Arbeitslosengeld: Keine Sperrzeit wegen Umzug zum Partner oder wegen Umgangsrecht

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Keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld bei Aufgabe des Arbeitsplatzes zur erstmaligen Begrรผndung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft an einem neuem Wohnort.

Dies entschied das LSG Niedersachsen – Bremen mit Urteil vom 12.12.2017 – L 7 AL 36/16 – und folgt damit nicht der Rechtsprechung des BSG, Urt. v. 17. Oktober 2007 – B 11a/7a AL 57/06 R – .

Die Klรคgerin gab ihre Arbeitsstelle fรผr den Umzug zum Lebensgefรคhrten auf

Sie war als Einzelhandelsverkรคuferin in Schleswig-Holstein tรคgig. Schon vor dem Bezug der gemeinsamen Wohnung verbrachten die Klรคgerin und ihr Verlobter stets ihre Freizeit zusammen. Beide wirtschafteten aus einem Topf und umsorgten sich im Krankheitsfalle.

Bundesagentur fรผr Arbeit sah im Umzug zum Lebensgefรคhrten – keinen wichtigen Grund – und verhรคngte Sperrzeit

Die Vorinstanz und auch das LSG NSB gaben der Klรคgerin recht

Die Sperrzeit ist weder eine Strafvorschrift noch ein Instrument zur Disziplinierung und Durchsetzung von gesellschaftspolitischen Vorstellungen Das LSG Niedersachsen-Bremen folgte nicht der Rechtsprechung des BSG.

Sperrzeit ist keine Strafvorschrift

Es sei einfach nicht mehr zeitgemรครŸ, die Anwendung der Sperrzeitvorschrift bei Arbeitsaufgabe wegen Umzugs an einen familienrechtlichen Status anzuknรผpfen. Denn die Sperrzeit sei keine Strafvorschrift.

Der wichtige Grund im Sinne des ยง 159 SGB 3 sei kein Privileg fรผr Ehegatten, sondern gelte uneingeschrรคnkt fรผr alle Arbeitslosen in ihrer aktuellen und spezifischen Lebenssituation.

Was kรถnnen wichtige Grรผnde sein

Das LSG argumentierte, dass gewichtige Umstรคnde sein kรถnnen (finanzielle Situation, Scheidungsverfahren, gesundheitliche Grรผnde, Wohnungsmarkt, Schwangerschaft) die unabhรคngig vom familiรคren Status und von formalen Voraussetzungen einen Umzug zum Partner als vernรผnftig und sinnvoll erscheinen lassen, weil denn die Versichertengemeinschaft gar kein Interesse haben kann, die Arbeitsaufgabe als versicherungswidriges Verhalten zu sanktionieren.

Die Partnerschaft der Klรคgerin war geprรคgt von Fรผrsorge und Verantwortung, so dass ihre Arbeitsaufgabe keine Sperrzeit begrรผnde.

Anmerkung Redakteur Detlef Brock

Anderer Auffassung beispielhaft

1. LSG Baden-Wรผrttemberg, Urt. v. 11.01.2022 – L 13 AL 190/21 –

Arbeitslosengeldanspruch – Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe – wichtiger Grund – Ortswechsel – eheรคhnliche Gemeinschaft

Ortswechsel zur Begrรผndung einer (zuvor nicht bestehenden) nichtehelichen Lebensgemeinschaft stellt keinen wichtigen Grund dar im Sinne der vom BSG entwickelten Grundsรคtze.

Noch ein Rechtstipp zur Arbeitsaufgabe wegen des Umgangsrechtes des Vaters mit dem Kind โ€“ dazu tolle Entscheidung

LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. August 2022 – L 2 AL 16/21 B –

Wenn Vater wegen Arbeit Umgangsrecht mit Kind nicht adรคquat wahrnehmen kann, ist Eigenkรผndigung gerechtfertigt = keine Sperrzeit beim Alg I ( Leitsatz RA Volker Gerloff)

Dazu auch Leitsatz Von RA Claudia Zimmermann

1. Die Ermรถglichung des Umgangs mit dem Kind kann unter Einbeziehung des Elterngrundrechts nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG einen wichtigen Grund i.S.d. ยง 159 Abs. 1 SGB III fรผr die Auflรถsung eines Arbeitsverhรคltnisses darstellen.

2. Selbst fรผr den Fall, dass die objektiven Umstรคnde einen wichtigen Grund nicht begrรผnden sollten, kann auch eine subjektive Notwendigkeit, als Elternteil einen engen Kontakt zu dem Kind herzustellen, die Annahme einer besonderen Hรคrte und damit nach ยง 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b) SGB III die Verkรผrzung der Sperrzeit auf sechs Wochen rechtfertigen.

Was kรถnnen Betroffene tun

1. Sich natรผrlich auf diese Rechtsprechung berufen.

2. Es mรผssen wichtige Grรผnde vorliegen fรผr die Aufgabe des Arbeitsplatzes wie etwa

– Gesundheitliche Grรผnde ( vgl. dazu LSG NSB, Urt. v. 03.07.2023 – L 7 AL 72/21 – )

– Schwangerschaft oder Risiko- Schwangerschaft

– Trennung vom Partner โ€“ Scheidungsverfahren

– finanzielle Situation ( Belastung mit Schulden ) – besserer bezahlter Arbeitsplatz zum Abbau der Schulden

– Umgangsrecht mit dem Kind – Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG

Die Grรผnde sind nicht abschlieรŸend, es kommt immer auf den Einzelfall an.