Hartz IV: Mehr Miete und mehr Wohnraum

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Bundessozialgericht entscheidet zugunsten von Hartz IV-Beziehern in NRW

21.05.2012

Wie erwartet hat das Bundessozialgericht in Kassel die Kosten der Unterkunft für Hartz IV-Bezieher im Bundesland Nordrhein-Westfalen als zu niedrig bemessen beurteilt. Laut Gericht sind für die Festsetzung der Angemessenheit der Unterkunftskosten (KdU) die Richtlinien des Wohnraumförderungsgesetz (WNG) maßgeblich (AZ: B 4 AS 109/11 R)

In der Praxis bedeutet dies, dass laut landesrechtlichen Bestimmungen zum WNG zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsraumgröße in NRW 50 Quadratmeter für einen Single-Haushalt und für jede weitere Person weitere 15 Quadratmeter gelten. Zudem haben die Bundessozialrichter klar gestellt, dass die aktuelle Entscheidung eine Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des BSG ist und dieses bereits in 2009 mit dem Urteil AZ: B 4 AS 70/08 R beschieden wurde. Somit gilt nicht neues Recht, sondern ein bestehendes wurde durch das aktuelle Urteil bestätigt. Der richterliche Spruch ist insofern deshalb wichtig, weil somit Betroffenen die Möglichkeit eröffnet wurde, rückwirkende Überprüfungsanträge zu stellen. Bei einer neuen Rechtsprechung wäre laut § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB II iVm § 330 Abs. 1 SGB III das unmöglich.

Für betroffene Hartz IV-Bezieher bedeutet dies nunmehr, dass alle Widersprüche und Klagen, die sich gegen die zu niedrig angesetzten Kosten der Unterkunft (Miete, Heizkosten etc.) auf höchster Ebene bestätigt wurden. Eventuell rückwirkende Zahlungen können demnach ab Inkrafttreten der WNG-Richtlinien (1.Januar 2010) gelten.

Festgesetzte Wohnraumgröße war rechtswidrig
Das Bundessozialgericht hat zudem klargestellt, dass die Begrenzung der Wohnungsgröße von 45 Quadratmeter rechtswidrig war. Davon betroffen sind schätzungsweise in NRW einige Zehntausende ALG II Bezieher. Ratsam ist, weiterhin einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zu stellen. Dieser kann allerdings nur noch zurückliegend bis Jahresbeginn 2011 gestellt werden. Ein Überprüfungsantrag kann zur Folge haben, dass die Jobcenter alle rechtswidrig gekürzten Mieten, Betriebskosten und Heizkosten nachzahlen müssen. Ebenfalls kann ein Überprüfungsantrag gestellt werden, wenn aus den genannten Grund zum Umzug aufgefordert wurde. Demnach müssten die Jobcenter abgelehnte Umzugskosten und entstandene Kosten für die Renovierung nachzahlen.

Urteil gilt auch für Sozialhilfe und Grundsicherung
Das Urteil gilt nicht nur für Bezieher nach dem SGB II sondern auch bei SGB XII. Somit ist es auch Beziehern von Grundsicherung oder Sozialhilfe anzuraten, dahingehend einen Überprüfungsantrag zu stellen, damit die Differenz zwischen tatsächlichen und zu wenig gezahlten Unterkunftskosten nachgezahlt werden. Zudem ist es möglich, dass die Aufforderungen zur Senkung der Unterkunftskosten die seit Januar 2010 ergangen sind, nicht rechtlich wirksam sind. Diese erfolgten unter Umständen auf der Grundlage der rechtswidrigen Praxis. Daher müssten diese mindestens rückwirkend korrigiert werden.

Damit nicht jeder einzelne Betroffene nun einen Überprüfungsantrag stellen muss, sollten die Leistungsträger von sich aus bereits ausgestellte Bescheide korrigieren und entstandene Ansprüche auszahlen. Von Seiten der Jobcenter gibt es hierzu bislang keine Stellungnahme. Demnach ist allen Betroffenen anzuraten, selbst tätig zu werden und einen Überprüfungsantrag zu stellen. (ag)

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