Wer keine Bürgergeld oder Sozialhilfe Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezieht, kann dennoch in einzelnen Monaten Anspruch auf Unterstützung haben.
Typisch sind Situationen, in denen außergewöhnliche Ausgaben anfallen: etwa Heiz- oder Betriebskostennachzahlungen oder Versicherungsbeiträge, die in der Altersgrundsicherung vom Renteneinkommen absetzbar sind.
Wichtig ist aber ist die rechtzeitige Antragstellung. Denn beide Leistungen sind antragsabhängig; der Antrag muss spätestens am letzten Kalendertag des Monats gestellt sein, in dem die betreffende Forderung fällig ist. Genau hier beginnt in der Praxis häufig die Unsicherheit: Was gilt, wenn eine Forderung im Oktober fällig wird, aber erst im November tatsächlich bezahlt werden kann?
„Tatsächlich und rechtlich angefallen“
Das Bundessozialgericht verwendet seit Jahren eine klare Formel: Kosten müssen im Monat der Antragstellung „tatsächlich und rechtlich angefallen“ sein. Hinter dieser knappen Wendung verbergen sich zwei eigenständige, aber aufeinander bezogene Voraussetzungen.
Der tatsächliche Anfall meint die reale Zahlung. Der rechtliche Anfall knüpft an die Fälligkeit an, also an den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die Leistung verlangen darf. Beide Dimensionen sind notwendig, um einen einmalig erhöhten Bedarf dem richtigen Monat zuzuordnen und damit sozialrechtlich zu berücksichtigen.
Fälligkeit ist kein Moment, sondern ein andauernder Zustand
Juristisch wird Fälligkeit oft wie ein Datum behandelt. Für die sozialrechtliche Bewertung ist jedoch wichtig, dass die Fälligkeit nicht mit dem Kalendertag endet, der auf der Rechnung steht.
Fälligkeit beschreibt einen Zustand, der mit dem „von dem ab“ beginnt und so lange fortbesteht, bis die Forderung erfüllt ist. Solange die Zahlung aussteht, bleibt die Forderung fällig.
Damit endet die Fälligkeit nicht am ursprünglich vorgesehenen Termin, sondern erst mit der vollständigen Begleichung. Diese Lesart hat praktische Tragweite: Wer eine im Oktober fällige Nachzahlung erst im November leisten kann, hat es im November weiterhin mit einer fälligen Forderung zu tun.
Konkret bedeutet das: Wird die Zahlung im November vorgenommen, ist der tatsächliche Anfall im November erfüllt. Zugleich besteht die rechtliche Fälligkeit zu diesem Zeitpunkt fort, weil die Schuld bis zur Zahlung fällig geblieben ist.
Damit fallen beide vom Bundessozialgericht geforderten Merkmale im November zusammen. Ein sozialrechtlicher Antrag kann folglich im November gestellt und bewilligt werden, obwohl der ursprüngliche Fälligkeitstag im Oktober lag. Diese Lösung wahrt die Monatsbezogenheit der Grundsicherung, ohne Betroffene in atypischen Bedarfsspitzen aus dem Raster fallen zu lassen.
Das Antragsprinzip und seine zeitliche Konsequenz
Unverändert bleibt, dass Leistungen nur auf Antrag gewährt werden. Wer die Unterstützung für einen bestimmten Monat benötigt, muss den Antrag bis zum letzten Tag dieses Monats stellen.
In der Praxis empfiehlt es sich, den Antrag im Zweifel frühzeitig zu platzieren und auf den konkreten Anlass zu verweisen. Gerade bei Nachzahlungen ist es üblich, dass Abrechnungen erst spät zugehen und die Liquidität knapp ist.
Das Sozialrecht trägt diesem Umstand Rechnung, indem es den Bedarf monatsweise betrachtet und die Koinzidenz von Fälligkeit und Zahlung im Antragsmonat genügen lässt. Fehlt der Antrag in diesem Monat, geht der Anspruch grundsätzlich verloren; ein Nachholen im Folgemonat setzt voraus, dass im neuen Monat wiederum ein rechtlicher und tatsächlicher Anfall vorliegt.
Beispiel aus der Praxis: Anerkenntnis in Kiel
Wie diese Grundsätze angewandt werden, zeigt ein Anerkenntnis der Landeshauptstadt Kiel vom 2. Oktober 2025 im Verfahren vor dem Sozialgericht Kiel (Az. S 22 SO 41/25). Dort wurde die im Vormonat fällig gewordene, aber erst im Folgemonat beglichene Forderung bei der Leistungsberechnung berücksichtigt.
Ausschlaggebend war, dass die Fälligkeit bis zur Zahlung fortbestand und die Begleichung im Antragsmonat erfolgte. Damit lagen rechtlicher und tatsächlicher Anfall zusammen, sodass der Bedarf dem späteren Monat zugeordnet werden konnte.
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Bescheid prüfenDer Fall zeigt, dass es nicht auf die starre Betrachtung eines einzelnen Rechnungsdatums ankommt, sondern auf die rechtliche Qualität der Fälligkeit und die tatsächlich erfolgte Zahlung.
Typische Fälle und Nachweise im Alltag
Im Mittelpunkt stehen vor allem Nachforderungen aus Betriebs- und Heizkostenabrechnungen sowie Beiträge, die bei der Altersgrundsicherung vom Einkommen absetzbar sind.
Die Praxis verlangt dabei schlüssige Unterlagen, die sowohl die Fälligkeit als auch die Zahlung im Antragsmonat belegen. Rechnungen, Abrechnungsbescheide, Mahnschreiben und Kontoauszüge spielen eine zentrale Rolle, weil sie den Zeitpunkt der Zahlungsreife und den Zahlungsfluss dokumentieren.
Wer den Antrag stellt, sollte die Unterlagen geordnet beifügen und die zeitliche Abfolge plausibel schildern, damit die Verwaltung die Koinzidenz von rechtlichem und tatsächlichem Anfall ohne Verzögerung prüfen kann.
Abgrenzungen, die häufig übersehen werden
Die hier beschriebene Zuordnung gilt für Bedarfe, die in einem Monat außergewöhnlich ansteigen und dem Grunde nach anerkannt sind. Sie rechtfertigt keine doppelte Leistungsgewährung und ersetzt nicht die Prüfung der Angemessenheit, etwa bei hohen Heizkosten.
Ebenso wenig eröffnet sie eine rückwirkende Leistungserbringung über den Antragsmonat hinaus. Maßgeblich bleibt das Monatsprinzip: Leistungen setzen einen Antrag voraus und decken den Monat, in dem Fälligkeit und Zahlung zusammentreffen.
Wer erst nachträglich feststellt, dass eine Forderung längst beglichen wurde, kann diese nicht ohne weiteres einem abgeschlossenen Monat zuordnen, in dem kein Antrag bestand.
Fragen und Antworten
Kann ich im Folgemonat noch Leistungen beantragen, wenn die Rechnung bereits im Vormonat fällig war?
Ja, wenn die Zahlung erst im Folgemonat erfolgt und die Forderung bis dahin weiterhin fällig war. Dann fallen „rechtlicher Anfall“ (Fälligkeit) und „tatsächlicher Anfall“ (Zahlung) in diesem Monat zusammen. Der Antrag muss spätestens am letzten Kalendertag dieses Monats gestellt werden.
2) Welche Nachweise sollte ich dem Antrag beifügen?
Erforderlich sind die Rechnung oder Abrechnung mit ausgewiesenem Fälligkeitsdatum sowie ein Zahlungsnachweis (etwa Kontoauszug, Überweisungsbeleg oder Lastschriftbuchung). Hilfreich sind außerdem Mahnschreiben, Bescheide oder Vereinbarungen mit dem Versorger bzw. Versicherer, um Fälligkeit und Zahlungslauf schlüssig zu dokumentieren.
3) Was passiert, wenn ich den Antrag erst nach Ende des Zahlungsmonats stelle?
Regelmäßig gehen Ansprüche verloren, weil Leistungen antragsabhängig sind und nicht rückwirkend gewährt werden. Ein späterer Antrag kann nur den Monat erfassen, in dem erneut sowohl Fälligkeit als auch tatsächliche Zahlung vorliegen. Deshalb ist es entscheidend, den Antrag spätestens am letzten Tag des Monats der Zahlung zu stellen.
4) Wie werden Raten- oder Teilzahlungen behandelt?
Bei vereinbarten Raten gilt jede geleistete Rate in dem Monat als „tatsächlich angefallen“, in dem sie bezahlt wird. Ist die Gesamtforderung weiterhin fällig bzw. liegt eine wirksame Ratenzahlungsvereinbarung vor, können die einzelnen Monatsraten als Bedarf des jeweiligen Monats berücksichtigt werden. Empfehlenswert ist, die Ratenvereinbarung beizufügen und vorab mit dem Leistungsträger zu klären, dass die monatlichen Raten als Bedarf anerkannt werden.
5) Zählt eine SEPA-Lastschrift als „tatsächlicher Anfall“ und welcher Zeitpunkt ist maßgeblich?
Ja. Bei Lastschrift gilt der Betrag in dem Monat als tatsächlich angefallen, in dem er vom Konto abgebucht wird. Maßgeblich ist das Buchungsdatum auf dem Kontoauszug. Dieses Dokument sollte dem Antrag beigefügt werden, zusammen mit der Rechnung, aus der die Fälligkeit hervorgeht.
Fazit: Der richtige Monat ist der Monat der Zahlung – solange die Forderung noch fällig ist
Entscheidend ist die Gleichzeitigkeit von rechtlichem und tatsächlichem Anfall im Monat der Antragstellung. Bleibt eine im Oktober fällig gewordene Forderung bis in den November hinein unbezahlt und wird sie dann beglichen, ist sie auch im November noch fällig. Erfolgt die Zahlung in diesem Monat und wird rechtzeitig ein Antrag gestellt, kann der Bedarf im November berücksichtigt werden.
Das entspricht der Rechtsprechungslinie des Bundessozialgerichts, ordnet atypische Bedarfsspitzen sachgerecht zu und vermeidet Versorgungslücken. Für Betroffene bedeutet das: Den Zeitpunkt der Zahlung und die fortbestehende Fälligkeit im Blick behalten, den Antrag innerhalb dieses Monats stellen und die relevanten Unterlagen beifügen. So lässt sich sicherstellen, dass notwendige Ausgaben im Monat ihrer tatsächlichen Belastung sozialrechtlich anerkannt werden.




