Jedes Jahr beziehen in Deutschland mehrere Millionen Menschen sogenannte Lohnersatzleistungen wie Elterngeld oder Krankengeld. Obwohl diese Ausgleichszahlungen grundsätzlich steuerfrei fließen, lösen sie häufig zusätzliche Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt aus – Verpflichtungen, die vielen Betroffenen zunächst gar nicht bewusst sind.
Wer ist betroffen
Zum Kreis der steuerlich relevanten Lohnersatzleistungen gehören unter anderem Krankengeld, Arbeitslosengeld I, Elterngeld, Mutterschaftsgeld, Kurzarbeitergeld, Übergangsgeld oder Insolvenzgeld.
Die gemeinsame Klammer ist, dass es sich um Leistungen handelt, die an die Stelle des regulären Arbeitslohns treten. Ihre steuerliche Sonderbehandlung ergibt sich aus § 32b Einkommensteuergesetz (EStG), der grundsätzlich bestimmt, dass sie zwar steuerfrei bleiben, bei der Berechnung des Steuersatzes jedoch berücksichtigt werden.
Die erste Falle: Abgabepflicht ab 410 Euro
Wer im Laufe eines Kalenderjahres mehr als 410 Euro an Lohnersatzleistungen erhält, ist kraft Gesetzes verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung abzugeben – selbst dann, wenn zuvor keine Erklärung fällig gewesen wäre.
Diese Pflicht knüpft an § 46 Absatz 2 Nummer 1 EStG an und greift unabhängig davon, ob am Jahresende tatsächlich Steuern nachzuzahlen sind.
Vielen Betroffenen ist diese Schwelle nicht bekannt, weshalb die Aufforderung des Finanzamts oder gar ein Verspätungszuschlag oft überraschend kommt.
Stichtag 31. Juli 2025 für die Erklärung 2024
Für die Steuererklärung des Jahres 2024 gilt wieder der reguläre Abgabetermin: Liegt eine Pflicht zur Abgabe vor und wird die Erklärung ohne Hilfe eines Steuerberaters erstellt, muss sie spätestens am 31. Juli 2025 beim Finanzamt eingegangen sein.
Wird diese Frist versäumt, drohen Verspätungszuschläge ab dem ersten Augusttag. Wer sich beraten lässt – etwa durch einen Steuerberater oder einen Lohnsteuerhilfeverein – kann die Erklärung noch bis zum 30. April 2026 einreichen.
Konsequenzen bei verspäteter Abgabe
Verspätungszuschläge sind in § 152 Abgabenordnung geregelt und belaufen sich auf mindestens 25 Euro pro angefangenem Monat der Verspätung bzw. 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer, maximal jedoch 25 000 Euro.
Zusätzlich kann das Finanzamt eine Steuerschätzung vornehmen, die gerade bei unvollständigen Daten häufig zu einer höheren Steuer führt. Wer also die Frist verstreichen lässt, riskiert neben finanziellen Mehrbelastungen auch einen beträchtlichen Aufwand, um fehlerhafte Schätzungen später zu korrigieren.
Die zweite Falle: Der Progressionsvorbehalt
Die vielleicht subtilere, aber nicht minder kostspielige Gefahr liegt im sogenannten Progressionsvorbehalt. Er sorgt dafür, dass die steuerfreien Lohnersatzleistungen bei der Ermittlung des Steuersatzes hinzugerechnet werden.
Dieser höhere Satz wird anschließend jedoch nur auf das regulär zu versteuernde Einkommen angewandt. In der Praxis bedeutet das: Obwohl die Ersatzleistung selbst unversteuert bleibt, kann sie die Steuerlast auf das übrige Einkommen merklich erhöhen.
Lesen Sie auch:
– Krankenkasse stellte das Krankengeld per Aktenlage ein
Ein Rechenbeispiel verdeutlicht den Effekt
Verdient eine alleinstehende Arbeitnehmerin regulär 30 000 Euro zu versteuerndes Einkommen, liegt ihr Durchschnittssteuersatz grob bei 15 Prozent. Erhält sie im gleichen Jahr zusätzlich 4 000 Euro Elterngeld, rechnet das Finanzamt zunächst mit einer Bemessungsgrundlage von 34 000 Euro und ermittelt dafür einen höheren Durchschnittssteuersatz von rund 16,4 Prozent.
Dieser Satz wird anschließend auf die ursprünglichen 30 000 Euro angewandt – die Steuer erhöht sich dadurch um knapp 500 Euro, obwohl das Elterngeld selbst steuerfrei war.
Wer das nicht kennt, staunt oft über eine scheinbar unerwartete Nachzahlung. Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, den Progressionsvorbehalt bei der Jahresplanung zu berücksichtigen.
Wohngeld und Bürgergeld – steuerlich ein anderer Fall
Immer wieder taucht die Frage auf, ob Wohngeld oder Bürgergeld ebenfalls in die Steuererklärung gehören. Beide Leistungen zählen explizit nicht zu den Lohnersatzleistungen und bleiben daher außen vor.
Weder erhöhen sie den Steuersatz noch lösen sie eine Abgabepflicht aus. Die häufige Verwechslung liegt darin begründet, dass es sich ebenfalls um staatliche Transfers handelt. Steuerrechtlich handelt es sich hier jedoch um Sozialleistungen mit anderer Zweckbestimmung.
Fazit: Steuerfreie Leistungen erfordern Aufmerksamkeit
Lohnersatzleistungen wie Krankengeld oder Arbeitslosengeld wirken auf den ersten Blick sorglos, weil sie ohne direkten Abzug von Lohnsteuer ausgezahlt werden.
Tatsächlich ziehen sie allerdings eine doppelte Verpflichtung nach sich: Zum einen muss bei Überschreiten der 410-Euro-Grenze zwingend eine Steuererklärung eingereicht werden, und zum anderen erhöht der Progressionsvorbehalt den Steuersatz auf das übrige Einkommen.
Wer die Frist 31. Juli 2025 im Blick behält, Belege sorgfältig sammelt und den Progressionsvorbehalt bei der Jahresplanung einrechnet, verhindert unerwartete Steuernachforderungen. Rechtzeitige Information und sorgfältige Vorbereitung bleiben damit der beste Schutz vor beiden Steuerfallen.