Anschluss, ob eine medizinische Notwendigkeit vorliegt und die anderen Voraussetzungen gegeben sind.
Worauf mรผssen Sie bei nicht gelisteten Hilfsmitteln achten?
Das Hilfsmittel muss notwendig sein, um Ihre Behinderung zu kompensieren oder eine Erkrankung zu behandeln. Es darf sich also nicht um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand handeln. Es sollte ausreichend, zweckmรครig und wirtschaftlich sein.
Sie sollten Ihren Antrag sehr gut begrรผnden, am besten mit รคrztlicher Beratung. Denn ein Antrag auf ein nicht gelistetes Hilfsmittel braucht eine bessere Argumentation als ein Antrag auf ein Hilfsmittel, das im Katalog gelistet ist und dessen Funktionen fรผr die Krankenversicherung klar ersichtlich sind.
Muss die Krankenkasse den Antrag akzeptieren?
Die Krankenkasse muss einen Antrag auf ein nicht gelistetes Hilfsmittel nicht annehmen. Wenn allerdings ein รคrztliches Attest und ein kassenรคrztliches Rezept fรผr genau dieses Hilfsmittel vorliegt, dann muss die Krankenkasse die Ablehnung ebenfalls gut begrรผnden.
Das Verzeichnis im Katalog ist nicht bindend. Im Einzelfall kann sehr wohl ein Anspruch bestehen auf ein nicht gelistetes Hilfsmittel. Die Krankenkasse ist berechtigt, in Ihrem Einzelfall die medizinische Notwendigkeit zu prรผfen. Die Krankenkasse darf also nicht pauschal Ihren Antrag ablehnen.
Wenn von Seiten der Kasse Zweifel bestehen, dann ist eine Prรผfunge erforderlich, zum Beispiel bei dem Verdahct auf eine unwirtschaftliche Mehrfachversorgung.
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Wann findet keine zusรคtzliche Prรผfung statt?
Das Prรผfungsrecht der Krankenkasse entfรคllt, wenn das Hilfsmittel von behandelnden Medizinern eines Sozialpรคdiatrischen Zentrums (SPZ) oder eines Medizinischen Behandlungszentrums fรผr Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) empfohlen wurde – und das innerhalb der letzten drei Wochen.
Wann รผbernimmt die Krankenkasse nicht die Kosten?
Wenn das Hilfsmittel nur in einem bestimmten beruflichen, sozialen oder privaten Bereich die Folgen der Behinderung ausgleicht, dann besteht keine Anspruch gegenรผber der Krankenkasse. Hier mรผssen Sie bei jeweiligen Gegenstand prรผfen, ob ein anderer Leistungstrรคger in Frage kommt. Gegenรผber dem Arbeitgeber zum Beispiel kann ein entsprechendes Hilfsmittel zu Ihrem Recht auf einen angepassten Arbeitsplatz gehรถren.