Rechtsanwalt Markus Klinder: Jobcenter ließ polnische Ehefrau eines deutschen Spätaussiedlers 5 Monate lang hungern und kürzte Restfamilie die Miete
17.03.2011
Ein tragisches Spätausiedlerdrama ereignete sich in Marl/Westf. Im Spätsommer 2010 siedelte ein deutscher Spätaussiedler aus Schlesien mit seiner polnischen Ehefrau und dem dreijährigen Kleinkind nach Deutschland über. Sie hofften bis zur Erlangung von Arbeit auf Hilfe vom Jobcenter. Das Jobcenter entschied jedoch rechtsirrig, dass die Ehefrau als polnische EU-Angehörige von allen Leistungen nach § 7 Abs. 1 SGB II generell ausgeschlossen sei. Die bittere Konsequenz war, dass die Ehefrau und Mutter keine Leistungen erhielt, der ALG II Regelsatz des Mannes trotzdem auf 90 % gekürzt wurde und der Familie 1/3 der Unterkunftskosten abgezogen wurde, da die Ehefrau trotz Leistungsausschluss als Haushaltszähler bei der Berechung der Unterkunftskosten zu berücksichtigen sei. Wie die Familie so die vollständige Miete aufbringen sollte, sagte ihnen das Jobcenter nicht. Zudem wurde ein Antrag auf Erstaustattung nicht bearbeitet. Die Familie mußte ihr Dasein in einer fast leeren Unterkunft mit nicht viel mehr als einem Stuhl und einem Tisch und Sessel fristen. Die Bitten der hilflosen Ehefrau ihr Leistungen zu gewähren wurden schroff zurückgewiesen.
Erst durch den Hinweis von Bekannten konnte durch gerichtliche Intervention der Marler Rechtsanwaltskanzlei Klinder diesem Zustand ein schnelles Ende bereitet werden. Peinlich für das Jobcenter, dass sich dort ergab, dass nach der amtlichen Gesetzesbegründung zum SGB II ein Auschluss sich nicht auf EU-Bürger beziehe, die als Familienangehörige eines Deutschen in die Bundesrepublik Deutschland einreisen.
Aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit des Ehemannes war der Fall von Anfang an klar. Das zuständige Jobcenter bemühte sich hastig die Leistungen nachzubewilligen, wies jedoch statt einer Entschuldigung der Frau der Schuld zu. Sie hätte ihre Staatsangehörigkeit eben nachweisen müssen. Erstaunlicherweise erklärte es dann jedoch, man habe diese Frage sofort durch einen Anruf beim Ausländeramt klären können. Dann muss es sich ernstlich fragen lassen, warum es die Mutter mit einem Kleinkind monatelang ohne jede Leistungen gelassen und die Unterkunftskosten gekürzt hat, wenn angeblich ein kurzer Anruf geeignet war das Leiden der Familie zu beenden. (Rechtsanwalt Markus Klinder)
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