Frau Merkel und Hartz IV – She did it again!

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Frau Merkel und Hartz IV – She did it again!

Strom und Heizung werden in tatsächlicher Höhe bezahlt? So zumindest behauptete es unsere Kanzlerin, Frau Angela Merkel, erneut. Diesmal gegenüber dem Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, und erteilte diesem damit eine Absage hinsichtlich der geforderten Sozialtarife.

Bereits vor einigen Wochen hatte Frau Merkel diese Mähr in einem Interview der FAZ (Quelle: FAZ) von sich gegeben und sich
damit, mindestens bundesweit, blamiert. Das scheint sie aber offensichtlich nicht zu stören, da sie es nun schon wieder tat – und
sich damit diesmal mindestens europaweit, vielleicht sogar weltweit, mit dieser zur Schaustellung nachweislich falscher Fakten blamierte. Steckt dahinter nur fachliche Inkompetenz oder vielleicht Methode?

"Heizkosten werden vom Leistungsträger in tatsächlicher Höhe bezahlt, wenn diese angemessen sind."
Korrekt ist: Heizkosten werden gemäß § 22 (1) S. 1 SGB II vom Leistungsträger in tatsächlicher Höhe bezahlt, wenn diese angemessen sind. Was "angemessen" bedeutet, darüber schweigt sich der Gesetzgeber hier allerdings aus, weshalb viele Leistungsträges des SGB II sich stetig weigern, diese Kosten in tatsächlicher Höhe zu zahlen oder pauschalieren sie stattdessen rechtswidrig (vgl. u.a. Beschluss des Bundessozialgerichtes AZ: B 7b AS 40/06 R), weil die Kassen der Kommunen, die für diese Kosten aufkommen müssen, leer sind. Viele Betroffene sind so rechtswidrig gezwungen, ihre Heizkosten anteilig aus ihrem Regelsatz zu zahlen, wofür dieser aber gar nicht gedacht ist. Doch auf was verzichten sie, um diese Kosten aufbringen zu können?

Korrekt ist: Stromkosten sind im Regelsatz enthalten, allerdings nur in pauschalierter Form. Lt. Urteil des Bundessozialgerichtes ( Az. B 14/11b AS 15/07 R), beträgt die Höhe dieser Pauschale im Eckregelsatz von 345 Euro gerade mal 14,52 Euro, im Eckregelsatz von 347 Euro nur 14,60 Euro und im im Eckregelsatz von 351 Euro nur 14,77 Euro. Bei Kindern und Partnern, die nur 60%, 80% oder 90 Prozent des Eckregelsatzes erhalten, verringert sich die Höhe dieser Pauschale dann eben auch auf nur 60%,
80% oder 90%. Eine Familie mit zwei kleinen Kindern hat, unter Zugrundelegung des Eckregelsatzes von 351 Euro, damit gerade mal 531,81 Euro pro Jahr für Strom zur Verfügung.

Unter Anwendung des statistischen Jahresverbrauches einer solchen Familie von 3500 kWh und des aktuellen Strompreise eines günstigen Anbieters, hier der Tarif "citystrom classic" der Stadtwerke Schwerin, kommen immerhin 730 Euro pro Jahr an tatsächlichen Stromkosten zusammen, von denen die Betroffenen 200€ – das
ist fast 1/3 der Gesamtstromkosten und entspricht in etwa der Höhe des Regelsatzes eines 7jährigen Kindes – anderweitig aus ihrem Regelsatz aufbringen müssen, weil in der Fassung des SGB II vom ersten August 2006 der Gesetzgeber durch Hinzufügen von Satz 2 in § 3 Abs. 3 SGB II die Übernahme von Kosten für den Bedarf eines ALG II / Sozialgeld Beziehers, welche die im Regelsatz dafür vorgesehenen Pauschalen übersteigen, grundsätzlich ausgeschlossen hat. Es gibt also definitiv nicht mehr als
den ALG II Regelsatz!

Kein Geld mehr für Kinder
Das alles hat zur Folge, dass Eltern eben keine Bekleidung für sich, kein Spielzeug für die Kinder, Schokolade oder anderes kaufen können, wofür eigentlich der Regelsatz gedacht ist, weil sie dieses Geld für die Stromkosten, und oft auch Teile ihrer Heizkosten, die beide in den vergangenen Jahren um über 30% gestiegen sind, benötigen. Auch das Kindergartenessen (Frühstück und Mittag z.B. 2,70 Euro) und die Schulspeisung (Mittag z.B. 1,80 Euro), die beide die dafür im Hartz-IV Regelsatz der Kinder enthaltenen Beträge (Frühstück 0,49 Euro und Mittag 0,98 Euro bei unter 15jährigen) bei weitem übersteigen, müssen die Eltern durch
zweckentfremdende Umverteilung ihres Regelsatzes zusätzlich finanzieren. Aber das ist wieder eine andere "Baustelle".

Frau Merkel: kennen sie tatsächlich die rechtlichen Grundlagen dieses Themas nicht, über dass sie sich hier wiederholt äußern? Und was sollen wir, ihre Bürger, von ihren Äußerungen halten? Ein schaler Nachgeschmack und die Enttäuschung über ein solches wiederholtes Verhalten, durch das eine Gruppe der Gesellschaft regelrecht diskriminiert wird und das einem Regierungsoberhaupt wahrlich schlecht zu Gesicht steht, bleibt. (13.07.2008)