Pauschaler Verweis des Jobcenters auf Selbsthilfe bei Umzug ist rechtswidrig
Werden Hartz IV-Bezieher dazu aufgefordert, ihre Unterkunftskosten durch einen Umzug zu senken, können die Umzugskosten nach vorheriger Zusicherung gemäß § 22 Abs. 6 SGB II vom Jobcenter übernommen werden. Das gilt auch, wenn ein Umzug aus anderen Gründen notwendig geworden ist. Immer wieder werden Leistungsbezieher jedoch von den Jobcentern damit abgespeist, dass sie den Umzug selbst mit Hilfe von Freunden und Verwandten durchführen könnten, um Kosten zu sparen. Rechtsanwalt Helge Hildebrandt von der Sozialberatung Kiel erläutert die rechtliche Situation zum Thema Hartz IV und Umzugskosten.
Anmietung und Fahren von Umzugsfahrzeugen erfordert Mindestalter
Hildebrand zitiert aus den Grundsätzen zur Erbringen städtischer Leistungen der Stadt Kiel wie folgt: „Umzüge sind durch den/die Hilfesuchende in eigener Organisation durchzuführen. Es wird davon ausgegangen, dass die Unterstützung von Freunden, Bekannten und Verwandten in Anspruch genommen wird. Sollte hierzu ein besonderer Umzugswagen zum Selbstfahren erforderlich sein, so sind entsprechende Angebote von Autovermietungen vorzulegen (in der Regel drei Kostenvoranschläge). Für das günstigste Angebot ist eine Beihilfe zu gewähren. Auf Antrag ist eine Pauschale in Höhe von 50 € zu bewilligen, damit der/die Hilfesuchende die erhaltene Unterstützung auch anerkennen kann.”
Die 38. Kammer am Sozialgericht (SG) Kiel wies im Rahmen eines Verfahrens (Aktenzeichen: S 38 AS 1328/11) nun daraufhin, dass diese Praxis zweifelhaft ist. So sah es das Gericht als problematisch an, dass das beklagte Jobcenter vom Kläger die Durchführung eines Umzugs ohne Hilfe durch ein Umzugsunternehmen verlangte. Schon das Fahren eines Umzugswagens erfordere ein Mindestalter. Es sei zudem nicht ersichtlich, ob der Kläger über eine Fahrerlaubnis verfügte und ein entsprechendes Fahrzeug hätte führen dürfen. „Eine Vermietung von Fahrzeugen durch kommerzielle Fahrzeugvermietungen erfolgt in der Regel erst an Personen mit einem gewissen Mindestalter bzw. ab einer bestimmten Mindestdauer an Fahrpraxis. Dies gilt insbesondere für größere Fahrzeuge, die zur Durchführung eines Umzuges erforderlich und geeignet sind”, zitiert Hildebrand das Gericht. „Es erscheint weiter fraglich, ob die Kläger hinsichtlich des Fahrens eines Umzugsfahrzeugs auf die Hilfe von Verwandten oder Freunden verwiesen werden konnten. Auch von Verwandten oder Freunden dürfte grundsätzlich nicht zu erwarten sein, dass sie sich für den Umzug eines Anderen den Haftungsrisiken der §§ 18, 7 StVG aussetzen.”
Jobcenter muss mindestens Kosten für Umzugsfahrzeug und Fahrer übernehmen
Das SG bewertete mindestens die Kosten für einen Fahrer als notwendig, die auch die Arbeitszeit für die Beladung des Fahrzeugs einschließen, da dieser nach § 22 Abs. 1 StVO für die Sicherung der Ladung verantwortlich ist. Auch die Kosten für die Entladezeit als Arbeitszeit des Fahrers müssten übernommen werden, da der Fahrer währenddessen keine andere Tätigkeit ausüben könne. „Da die Umzugszeit insgesamt einen Umfang nicht überschritten hat, in dem der Fahrer an einem anderen Ort hatte eingesetzt werden können, dürfte eine Bezahlung des Fahrer für die gesamte Umzugszeit erforderlich gewesen sein, wobei er in den Zeiten, in denen er nicht seinen gesonderten, vorstehend dargestellten Pflichten nachkam, als Träger zur Verfügung gestanden haben dürfte”, so das SG. Es sei im Einzelfall zu prüfen, ob weitere Kosten zu übernehmen seien, insbesondere für Helfer.
Hildebrandt rät Hartz IV-Beziehern, denen die Umzugskostenübernahme vom Jobcenter verweigert wird, rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen. Die Weisungslage des Jobcenters Kiel hinsichtlich der Umzugskosten sei häufig rechtswidrig. (ag)
Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
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