Wer 45 Jahre in der Rentenkasse als versichert gezählt wird, hat Anspruch auf eine vorzeitige Rente für besonders langjährig Versicherte. Er oder sie kann dann zwei Jahre früher in Rente gehen – und zwar ohne Abschläge.
Manche Versicherte fallen jetzt aus allen Wolken, weil Sie die 45 Jahre voll haben, vorher in den Ruhestand treten und Abschläge zahlen sollen. Wie kann das sein?
Es gilt die Regelaltersgrenze
Das Problem dabei ist, dass die Altersrente für besonders langjährig Versicherte an die Regelaltersgrenze gekoppelt ist. Wer diesen Anspruch hat, kann also zwei Jahre vor dem regulären Rentenalter aus der Erwerbszeit aussteigen, wenn die 45 Jahre als Versicherter erfüllt sind.
Diese Regelaltersgrenze liegt 2024 bei 66 Jahren und einem Monat. Das bedeutet, die vorzeitige Altersrente für langjährig Versicherte mit 45 Jahren Wartezeit gilt zwei Jahre vor diesem Alter, also mit 64 Jahren und einem Monat.
Die 45 Jahre allein zählen nicht
Nehmen wir jetzt an, Sie sind 63 Jahre alt und zahlen seit ihrem 18. Lebensjahr durchgehend in die gesetzliche Rentenkasse ein. Dann haben Sie mit 63 Jahren die 45 Jahre Wartezeit erfüllt.
Sie können aber trotz erfüllter Wartezeit noch nicht vorzeitig in Ruhestand gehen. denn ihre Frührente gilt erst zwei Jahre ab dem Regelalter. Sie müssen also noch ein Jahr und einen Monat arbeiten, bevor Sie die Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch nehmen können.
Nur eine Rentenform ist möglich
Um früher als mit 64 Jahren und einem Monat in den Ruhestand zu treten, bliebe Ihnen jetzt nur die vorgezogene Altersrente mit Abschlägen für langjährig Versicherte, die mindestens 35 Jahre bei der Rentenkasse angerechnet bekommen.
Das Problem daran ist: Diese Rente gilt dann durchgehend, inklusive der Abschläge. Es ist also nicht möglich, bis zum Eintritt der vorgezogenen Altersrente ohne Abschläge noch eine Zeit eine vorgezogene Rente mit Abschlägen zu beziehen.
Wenn Sie sich einmal für eine Altersrente für langjährig Versicherte mit Abschlägen entschieden haben, können Sie nicht mehr zu einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte wechseln.
Abschläge lassen sich nicht “verrechnen”
Sie müssen dann die Abschläge für die vorgezogene Rente bezahlen, und zwar ihr Leben lang. Dabei werden auch nicht die zwei Jahre von den Abschlägen abgezogen, die Sie mit ihren 45 Wartejahren ansonsten vor dem Regelalter hätten.
Auch für diese zwei Jahre müssen Sie also jeden Monat 0,3 Prozent ihrer Rente als Abschlag in Kauf nehmen – und das bis zum Ende ihres Lebens.
Statt Rente arbeitslos melden?
Viele Menschen, die ihr Leben geschuftet haben (genau diejenigen, die 45 Jahre bei der Rentenversicherung voll haben), können oder wollen nicht mehr voll arbeiten.
Sie haben sich mit Anfang 60 die Rente nicht nur redlich verdient, sondern oft zeigen sich auch gesundheitliche Beschwerden – nicht zuletzt wegen der lebenslangen Arbeit. Wer seit seiner Jugend bis wenige Jahre vor der Regelaltersgrenze Dächer deckt oder Hauswände mauert, ist oft genau dann “reif für die Rente”, wenn rechtlich noch einige Jahre fehlen.
Manche verlieren sogar ihren Job, weil sie nicht mehr so ranklotzen können wie mit 20. Kurz vor dem Ruhestand in die Arbeitslosigkeit zu rutschen, kann jedoch die Altersrente für besonders langjährig Versicherte kosten.
Denn hier sind die Bedingungen härter als bei der Altersrente mit “nur” 35 Jahren Wartezeit. Bei anderen Altersrenten werden Zeiten der Arbeitslosigkeit (und des Bezugs von Arbeitslosengeld I) für die Rente angerechnet.
Bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte wird Arbeitslosigkeit mit Bezug von Arbeitslosengeld aber in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur dann bei der Wartezeit berücksichtigt, wenn diese auf einer Insolvenz oder vollständigen Betriebsaufgabe beruht.
Nehmen wir an, Sie haben 43 Jahre Wartezeit voll, feierten 2022 ihren 62. Geburtstag und freuten sich darauf, 2024 in den Ruhestand zu treten. Wenn Sie jetzt 2023 arbeitslos wurden (ohne Insolvenz oder Betriebsaufgabe), dann fehlt Ihnen dieses Jahr.
Sie feiern ihren 64. Geburtstag. Doch statt einen Monat später ohne Abschläge in den Ruhestand zu gehen, können Sie jetzt nur 44 Jahre Wartezeit vorweisen.
Kürzer treten ist möglich
Die Wartezeit bei der Rentenversicherung ist unabhängig von der Höhe ihres Einkommens und der Anzahl der täglichen Arbeitsstunden. Wenn Sie jetzt mit Anfang 60 nicht mehr voll arbeiten können oder wollen, dann erfüllen Sie ihre Wartezeit bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte auch, wenn Sie einem versicherten Mininjob nachgehen oder in Teilzeit arbeiten.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.