Wer durch Ess-Störungen wie Magersucht, Bulimie oder Binge-Eating im Alltag erheblich eingeschränkt ist, kann diese Einschränkungen als Behinderung anerkennen lassen. Maßgeblich ist ein Antrag auf Feststellung des Grads der Behinderung, denn erst dieses Verfahren klärt, ob und in welcher Höhe ein GdB festgestellt wird.
Inhaltsverzeichnis
Schwerbehinderung beginnt ab einem GdB von 50
Ab einem Grad der Behinderung von 50 liegt eine anerkannte Schwerbehinderung vor. In diesem Fall kann ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt werden, der den Zugang zu rechtlich geregelten Nachteilsausgleichen und Unterstützungsleistungen eröffnet.
Ess-Störung allein begründet noch keine Behinderung
Die Diagnose einer Ess-Störung reicht für sich genommen nicht aus. Eine Behinderung liegt erst dann vor, wenn die Erkrankung zu dauerhaften Teilhabeeinschränkungen führt und zentrale Lebensbereiche wie Arbeit, Ausbildung, Wohnen oder soziale Beziehungen spürbar beeinträchtigt.
Teilhabe entscheidet über die Anerkennung
Entscheidend ist, wie stark die Ess-Störung die selbstbestimmte Lebensführung einschränkt. Wer dauerhaft weniger belastbar ist, sich aus dem sozialen Leben zurückzieht oder beruflich nicht mehr voll einsetzbar bleibt, erfüllt häufig die Voraussetzungen für einen anerkannten GdB.
So wird der Grad der Behinderung festgestellt
Das zuständige Versorgungsamt bewertet die gesundheitlichen Auswirkungen anhand ärztlicher Unterlagen. Da Ess-Störungen nicht ausdrücklich benannt sind, orientiert sich die Bewertung an vergleichbaren psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen mit ähnlichen Folgen für den Alltag.
Psychische Auswirkungen prägen häufig die GdB-Höhe
Ess-Störungen gehen regelmäßig mit erheblichen psychischen Belastungen einher. Je stärker diese die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die berufliche Einsatzfähigkeit und die sozialen Beziehungen einschränken, desto höher fällt der GdB aus.
Welche Ess-Störungen wirken sich auf den GdB aus
Ess-Störungen können, besonders bei schweren Fällen, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erheblich beeinträchtigen, was die Definition eines Grades der Behinderung darstellt. Das gilt für Magersucht ebenso wie für Bulimie, für Binge-Eating und auch für das Vermeiden von Nahrung. Zudem gehen Ess-Störungen sehr häufig mit weiteren psychischen Erkrankungen einher und haben körperliche Folgen, die die die Teilhabe weiter einschränken.
Magersucht (Anorexia nervosa) und schwere Einschränkungen
Magersucht führt häufig zu ausgeprägter Unterernährung mit gravierenden körperlichen und psychischen Folgen. Kreislaufprobleme, Unterversorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen, Osteoporose, Hormonstörungen sowie starke Ängste und Zwänge können die Teilhabe dauerhaft einschränken und einen hohen GdB begründen.
Bulimie und die Folgen von Kontrollverlust
Bulimie belastet den Körper durch wiederholte Essanfälle und kompensatorisches Verhalten. Elektrolytstörungen, Herzrhythmusprobleme und anhaltende Schuld- und Schamgefühle beeinträchtigen oft Arbeitsfähigkeit und soziale Stabilität.
Binge-Eating-Störung mit körperlichen Folgeerkrankungen
Die Binge-Eating-Störung geht mit unkontrollierten Essanfällen ohne Gegenmaßnahmen einher. Starkes Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und depressive Symptome wirken sich gemeinsam auf die Bewertung des GdB aus.
Atypische Ess-Störungen und vergleichbare Belastungen
Auch atypische Ess-Störungen können relevant sein, wenn sie ähnliche Auswirkungen haben wie die klassischen Formen. Entscheidend bleibt nicht die Bezeichnung, sondern das Ausmaß der Einschränkungen im täglichen Leben.
ARFID und massive Vermeidung von Nahrung
Bei der vermeidend-restriktiven Essstörung schränken extreme Abneigungen oder Ängste die Nahrungsaufnahme stark ein. Mangelernährung, soziale Isolation und eingeschränkte Selbstversorgung können auch bei Erwachsenen einen GdB rechtfertigen.
Psychische Krankheiten sind oft mit Ess-Störungen verbunden
Ess-Störungen treten selten isoliert auf und gehen häufig mit weiteren psychischen Erkrankungen einher. Andere psychische Erkrankungen können sowohl die Ursache wie auch eine Folge der Ess-Störung sein. Diese Begleiterkrankungen verstärken die Teilhabeeinschränkungen und prägen die GdB-Bewertung wesentlich mit.
Borderline und Essverhalten
Bei einer emotionalen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus verstärken Impulsivität, innere Spannungen und instabile Beziehungen das gestörte Essverhalten. Essanfälle, Selbstschädigung und starke Stimmungsschwankungen erschweren Arbeit und soziale Bindungen erheblich.
Depressionen und Ess-Störungen
Depressionen begleiten Ess-Störungen besonders häufig und verschärfen deren Verlauf. Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und sozialer Rückzug können die selbstständige Lebensführung deutlich einschränken.
Bipolarität, Zwangs- und Angststörungen
Auch bipolare Störungen beeinflussen das Essverhalten spürbar. Wechsel zwischen depressiven und manischen Phasen führen zu Instabilität, Kontrollverlust und erhöhter beruflicher sowie sozialer Gefährdung.
Bei Zwangsstörungen bestimmen rigide Regeln und Rituale den Alltag. Kalorienzwänge, Kontrollhandlungen und starre Essregeln binden Zeit und Energie und schränken Flexibilität und Teilhabe ein.
Angststörungen verstärken Ess-Störungen durch Vermeidungsverhalten und dauerhafte innere Anspannung. Die Angst vor Essen, Gewichtszunahme oder sozialer Bewertung führt häufig zu Isolation und Rückzug.
Körperliche Folgen fließen eigenständig in die Bewertung ein
Ess-Störungen verursachen häufig zusätzliche körperliche Schäden. Herzprobleme, Nierenleiden, Osteoporose, hormonelle Funktionsstörungen oder sexuelle Funktionsstörungen können jeweils einen eigenen Einzel-GdB rechtfertigen, wenn sie den Alltag messbar beeinträchtigen.
So entsteht der Gesamt-GdB
Ausgangspunkt ist die schwerste Beeinträchtigung. Das Amt bildet den Gesamt-GdB nicht durch ein schlichtes Zusammenzählen einzelner Einschränkungen. Ausgangspunkt ist immer die Funktionsstörung mit den schwersten Auswirkungen auf die gesellschaftliche Teilhabe.Weitere Erkrankungen erhöhen den GdB nur bei Mehrbelastung
Zusätzliche Erkrankungen wirken sich nur dann erhöhend aus, wenn sie die Einschränkungen im Alltag tatsächlich verstärken und nicht bereits in der Hauptstörung enthalten sind. Psychische Begleiterkrankungen werden dabei meist gemeinsam bewertet
Depressionen, Zwänge oder emotionale Instabilität fließen bei Ess-Störungen häufig in eine gemeinsame Bewertung ein und erhöhen den Gesamt-GdB nur bei eigenständigen Zusatzbelastungen.
Körperliche Folgeschäden können den Gesamt-GdB anheben
Erhebliche körperliche Schäden wie Herzprobleme oder Osteoporose können den Gesamt-GdB erhöhen, wenn sie die Belastbarkeit oder Selbstversorgung zusätzlich einschränken. Entscheidend ist dabei immer die tatsächliche Einschränkung im Alltag
Maßgeblich ist die konkrete Wirkung aller Beeinträchtigungen im täglichen Leben, nicht die Anzahl der Diagnosen. Entscheidend für einen Grad der Behinderung sind die Einschränkungen an der gesellschaftlichen Teilhabe, die Ursache für diese hat weniger Bedeutung.
Hinweise zur gezielten Begründung des Antrags bei Ess-Störungen
Alltagseinschränkungen konkret beschreiben: Viele Betroffene nennen nur Diagnosen, nicht aber die tatsächlichen Auswirkungen. Entscheidend ist, wie stark Erschöpfung, Konzentrationsprobleme, Rückzug oder Arbeitsausfälle den Alltag bestimmen.
Psychische Belastungen offen darstellen
Ess-Störungen gehen häufig mit der Tendenz einher, seelische Probleme zu verharmlosen. Dies ist oft sogar eine wesentliche Ursache der Erkrankung sowie ein Teil des Krankheitsbildes. Gerade Bulimie dient oft dazu, ursächliche Probleme nicht zu benennen, sondern zu verheimlichen. Ängste, Schuldgefühle, Zwänge oder depressive Phasen müssen jedoch im Antrag klar benannt werden.
Körperliche Folgen nicht aus Scham verschweigen
Gerade bei Bulimie werden körperliche Auswirkungen oft verborgen. Kreislaufprobleme, Elektrolytstörungen, Zahn- oder Speiseröhrenschäden sowie Herzrhythmusstörungen gehören in den Antrag.
Dies fällt schwer, da gerade Bulimie-Betroffene diese Folgen nicht nur vor anderen, sondern auch sich selbst gegenüber oft systematisch leugnen. Es ist aber notwendig, diese Leiden dem Versorgungsamt ehrlich mitzuteilen.
Therapieverlauf und Behandlungsbedarf schildern
Angaben zu stationären Aufenthalten, ambulanten Therapien, Rückfällen oder Therapieabbrüchen zeigen, dass die Erkrankung dauerhaft besteht. Diese Dauerhaftigket ist wichtig, damit die Behörde einen Grad der Behinderung anerkennt.
Einschränkungen im Berufsleben greifbar machen
Reduzierte Arbeitszeiten, häufige Fehlzeiten, Leistungsabfälle oder Konflikte am Arbeitsplatz sollten konkret beschrieben werden. Rückzug, Isolation und die Vermeidung gemeinsamer Mahlzeiten schränken die soziale Teilhabe erheblich ein und sind für die Bewertung zentral.
Eigene Schilderung ernst nehmen
Gerade bei Ess-Störungen ist eine eigene Darstellung des Alltags unabdingbar. Betroffene organisieren ihr tägliches Leben rund um die Erkrankung bis hin zu kleinsten Ritualen. Die Krankheit schränkt also ihren Alltag in diversen Lebensbereichen ein, die eine ärztliche Untersuchung nicht erfassen kann.
Die persönliche Darstellung der Betroffenen ergänzt also notwendig ärztliche Unterlagen. Wer beschönigt oder verschweigt, riskiert eine zu niedrige Feststellung des GdB.
Praxisbeispiele aus dem Alltag
Stefanie lebt seit Jahren mit Magersucht und kann ihren Beruf nur noch eingeschränkt ausüben. Die psychischen Belastungen führen zu einem anerkannten GdB von 50, auch ohne weitere anerkannte psychiatrische Diagnosen.
Düzen kämpft mit Bulimie und schweren Depressionen. Das Amt stellt einen GdB von 60 fest, da Erwerbstätigkeit und soziale Beziehungen gefährdet sind und die Krankheit sie erheblich in ihrem Alltag einschränkt.
Lina leidet an einer Binge-Eating-Störung mit starkem Übergewicht und Herzproblemen. Die Kombination der Folgen führt zu einem Gesamt-GdB von 40.
Thorsten entwickelt infolge seiner Ess-Störung anhaltende Potenzstörungen und zieht sich sozial zurück. Das Amt erkennt eine relevante Behinderung an. Marek lebt mit einer Ess-Störung und Autismus. Aufgrund erheblicher sozialer Anpassungsschwierigkeiten setzt das Amt einen hohen Gesamt-GdB fest.
FAQ zum Grad der Behinderung bei Ess-Störungen
Wird jede Ess-Störung als Behinderung anerkannt?
Nein, entscheidend sind die konkreten Auswirkungen auf Alltag und Teilhabe.
Ab wann gilt eine Schwerbehinderung?
Ab einem GdB von 50.
Werden psychische und körperliche Folgen zusammen bewertet?
Ja, jedoch ohne einfache Addition.
Ist ein GdB Voraussetzung für Eingliederungshilfe?
Nein, Eingliederungshilfe ist auch ohne festgestellten GdB möglich.
Kann der GdB später erhöht werden?
Ja, bei einer nachweisbaren Verschlechterung.
Fazit
Ess-Störungen können eine anerkannte Behinderung darstellen, wenn sie die gesellschaftliche Teilhabe dauerhaft einschränken. Entscheidend ist nicht die Diagnose, sondern die Gesamtheit der psychischen und körperlichen Folgen. Ab einem GdB von 50 besteht Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis und auf wichtige Nachteilsausgleiche.




