Hartz IV gleich Verlust der Staatsbürgerrechte?

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Verlust des Arbeitsplatzes gleich Verlust der Staatsbürgerrechte?
Aus einem Schreiben an die ARGE zu den sogenannten "Eingliederungsvereinbarungen", die man AlGII-Empfänger unterzeichen muß

Ich soll mich verpflichten

„Bitte beachten Sie, dass für einen Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches vorab immer die Zustimmung ihres persönlichen Ansprechpartners benötigt wird.“ … „Bei einer unangemeldeten oder unerlaubten Ortsabwesenheit entfällt mit dem ersten Tag der Ortsabwesenheit ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld II, auch bei nachträglichem bekannt werden.“ (S. 3)

Diese Passagen enthalten eine Art Residenzpflicht und zersetzen meine Rechte als freie Bürgerin dieses Staates, schränken meine Bewegungsfreiheit ein und entbehren jeder verfassungsrechtlichen Grundlage. Sie sind außerdem schwammig formuliert und enthalten keine Hinweise über Hintergrund und Sinn einer solchen Forderung.

Eine Residenzpflicht gab es zur NS-Zeit und diese regelte den Aufenthalt von Bürgern, denen man die Bürgerrechte komplett entzogen hatte, denen man das Recht entzogen hatte, Menschen zu sein. Ein Verlassen des Wohnortes war nur mit Zustimmung von Behörden erlaubt, Zuwiderhandlungen wurden streng geahndet. Diese Residenzpflicht wird für Asylbewerber bis heute fortgeführt, die ihren Wohnort ohne Genehmigung nicht verlassen dürfen! Auch in dem hier vorliegenden Formular der Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigungsförderung Goslar wird ein Verstoß mit dem kompletten Wegfall der Leistungen bestraft!

Da man mit dem viel zu niedrigen Regelsatz von 351,- Euro ohnehin nicht mehr am gesellschaftlichen und nur eingeschränkt am sozialen und politischen Leben teilnehmen kann (zum Vergleich: in Holland beträgt der Regelsatz ca. 1000,- Euro und davon muss dann alles selbst bestritten werden), so kommt eine zusätzliche räumliche Beschränkung einer völligen Ghettoisierung gleich.

Besonders in sogenannten „Arbeitsgelegenheiten mit Aufwandsentschädigung“ wird dies deutlich. Hier handelt es sich um eine Art Schein-Arbeitsplatz, an dem man vom Staat überwacht zur Arbeit gezwungen werden kann, keinerlei Rechte im Sinne des Arbeitnehmertums hat, kein klares Gehalt bezieht und keine Krankengeldanspruch für die sog. „Aufwandsentschädigung“ besteht und keine Urlaubsgeld- oder Rentenzahlungen geleistet werden. Betriebsräte oder andere Ansprechpartner, die Rechte schützen oder Rechtsverletzungen ahnden, gibt es nicht. Qualifiziertes Personal muß es auch nicht mehr geben. Stattdessen zahlen der Staat bzw. die Arbeitsämter für jeden vermittelten Hilfsarbeiter in diese „Arbeitsgelegenheiten“ eine nicht geringe Pauschale zur Deckung der Unkosten an die Einrichtung, die den entrechteten Bediensteten „beschäftigt“. Mit diesen Pauschalen versuchen inzwischen viele Organisationen, Einrichtungen, Bildungsträger etc., ihre finanzielle Lage aufzubessern, kann man doch für ca. 5 1-Euro-Jobber Pauschalen in 5-stelliger Höhe erwarten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es hier weder Mindeststandards noch Qualifizierung oder Betreuung gibt. Das bedeutet de facto oft, dass man seine Zeit absitzt , damit der Träger sein Geld kriegt.

Es ist nicht hinzunehmen, dass ich mit dem Verlust meines Arbeitsplatzes auch gleich noch meine Bürgerrechte verliere! Und es ist auch verfassungswidrig, dass der Staat, weil er für einen unverschuldet in Not gekommenen Staatsbürger finanziell aufkommt, immer ausgedehntere Kontrollansprüche über diesen geltend macht. Ich fühle mich, als wäre ich eine Art Staatseigentum geworden, als dürfe man sich meiner bedienen, wann immer man will!

Dies ist besonders für Frauen, die wir uns seit Jahrtausenden gegen die Vereinnahmung und Entrechtung in einer patriarchalisch organisierten Welt zur Wehr setzen müssen, nicht akzeptabel! Ich bin gern bereit, mit politischen Mittel und großem Engagement alles zu tun, um meine Arbeitslosigkeit zu beenden, aber ich werde nicht an meiner Entrechtung mitwirken.Die berühmte schweigende Mehrheit duldet diese Zustände nicht zuletzt deshalb, weil sie das zusätzliche Geld der 1-Eurojobs dringend benötigt und weil nicht jeder es aushält, den ganzen Tag grübelnd allein zuhause zu sitzen.

Wenn allerdings so viele Menschen auf den Straßen um ihre Staatsbürgerrechte kämpfen würden, wie zur Fußball-EM unterwegs waren, dann gäbe es vielleicht noch Hoffnung – wenigstens für die Zukunft unserer Kinder…(ein Leserbeitrag von Barbara Ehrt, 10.07.2008)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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