Hartz IV: Studenten bekommen ALG II

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Beurlaubte, bedürftige Studierende bekommen ALG II – außer in Jena!

Im Rahmen der diversen "Hartz IV -Reformen" in den letzten Jahren wurde neben der Einführung von ALG II einigen Kommunen als "Pilotprojekt" zugestanden, "neue Wege für eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu erschließen". Das bedeutet auch, dass diese Kommunen sich nicht an bundesweite Durchführungshinweise zu den Sozialgesetzen halten müssen, sondern im Rahmen der Gesetze in Details abweichen können. Mit der Folge, die schon in der Überschrift angedeutet ist.

Studierende können normalerweise kein ALG II bekommen. Grund dafür ist, dass ihnen normalerweise BAföG und/oder Unterhalt der Eltern zusteht (letzterer ist auch einklagbar – was man auch das BAföG-Amt machen lassen kann über einen Antrag auf Vorausleistungen). Dass die BAföG-Regelungen restiktiv (und auch beim Unterhalt gibt es Grenzen) sind, so dass Studierende aus dem Bezug herausfallen können, führt trotzdem nicht zum Anrecht auf ALG II.

Trotzdem gibt es einige wenige Ausnahmen, bei denen Studierenden ALG II offensteht. Im wesentlichen betrifft das diejenigen, die wegen Krankheit oder Schwangerschaft beurlaubt sind und nur deswegen kein BAföG erhalten können. Grundsätzlich wird auch während der Elternzeit so verfahren.

Regionalisierung des Sozialrechts?

Da sowohl das BAföG als auch die Regelungen zu ALG II Bundesgesetze sind, sollte diese Handhabe bundesweit eingehalten werden. Das ist aber keineswegs so. Denn 69 Kommunen in Deutschland haben Sonderrechte – u.a. Jena. Auf der Webseite von jenarbeit (dem zuständigen Eigenbetrieb der Stadt) heißt es:

Die Stadt Jena zählt damit zu den bundesweit 69 optierenden Kommunen und Gemeinden, die neue Möglichkeiten für eine aktive Arbeitsmarktpolitik erschließen und gestalten möchten. Über ein regionales Netzwerk an gleichgesinnten Akteuren soll Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik sinnvoll miteinander verbunden werden. Kompetenzen und bisherige Erfahrungen verschiedener regionaler Netzwerkpartner werden hier gebündelt und gemeinsam wird nach innovativen Lösungen zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit gesucht.

Man könnte meinen: Eine gute Sache. Zum Teil mag es das auch sein. Es gibt aber eindeutig auch Schattenseiten. Denn die optierenden Kommunen müssen sich nicht an die Durchführungshinweise des Bundesministeriums handeln. Dies wird als ein mehr an Flexibilität angepriesen.

Für Betroffene kann das aber auch bedeuten, dass ihnen Sozialleistungen verwehrt werden, die sonst in ganz Deutschland bekommen würden (möglicherweise auch in anderen optierenden Kommunen).

Wer ist betroffen?

Jena verweigert – wie z.B. einem Blog zu entnehmen ist (und auch der Ostthüringer Tageszeitung (OTZ) im Jena-Lokalteil vom 27.04.2006) – beurlaubten (und bedürftigen) Studierenden grundsätzlich ALG II. Lediglich ein Darlehen wird in Härtefällen gewährt – wie mir auch die Fachdienstleiterin Leistungsbetreuung von jenarbeit als zuständiger Stelle bestätigte. Mehr könne sie nicht sagen, das ganze sei ja vor Gericht.

Ein Darlehen ist aber keine wirkliche Alternative, denn faktisch häuft man damit Schulden auf. Wenn man aber schon in einer finanziell prekären Situation ist, stellt sich die Frage, wie man da jemals herauskommen soll.

Die andere "Alternative" wäre das Studium aufzugeben, sich also exmatrikulieren zu lassen. Auch das ist allerdings äußerst fragwürdig: Bedeutet das doch, dass man bei einer späteren Wiederaufnahme des Studiums möglicherweise eine andere Prüfungsordnung in Kauf nehmen muss – mit weiterer Verzögerung des Studiums, da "alte" Leistungen nicht mehr anerkannt werden.

Desweiteren – da bisher eine solche Handhabung nur aus Jena bekannt ist und in den nicht-optierenden Kommunen in jedem Fall ALG II gewährt werden muss – bleibt die Möglichkeit, aus Jena wegzuziehen. Zum Beispiel ins nahegelegene Weimar oder in den Saale-Holzland-Kreis. Im oben schon erwähnten Blog heißt es dazu: "[das] löst zwar für die (zukünftigen) Betroffenen der Stadt nicht das Problem, doch kann man damit der Stadt ein Zeichen setzen über diese Politik, da sie ja auch um ihre Einwohnerzahl von über 100.000 “kämpft”, womit jeder zählt."

Schließlich kann man auch darauf hoffen – dazu müsste man als betroffeneR StudentIn in Jena ALG II beantragen und gegen den Bescheid Widerspruch einlegen und in Folge evt. klagen – dass die Gerichte doch noch zu einer anderen Entscheidung kommen. Allerdings braucht es dafür einige Kraft: Das Verfahren kann sich jahrelang hinziehen. (Quelle)

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