Bürgergeld: Jobcenter müssen Fax akzeptieren

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Immer mehr Jobcenter gehen dazu über, ihre Fax-Geräte abzustellen. Dabei hat ein Sozialgericht bereits geurteilt, dass Fax-Geräte in der Übermittlung beweissicher sind.

Zwischen De-Mail, verschlüsselter E-Post und eID-Identifizierung wirkt das gute alte Fax wie ein technisches Fossil. Gleichwohl hat der Streifen Thermopapier im Verwaltungsrecht noch immer hohen Rang: Wer einen Sendebericht mit dem Vermerk „Versand erfolgreich“ („OK“) vorlegen kann, darf grundsätzlich davon ausgehen, dass sein Schriftstück die Behörde erreicht hat.

Dass sich eine Behörde nicht ohne Weiteres über diesen Anscheinsbeweis hinwegsetzen darf, hat das Sozialgericht Cottbus in einer Entscheidung (Az. S 10 AS 61/21) klargestellt.

Der konkrete Fall vor dem Sozialgericht Cottbus

Ein Bürgergeld-Empfänger wollte seinen früheren Hartz-IV-Bewilligungsbescheid für den Zeitraum Oktober 2019 bis September 2020 nachträglich überprüfen lassen.

Sein Anwalt sandte dazu am 4. Mai 2020 einen Überprüfungsantrag per Fax an das zuständige Jobcenter. Obwohl der Faxbericht den Status „Versand erfolgreich“ auswies, blieb jede Reaktion aus.

Mehr als drei Jahre später musste der Betroffene Untätigkeitsklage erheben – gestützt auf § 88 Sozialgerichtsgesetz, der Behörden grundsätzlich eine Entscheidungsfrist von sechs Monaten setzt.

Erst während der Verhandlung trug das Jobcenter vor, der vorgelegte Sendebericht belege den Zugang nicht; erforderlich sei vielmehr das vollständige Fax-Ausgangsjournal. Das Gericht ließ diese Argumentation nicht gelten und gab der Klage statt.

Das Argument der Behörde und die Erwiderung des Gerichts

Das Jobcenter bestritt nicht, dass die Faxnummer korrekt war, sondern zweifelte pauschal den Zugang des Schreibens an. Ein einfacher Sendebericht, so die Behörde, beweise lediglich die Verbindung zweier Leitungen, nicht aber die Übermittlung eines konkreten Inhalts. Das Sozialgericht Cottbus hielt dagegen: Der „OK-Vermerk“ indiziere hinreichend, dass sich das Dokument in den Empfangsbereich des Empfängers begeben habe.

Selbst wenn ein Fax später nicht ausgedruckt werde – etwa wegen Papierstau oder menschlichen Fehlers – sei es bei erfolgreicher Übertragung im Speicher des Empfangsgeräts angekommen und damit rechtlich zugegangen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fax trotz positivem Sendebericht nicht ankommt, tendiere „gegen Null“, zitierte das Gericht eine gefestigte obergerichtliche Linie.

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Bedeutung des Fax-Sendeberichts als Anscheinsbeweis

Mit seiner Entscheidung stärkt das Gericht den sogenannten sekundären Darlegungslastansatz: Liegt ein ordnungsgemäßer Sendebericht vor, muss die Behörde substantiiert darlegen – gegebenenfalls durch Vorlage eigener Empfangsjournale –, warum das Fax gleichwohl nicht eingegangen sein soll. Andernfalls gilt der Zugang als bewiesen.

Der Bürge­r- und Rechtsstaat verlangt es hier, dass die technisch besser ausgestattete Behörde in ihrer Sphäre Klarheit schafft; der Bürger hat sein Möglichstes getan.

Untätigkeitsklage: Rechte und Fristen für Leistungsberechtigte

Wer feststellt, dass das Jobcenter auch nach Erinnerung nicht entscheidet, sollte die Sechs-Monats-Frist im Blick behalten. Während der Untätigkeitsklage prüft das Gericht nicht nur den Zugang, sondern auch, ob das Amt „ohne zureichenden Grund“ untätig blieb. Dreht sich die Behörde erst im Prozess, kann sie die Gerichtskosten gleichwohl nicht vermeiden; sie hat die Verzögerung verursacht.

Konsequenzen für Jobcenter und Verwaltungspraxis

Die Entscheidung mahnt Jobcenter, interne Prozesse an den Stand der Technik anzupassen. Faxgeräte mögen anachronistisch sein, doch solange sie von den Behörden selbst als Kommunikationsweg angeboten werden, tragen diese die Verantwortung für einen lückenlosen Eingangsnachweis.

Schleppende Digitalisierung kann nicht zulasten der Rechtsuchenden gehen. Vielmehr sollten Jobcenter zeitnah digitale, revisionssichere Posteingangssysteme etablieren und klare Quittungsprozesse – etwa automatische Eingangsbestätigungen per E-Mail – implementieren.

Was Bürgergeld-Beziehende jetzt beachten sollten

Auch wenn Gerichte den Sendebericht anerkennen, empfiehlt es sich, wichtige Schreiben mit Datum, Uhrzeit und Seitenzahl zu dokumentieren und Unterlagen zweifach aufzubewahren. Wo möglich, kann zusätzlich eine qualifizierte elektronische Signatur oder Einschreiben-Rückschein genutzt werden.

Die Entscheidung zeigt jedoch: Wer sich auf das Fax verlässt, steht nicht rechtlos da – vorausgesetzt, der Sendebericht wird gesichert.

Bewertung und Ausblick

Das Urteil des Sozialgerichts Cottbus verdeutlicht, dass traditionelle Übertragungswege in der Rechtspraxis weiterhin verbindlich sind. Es erinnert Behörden daran, dass formale Kommunikationskanäle keine Einbahnstraßen sind.

Für Bürgerinnen und Bürger stärkt es das Vertrauen, dass selbst vermeintlich veraltete Technik ausreichenden Rechtsschutz bietet. Bis Bund und Länder einen durchgängig digitalen und barrierefreien Verwaltungszugang geschaffen haben, bleibt das Fax damit mehr als nur ein nostalgisches Relikt – es ist ein juristischer Rettungsanker im Alltag des Sozialrechts.

Hinweis: Was ist ein Überprüfungsantrag?

Der Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X eröffnet Empfängerinnen und Empfängern von Sozialleistungen die Möglichkeit, auch nach Ablauf der regulären einmonatigen Widerspruchsfrist alte Bescheide zur Revision zu stellen – in der Regel bis zu vier Jahre rückwirkend.

Voraussetzung ist ein formwirksamer Antrag bei der Behörde. Bleibt eine Entscheidung aus, kann nach Ablauf von sechs Monaten Untätigkeitsklage zum Sozialgericht erhoben werden. Damit soll verhindert werden, dass Behörden durch bloßes Nichtstun rechtliche Ansprüche vereiteln.