Von der Einkommensanrechnung des Leistungsberechtigten ausgenommen ist nicht das an das außerhalb des Haushalts lebende volljährige Kind weitergeleitete Kindergeld.
Denn ein Abfluss durch Barabhebungen der Kindergeldberechtigten und die behauptete, aber nicht belegte Verwendung für das Kind oder ein Verbrauch im Rahmen der allgemeinen Lebens- und Haushaltsführung genügt nicht ( Orientierungssatz Detlef Brock )
Leitet die Kindergeldberechtigte das an sie gezahlte Kindergeld für ein volljähriges und nicht in ihrem Haushalt lebendes Kind nicht so an das Kind weiter, dass es von den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln separiert wird und von dem Kind zur Deckung seiner Bedarfe eingesetzt werden kann (zB durch Überweisung auf dessen Konto), liegt kein nachweisliches Weiterleiten an das Kind vor ( so das LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 31.07.2024 – L 4 AS 518/20 – ).
„Weiterleiten an das Kind“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 8 ALG II-V bedeutet, dass das Kindergeld so in den Verfügungsbereich des (volljährigen) Kindes oder der Person, die sich um die Angelegenheiten des Kindes kümmert, gelangt, dass es zur Existenzsicherung des Kindes, das heißt zur Deckung seiner Bedarfe eingesetzt werden kann ( BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 81/12 R – ).
Die von der Mutter pauschal vorgetragene, aber nicht konkretisierte oder belegte Verwendung des Kindergelds für den Sohn betrifft weit überwiegend dessen Bedarfe, die bereits im Rahmen der SGB XII-Leistungen berücksichtigt sind:
So ist beispielsweise Bekleidung grundsätzlich aus der bewilligten Bekleidungsbeihilfe zu beschaffen.
Fazit
Die Mutter hat das Kindergeld nicht an ihren Sohn weitergeleitet; insbesondere wurde es nicht von ihrem Konto auf das Konto des Sohns transferiert und nachweislich ausschließlich für ihn verwandt.
Weder sind der monatliche Gesamtbetrag noch Teilbeträge des Kindergelds direkt an den Sohn (mittels Dauerauftrag) überwiesen worden, noch ist belegt, dass die Mutter Teile des Kindergelds unmittelbar für die grundlegende soziokulturelle Existenzsicherung ihres Sohns eingesetzt hätte.
Daher bleibt das Kindergeld, das nicht nachweislich an den nicht im Haushalt der Klägerin lebenden Sohn weitergeleitet wurde, Einkommen der Klägerin – der Mutter
Wann hat die Rechtsprechung eine Weiterleitung des Kindergeldes an das nicht im Haushalt des Leistungsberechtigten lebende volljährige Kind bejaht
Zum Bsp., wenn
Das Weiterleiten des Kindergeldes kann auch dadurch erfolgen, dass ein Teil des Gelds auf das Bankkonto des Kinds überwiesen und der andere Teil unmittelbar für die grundlegende soziokulturelle Existenzsicherung (zum Beispiel durch Zahlung der Stromabschläge an den Versorger) eingesetzt wird ( LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 16.11.2023 – L 4 AS 524/21 B – ).
Eine Weiterleitung des Kindergeldes an das nicht im Haushalt des Leistungsempfängers lebende Kind iS von § 1 Abs 1 Nr 8 Alg II-V (juris: AlgIIV 2008) ist auch dann gegeben, wenn der Leistungsberechtigte – im Einvernehmen mit dem Kind – mit dem auf seinem Konto eingegangenen Kindergeld regelmäßig die (das Kindergeld übersteigende) Miete für die eigene Wohnung des Kindes zahlt.
Dies gilt auch für sonstige Direktzahlungen des Leistungsberechtigten auf Verbindlichkeiten des Kindes, die dessen soziokultureller Existenzsicherung (einschließlich des Ausbildungsbedarfs) dienen, wie beispielsweise für Stromkosten oder Studiengebühren ( LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19.10.2016 – L 4 AS 22/15 – ) .
” Von einer Weiterleitung“ kann nur gesprochen werden, wenn diese zeitnah innerhalb eines Monats nach Auszahlung oder Überweisung des Kindergeldes erfolgt ( Sächs. LSG, Beschluss vom 18. Juli 2012, – L 3 AS 148/12 B ER -, a. Auffassung SG Kiel, Sitzungsprotokoll vom 23.01.2019 – S 38 AS 638/17 –
Dazu RA Helge Hildebrandt, Kiel:
Der Wortlaut von § 1 Abs. 1 Nr. 8 der ALG II-VO trifft keine Aussage darüber, bis wann das Kindergeld weitergeleitet worden sein muss. Eine Anrechnung scheidet jedenfalls bei zeitnaher Weiterleitung aus.
Die Weiterleitung muss nicht noch im Monat der Überweisung durch die Familienkasse, also im Zuflussmonat, erfolgen.
Einer Weiterleitung an das Kind steht eine Weiterleitung an den Träger der Jugendhilfe aufgrund eines Heranziehungsbescheides gleich.
Zum SGB XII- Sozialhilfe – Sozialgericht Osnabrück, Beschluss v. 04.02.2016 – S 5 SO 226/15 ER –
Kindergeld ist sozialhilferechtlich grundsätzlich eine Einnahme dessen, an den es (als Leistungs- oder Abzweigungsberechtigten) ausgezahlt wird.
Das an ein Elternteil als Kindergeldberechtigten ausgezahlte Kindergeld ist nur als Einkommen des volljährigen, außerhalb des Haushaltes lebenden Kindes zu berücksichtigen, soweit es ihm zeitnah (innerhalb eines Monats nach Auszahlung bzw. Überweisung des Kindergeldes) zugewendet wird und ohne die “Weiterleitung” des Kindergeldes die Voraussetzungen des § 74 EStG für eine Abzweigung des Kindergeldes vorliegen würden (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 – B 8/9b SO 23/06 R).
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.