Politisch gewollte Armut?

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Berthold Bronisz: Nach dem in Köln-Ehrenfeld wieder ein weiteres Geschäftsmodell auf dem Rücken unter Armut leidender Menschen etabliert wird, stellt sich die Frage, ob die Armut nicht tatsächlich politisch gewollt ist.

Sicher. Armut gibt es nicht erst seit Inkrafttreten des vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, welches besser als "Hartz IV" bekannt ist. Aber nur selten in der Geschichte Deutschlands war ein Gesetz so umstritten wie eben "Hartz IV". Und kein anderes Gesetz wurde so oft korrigiert wie Hartz IV. Übrigens immer zum Nachteil der Betroffenen.

Was aber macht es so deutlich, dass diese Armut, die es in einem reichen Land wie Deutschland eigentlich nicht geben dürfte, politisch gewollt und wirtschaftlich vielleicht notwendig ist? Die Antwort ist offenkundig.

Mit Inkrafttreten von Hartz IV im Jahre 2005 wurde das komplette Sozialsystem vom Kopf auf die Füße gestellt. Es wurden gesetzliche Regelungen geschaffen die für die Betroffenen existenzbedrohend sind. Gesetzliche Regelungen, die nichts anderes als Erpressungsszenarien sind, um lohnabhängig Beschäftigte in niedrige Löhne und Gehälter zu pressen. Das Ziel ist also nicht, primär Betroffene zu schikanieren, sondern im Kern Löhne zu drücken und bei Arbeitern und Angestellten die Angst zu erzeugen ebenfalls in Hartz IV zu fallen und die Schikanen selber Garanten für Niedriglöhne – Jobcenter Garanten für Niedriglöhne – erleiden zu müssen. Betroffene von Hartz IV sind also nur die Kulisse mit der man zeigen kann, wie es jemanden ergeht der sich gegen niedrige Löhne und befristete Beschäftigung wehrt. Damit hat die damalige rot-grüne Regierung unter Schröder und Fischer ein Angstsystem geschaffen, dass es so in Deutschland noch nicht gegeben hat.

Weil schon zu Beginn der Diskussionen um die Hartz-Gesetzgebung lautstarke Kritik geäußert wurde bediente man sich eines Tricks, um Kritiker und Volk gleichermaßen ruhig zu stellen. Man erzählte das Märchen vom faulen Arbeitslosen, heute übrigens den stets Regelsatz versaufenden Arbeitslosen, um ihn als Sau durch ‘s Dorf oder besser den Springer-Medien zu jagen. Ein Trick, der nicht nur sehr alt ist, sondern auch offensichtlich immer zu funktionieren scheint. Was es mit diesem "faulen Arbeitslosen" aber tatsächlich auf sich hat, kann auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung nachgelesen werden.

Es wurde immer behauptet, dass Hartz IV die Menschen in Arbeit bringen und Arbeitsplätze schaffen würde. Tatsächlich ist das auch so. Doch es sind die oben angesprochenen Niedriglohnbereiche die geschaffen wurden und in denen man, gerne auch unter Androhung existenzbedrohender Sanktionen, arbeiten muss. Konkreter. Vollzeit und dennoch aufstocken ist heute die Regel im Arbeitsmarkt. Da dies aber die Arbeitslosenquote noch nicht so senkt wie es die Regierung sich wünscht, parkt man Erwerbslose gerne auch in sinnlose Maßnahmen. Auch wieder gerne unter Androhung existenzbedrohender Sanktionen. Auch in diesen Bereichen hat sich also ein "Arbeitsmarkt" etabliert. Davon profitieren aber eben nicht die Erwerbslosen, sondern größtenteils dubiose Trägergesellschaften die sich auf dem Rücken Betroffener eine goldene Nase verdienen möchten. Finanziert werden sie nicht durch die Wirtschaft und Industrie, sondern durch den Steuerzahler. Eine klassische WIN-WIN-Situation für Regierung und Trägergesellschaften, welche dafür sorgen, dass die geparkten Erwerbslosen aus den Statistiken verschwinden.

Machen wir eine kleine Zeitreise. Im Jahr 2005 brüstete sich der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder damit, dass er den zweitgrößten Niedriglohnsektor in Europa geschaffen hat. So sagte er auf dem World Economic Forum in Davos: "… Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt." Heute haben wir den größten Niedriglohnsektor in Europa.

Dieses System verschont aber auch nicht die Menschen, die in diesem Angstsystem beschäftigt sind. Mehrheitlich haben Beschäftige der ehemaligen Argen und jetzigen Jobcenter befristete Verträge. Erfüllt man bestimmte Vorgaben, z.B. die Sanktionsquote, nicht, läuft man Gefahr plötzlich auf der anderen Seite des Schreibtisches zu stehen. Wir haben mit Hartz IV also ein Angstsystem das im negativen Sinne perfekt funktioniert und klug ausgedacht wurde.

Immer wird bestritten, dass es eine Sanktionsquote geben würde. Ein Skandal, der als solcher allerdings nur mehrheitlich von den Betroffenen wahrgenommen wurde, offenbarte sich im letzten Jahr, als herauskam, dass die Geschäftsführer der Jobcenter bis zu 4000 € Prämie kassieren würden, wenn sie "Hartz IV Empfänger" knallhart bestrafen. Was in Berlin funktioniert kann in anderen Städten nicht falsch sein und so kann man davon ausgehen, dass es auch in anderen Städten nicht anders ist.

Warum die Armut also politisch gewollt und wirtschaftlich notwendig ist sollte nun deutlicher geworden sein. Am aktuellen Beispiel des sog. "flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohnes" wird es sogar noch plastischer. Für 6 Monate sollen Hartz IV Empfänger vom Mindestlohn ausgenommen werden. Vermutlich werden Unternehmen nun befristete Arbeitsverträge von 6 Monaten abschließen und dann den nächsten Betroffenen, natürlich unter Androhung von Sanktionen, zu einem Niedriglohn einstellen. Geil, nicht wahr? (Berthold Bronisz)

Bild: Melling liudmila / pixelio.de

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