Hartz IV: Es gibt kein Bildungspaket!
29.06.2011
Am 28. Juni 2011 beschäftigte sich das ZDF Morgenmagazin damit, warum das "Hartz IV Bildungspaket" nur so schleppend anläuft und angeblich 19 Prozent der vermeintlich grundsätzlich Anspruchsberechtigten keinen Antrag stellen wollen. Dazu hatte das ZDF Herrn Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, eingeladen. Sofort am Beginn der Sendung wurde von der Moderatorin einleitend und pauschal unterstellt, dass Hartz IV-Eltern, die keinen Antrag auf Leistungen für Bildung und Teilhabe stellen, sich auch nicht um die Bildung ihrer Kinder kümmern.
Anschließend danach befragt, lehnte Herr Oppermann die Information der Eltern über ihre möglichen Ansprüche auf Leistungen für Bildung und Teilhabe als "nur zweitbeste Lösung" ab. Stattdessen forderte er einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von "Hartz IV-Kindern" in KiTa und Schule, der aber eher nach Zwangsunterbringung klang, denn für „normale“ Kinder forderte Herr Oppermann nur „die Möglichkeit“ dazu. Dies begründete er damit, dass "Hartz IV-Kinder" generell Bildungsschwach, also ungebildet seien, wogegen deren Eltern nichts unternehmen würden und diese Kinder deshalb vielfach zu Schulabbrechern würden. Er vertrat ebenfalls die Meinung, dass "Hartz IV-Eltern" diese Leistungen, würden sie in Bargeld gewährt, versaufen und verprassen würden.
Liebes ZDF, eine kritische und objektive, sprich vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit diesem Thema sieht anders aus. Nicht nur, dass sie sofort in die Hetze gegen ALG II-Empfänger eingestiegen sind, auch die Recherche war absolut mangelhaft. Alles basiert auf einer nicht aussagekräftigen Statistik des IfD Allensbach, welche den Grund für den Nichtantrag nicht berücksichtigt. Die 19% der vermeintlichen Antragsverweigerer können also durchaus in die Gruppe derer fallen, die gar keinen Anspruch auf diese Leistungen haben, weil sie die individuellen Anspruchsvoraussetzungen (wie z.B. eine schulische Mittagsessenversorgung, Teilnahme an kostenpflichtigen Freizeitaktivitäten) nicht erfüllen und deshalb keinen Antrag stellen. Hier wurde und wird also viel Wind um eine Zahl gemacht, die gar nicht aussagekräftig ist. Im Verlauf der Sendung hört man immer wieder "Bildungspaket" und "Eltern, die sich nicht um die Bildung ihrer Kinder kümmern" – haben wir da irgendwas übersehen? Nämlich das "Bildungspaket"? Und begibt sich das ZDF jetzt auf das Niveau der Boulevardpresse?
Fakt ist: es gibt gar kein Bildungspaket
Dieser Begriff ist eine Lüge. Genau so wie die volksverhetzende Aussage, Hartz IV-Eltern würden sich nicht um ihre Kinder und deren Bildung kümmern. Tatsächlich sieht § 28 SGB II, in welchem die Leistungen für Bildung und Teilhabe gesetzlich geregelt wurden, nur in Abs. 5 eine Bildungshilfe (Nachhilfe) vor und auch diese ist auf Ausnahmefälle beschränkt, wo vorrangige schon lange bestehende Nachhilfeangebote von Schule und Jugendamt nicht greifen. Ansonsten geht es in § 28 SGB II ausschließlich um sog. Teilhabeleistungen, zu denen auch die Mitgliedsbeiträge für Sportvereine und Musikschulen, die Mehraufwandserstattung des Essengelds und die Kostenübernahme für Schulausflüge, Klassenfahrten und materiellen Schulbedarf gehören – dies alles hat nichts mit Bildung zu tun, dabei handelt es sich vielmehr um Leistungen, die als Teilhabeleistungen dem Regelbedarf der Kinder zuzuordnen sind, auf die aber – wie bei der Nachhilfe auch – nur Anspruch besteht, wenn man die im Gesetz genannten und von den Kommunen vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt. Zudem gab es ca. die Hälfte dieser Leistungen auch schon vorher, allerdings mehr oder weniger automatisch ohne gesonderten Antrag. Das hierfür nun ein solcher erforderlich ist, darüber will man aber nicht informieren. Da muss man sich dann auch nicht wundern, wenn keiner gestellt wird.
Statt Hartz IV-Eltern bei ihren erzieherischen Aufgaben finanziell zu unterstützen, indem bedarfsgerechte Kinderregelleistungen gezahlt werden, suchen CDU, FDP und SPD nun ihr Heil darin, Hartz IV-Kinder zur Mitgliedschaft im Sportverein oder Teilnahme am Musikunterricht zwangszuverpflichten. Wohl wissend, dass die Kosten dafür nicht mal ansatzweise durch die im Gesetz dafür vorgesehenen lächerlichen 10 Euro pro Monat gedeckt würden und eine Beitragsbefreiung oder -reduzierung für Finanzschwache hier eher die Ausnahme ist. Erhebliche Zusatzkosten wie Fahrkosten zum Training, Wettkampf oder zur Musikschule, für das Instrument oder erforderliche Sport- und Wettkampfbekleidung müssen die Eltern zudem weiterhin aus ihrer Regelleistung zweckentfremdet abknappsen, denn das wird nicht zusätzlich bezahlt. Fakt ist auch, dass Hartz IV-Kindern von FDP und CDU weiterhin u.a. der Kino- und Schwimmbadbesuch mit Freunden verweigert wird, denn auch dafür gibt es weiterhin kein Geld – weder in der Regelleistung, noch als Teilhabe nach § 28 SGB II. (fm)
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Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
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