Bürgergeld: Hohe Strom-Abschlagszahlungen und Nachforderungen beim Jobcenter beantragen

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Viele Stromversorger haben wieder begonnen, deutlich höhere Abschlagszahlungen für Strom zu verlangen. Besonders betroffen sind Menschen, die Bürgergeld- oder Sozialhilfe beziehen. Denn sie müssen den Strom aus dem Regelsatz bezahlen. Dieser kleine Ratgeber soll helfen, die Strompreise “irgendwie” in den Griff zu bekommen.

Strom muss aus den Regelleistungen gezahlt werden

Strom muss im Gegensatz zu den Heizkosten aus den laufenden Regelleistungen bezahlt werden. Solange der Gesetzgeber keine echte Regelsatzerhöhung oder laufende Energiebeihilfen in bedarfsdeckender Höhe vorsieht, stehen nur die derzeit geltenden sozialrechtlichen Hilfen zur Verfügung.

Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der gestiegenen Stromkosten nahezu alle Haushalte in Deutschland mit Nachforderungen und erhöhten Abschlagszahlungen der Energieversorger rechnen müssen.

Nachforderungen des Stromanbieters: Zunächst ein Darlehen beim Jobcenter beantragen

Bei Nachforderungen der Stromversorger sollten Betroffene zunächst ein Darlehen beim Jobcenter nach § 24 Abs. 1 SGB II/§ 37 Abs. 1 SGB XII beantragen. Ein solches Darlehen wird in den Folgemonaten mit 10 Prozent der Regelleistung des Darlehensnehmers mit der zustehenden Bürgergeld-Leistung aufgerechnet. Im SGB XII beträgt die Aufrechnungshöhe bis zu 5 Prozent des Eckregelsatzes.

Umwandlung des Darlehens in eine Beihilfe beantragen

Wurde das Darlehen seitens des Jobcenters gewährt, kann im SGB II eine Umwandlung des Darlehens in eine Beihilfe nach § 44 SGB II beantragt werden, weil die Rückforderung „angesichts außergewöhnlicher Preissteigerungen bei einer derart gewichtigen Ausgabeposition“ eine unbillige Härte darstellen würde.

Die Bundesregierung hat nämlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (AZ: 1 BvL10/12, Rn. 144), dass in Situationen steigende Preise eine außerplanmäßige Erhöhung der Regelbedarfe anmahnt, bislang nicht umgesetzt.

Nachforderungen der Stromanbieter bei Sozialhilfe: Antrag auf dauerhafte Stundung stellen

Im SGB XII ist in dieser Konstellation nur ein Antrag auf dauerhafte Stundung möglich (Aufrechnung mit bis zu 5 Prozent des Regelbedarfs, § 37 Abs. 4 SGB XII; analog der BMAS-Weisung für die Kostenübernahme digitale Endgeräte für den Distanzunterricht vom Februar 2021).

Möglich wäre im SGB II bei einer höheren einmaligen Nachforderung für Strom auch ein Antrag auf eine Beihilfe nach § 21 Abs. 6 SGB II (Härtefallmehrbedarf) möglich, wenn ein Darlehen nach 24 Abs. 1 SGB II wegen der Höhe der Nachforderung „ausnahmsweise nicht zumutbar“ ist.

Hohe Abschlagszahlungen: Antrag auf Härtefallbeihilfe nach § 21 Abs. 6 SGB II

Auch ist damit zu rechnen, dass die Abschlagszahlungen an die Stromversorger sich deutlich erhöhen. Schon jetzt berichten viele Leistungsbeziehende, von ihren Stromversorgern eine Aufforderung bzw. Ankündigung erhalten zu haben.

Auch hier wäre bei laufenden Abschlagszahlungen, die sehr stark von den im Regelsatz vorgesehenen Strombedarfen abweichen, ein Antrag auf eine solche Härtefallbeihilfe nach § 21 Abs. 6 SGB II möglich. Bei laufenden Bedarfen sind die Anforderungen zur Gewährung des Härtefallmehrbedarfs geringer als bei einmaligen Bedarfen.

Die Sozialhilfe kennt keine Härtefallmehrbedarfe

Das Nachsehen haben allerdings Sozialhilfe-Bezieher. Das SGB XII kennt keine entsprechende Regelung für einmalige Härtefallmehrbedarfe. Betroffene können lediglich erheblich gestiegene Abschlagszahlungen über eine flexible Erhöhung des Regelsatzes nach § 27a Abs. 4 SGB XII realisieren.

Ob hier aus verfassungsrechtlichen Erwägungen auch im SGB XII einmalige Bedarfe über die abweichende Festsetzung der Regelsätze zu realisieren sind, wird lediglich mittelfristig über den Klageweg vor den Sozialgerichten geklärt werden können.

Klageweg wird wahrscheinlich Abhilfe schaffen

Die schlechte Nachricht ist, dass davon auszugehen ist, dass die Jobcenter als auch die Sozialämter trotz massiv steigender Strompreise die Härtefallregelung bzw. die flexible Erhöhung der Regelsätze nicht stattgeben werden.

Leistungsbeziehende müssen demnach bereits sein, solche Ansprüche vor Gericht durchzusetzen. Es ist aber davon auszugehen, dass zahlreiche Betroffene sich nicht scheuen werden, die Gerichte anzurufen, um entsprechende Hilfen einzuklagen.

Wohngeld und Kinderzuschlag Bezieher sollten Hartz IV-Antrag bei hoher Nachzahlung stellen

Einkommensschwache Haushalte, die aufgrund hoher Nachzahlungen unter das Bürgergeld-Niveau fallen, Bezieher von Wohngeld und Kinderzuschlag oder auch Bezieher von Ausbildungsleistungen können in dem Monat der hohen Nachzahlung einen Antrag auf SGB II Leistungen stellen.

Voraussetzung dafür wäre jedoch die beschriebene Anerkennung der erhöhten Stromkosten im Rahmen der Härtefallmehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II bzw. über eine abweichende Festsetzung des Regesatzes nach § 27a Abs. 4 SGB XII.

Allerdings werden auch hier die Jobcenter sehr wahrscheinlich die Bedarfe nicht anerkennen, weshalb auch hier die Betroffenen den Klageweg beschreiten sollten, um Ansprüche durchzusetzen.

Die Chancen sind gut

Insgesamt sind die Chancen aufgrund des zitierten Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht schlecht. Allerdings müssen Betroffene bereit sein, den Klageweg zu beschreiten, solange die Bundesregierung nicht für bedarfsdeckende Regelleistungen sorgt.

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