Sozialhilfe: Mietzahlung bei Schwerbehinderung auch ohne eine Miete

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Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen gab einem schwerhinderten Sozialhilfe-Bezieher Recht, dass ihm die Unterkunftskosten zu zahlen seien, obwohl er keine Miete gezahlt hatte.

Die Kosten der Unterkunft sind zu zahlen

Die Behรถrde war zuvor in Berufung gegangen, nachdem das Sozialgericht sie dazu verurteilt hatte, bei der “einen monatlichen Bedarf fรผr Kosten der Unterkunft in Hรถhe von 205,07 โ‚ฌ (…) anzuerkennen und dem Klรคger entsprechend hรถhere Sozialhilfe nachzuzahlen.” (Az: L 9 SO 519/21)

Wie ist der Tatbestand?

Der Klรคger hat eine Trisomie 21 sowie einen Pflegegrad von 4 und einen Grad der Behinderung von 100. Er lebt in einem Einfamilienhaus mit seinen Eltern in 2,5 Zimmern.

Der Betroffene beantragte bei der Beklagten Grundsicherung nach dem SGB XII (Sozialhilfe). Er ist seit seiner Geburt voll erwerbsgemindert und verfรผgt weder รผber Einkommen noch Vermรถgen.

Die Behรถrde (der Beklagte) bewilligte Grundsicherung von Mรคrz bis Dezember 2020 monatlich 614,29 Euro (Regelsatz 432 Euro, Mehrbedarf 73,44 Euro, Unterkunftskosten 108,85 Euro).

Streitpunkt sind die Unterkunftskosten

Die Unterkunft berechnete die Behรถrde nach den angemessenen Kosten fรผr einen Zweipersonenhaushalt (506,35 Euro) und einem Dreipersonenhaushalt (615,20 Euro). Dagegen legte der Betroffene Widerspruch ein und verlangte, Unterkunftskosten in Hรถhe des Mietvertrags zu bekommen.

Mietvertrag ohne Mietzahlung

Der Mietvertrag ist zwar formal mit den Eltern geschlossen, aber der Betroffene zahlte die Miete nicht. Die zustรคndige Stรคdteregion wies den Widerspruch zurรผck: “Der Klรคger sei nicht zu Mietzahlungen verpflichtet, da der Mietvertrag nie vollzogen worden und lediglich abgeschlossen worden sei, um Sozialhilfe zu erlangen. Die Unterkunftskosten seien daher auf der Grundlage des ยง 42a Abs. 3 SGB XII zu bewilligen, daraus folge ein Anspruch iHv monatlich 108,85 Euro.”

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Klage wegen รœbernahme der Mietkosten

Der Betroffene zog jetzt vor das Sozialgericht und machte einen Anspruch auf รœbernahme der Unterkunfts- und Heizkosten entsprechend dem Mietvertrag. Das Sozialgericht wies ihn darauf hin, dass er nur ein Drittel der angemessenen Kosten fรผr einen Dreipersonenhaushalt monatlich 615,20 Euro (205,07 Euro) beanspruchen kรถnnte.

Der Beklagte wurde verurteilt 205.07 Euro statt 108,85 Euro Mietkosten nachzuzahlen. Die Behรถrde sei wegen des Mietvertrages zur Tragung von Unterkunfts- und Heizkosten verpflichtet.

Das Berufungsverfahren bestรคtigt das Urteil

Der Beklagte legte Berufung ein, mit der Begrรผndung, der Klรคger habe die Vergangenheit nicht gezahlt, und die Mietforderung sei nicht ernst zu nehmen.

Das Landesgericht bestรคtigte jedoch das Urteil des Sozialgerichtes. Ein pauschalierter Anspruch schlieรŸe hรถhere Unterkunftskosten nicht aus, wenn wirksame vertragliche Vereinbarungen nachweisbar seien. Der Klรคger hรคtte Miete zahlen wollen, verfรผgte dann aber nicht รผber die Mittel. Es handle sich nicht um ein Scheingeschรคft.

Beteiligung an Unterhaltskosten ist รผblich

Das Gericht schrieb: “Es ist auch bei (…) nichtbehinderten Kindern durchaus รผblich, eine Beteiligung an den Unterkunftskosten zu fordern (…). Es ist kein Grund ersichtlich, Eltern von behinderten Kindern diese Mรถglichkeit nicht zu geben.”

Ein Mietvertrag reicht aus

Es sei ausreichend, “dass die leistungsberechtigte Person mit dem Vermieter der Wohnung oder einem anderen Mieter einen gesonderten Mietvertrag (…) abgeschlossen hat (BT-Drs. 18/9984, S. 94). Das ist hier der Fall.”

Auch Eltern kรถnnen Vermieter sein

Dass die Vermieter die Eltern sind, stรผnde den Unterkunftskosten nicht entgegen: “Nur diese Mรถglichkeit wirkt einer (…) Diskriminierung (…) entgegen. Wรคre der Klรคger nicht aufgrund seiner Behinderung erwerbsgemindert, kรถnnte er bei Hilfebedรผrftigkeit Leistungen nach dem SGB II (Bรผrgergeld) beanspruchen.”