Falle Betriebsrente – Rentner zahlen vollen Beitrag allein

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Wer Jahrzehnte lang Beitrรคge in eine Direktversicherung, Pensionskasse, Unterstรผtzungskasse oder einen Pensionsfonds eingezahlt hat, erwartet im Rentenalter eigentlich ein gutes Zusatzeinkommen zur Rente.

Doch spรคtestens mit der ersten Zahlungsmitteilung merken viele Neurentnerinnen und โ€‘rentner, dass die gesetzliche Krankenโ€‘ und Pflegeversicherung einen erheblichen Teil dieser Leistung kassiert.

Seitย 2020 existiert zwar ein gesetzlicher Freibetrag fรผr Betriebsrenten โ€“ aktuell 187,25ย Euro im Monat โ€“ aber er gilt ausschlieรŸlich fรผr pflichtversicherte Mitglieder der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

Wer freiwillig gesetzlich versichert ist, muss weiterhin jeden Cent seiner Betriebsrente verbeitragen. Die Folge: Von einer nominalen Zusatzrente von 500ย Euro bleiben nach Abzug von Krankenโ€‘ und Pflegeversicherungsbeitrรคgen schnell weniger als 400ย Euro รผbrig.

Krankenversicherung im Rentenalter

Deutschland kennt bekanntermaรŸen zwei Versicherungssysteme: die private Krankenversicherung und die gesetzliche Krankenโ€‘ und Pflegeversicherung.

In der GKV gibt es drei Wege, wie Menschen im Alter versichert sein kรถnnen. Erstens als Pflichtmitglied in der KVdR, wenn sie mindestens neun Zehntel der zweiten Hรคlfte ihres Erwerbslebens gesetzlich versichert waren.

Zweitens als freiwilliges Mitglied, wenn diese Vorversicherungszeit nicht erreicht wurde oder das Einkommen wรคhrend des Arbeitslebens hรคufig oberhalb der Versicherungspflichtgrenze lag.

Drittens รผber die beitragsfreie Familienversicherung, die allerdings nur eine untergeordnete Rolle spielt, weil sie an strenge Einkommensโ€‘ und Statusvoraussetzungen gebunden ist.

Der Unterschied zwischen Pflichtโ€‘ und freiwilliger Versicherung wirkt sich dramatisch auf die Behandlung von Betriebsrenten aus. Pflichtmitglieder profitieren vom Freibetrag auf Versorgungsbezรผge, freiwillige Mitglieder nicht.

Das Bundesministerium fรผr Gesundheit verweist dabei auf ยงย 226ย Absatzย 2 SGBย V, der den Freibetrag ausdrรผcklich nur den โ€žversicherungspflichtigen Rentnernโ€œ zuschlรคgt.

Welche Belastungen treffen pflichtversicherte Rentnerinnen und Rentner genau?

Bei Pflichtmitgliedern der KVdR werden Betriebsrenten erst oberhalb von 187,25ย Euro (Standย 2025) mit Beitrรคgen belegt.

Auf den รผbersteigenden Betrag erhebt die Krankenkasse den allgemeinen Beitragssatz von 14,6ย Prozent sowie ihren kassenindividuellen Zusatzbeitrag. Dieser Zusatzbeitrag variiert, der bundesweite Durchschnitt liegt 2025 bei 2,5ย Prozent.

Rechnet man Pflegeversicherungsbeitrรคge hinzu โ€“ fรผr Kinderlose seit Juliย 2023 regulรคr 4ย Prozent, mit Elterneigenschaft etwas weniger โ€“ addiert sich die Gesamtbelastung hรคufig auf rund 19ย Prozent. Ein Beispiel macht die Dimension greifbar:

Wer monatlich 500ย Euro Betriebsrente erhรคlt, zahlt zunรคchst nichts auf die ersten 187,25ย Euro.

Die verbleibenden 312,75ย Euro werden jedoch mit Krankenโ€‘ und Pflegeversicherungsbeitrรคgen von zusammen ungefรคhr 59ย Euro belastet. So sinkt die Nettorente auf rund 441ย Euro.

Fรผr freiwillig Versicherte fallen deutlich hรถhere Abzรผge an

Freiwillig Versicherte haben keinen Anspruch auf den Freibetrag. Die Krankenkasse behandelt ihre Betriebsrente daher vom ersten Euro an als beitragspflichtige Einnahme.

Damit werden auf 500ย Euro Betriebsrente nicht wie im vorigen Beispiel nur 312,75ย Euro, sondern der gesamte Betrag mit aktuell rund 19ย Prozent belegt.

Das Bundesยญsozialgericht hat diese Ungleichbehandlung Ende 2024 ausdrรผcklich bestรคtigt und sie mit der besonderen Schutzwรผrdigkeit langjรคhriger Pflichtversicherter begrรผndet.

In der Praxis bedeutet das: Die Nettoยญbetriebsrente einer freiwillig versicherten Ruhestรคndlerin liegt bei vergleichbaren Parametern nur noch bei knapp รผber 405ย Euro. Wer bei Eintritt in den Ruhestand von einer hohen Zusatzversorgung lebt oder mehrere Betriebsrenten bezieht, kann so binnen weniger Jahre eine fรผnfstellige Summe an Beitrรคgen abfรผhren.

Was gilt fรผr privat Krankenversicherte?

Alle, die im Alter in der privaten Krankenversicherung bleiben, kรถnnen in dieser Beziehung aufatmen: Betriebsrenten gelten hier nicht als beitragspflichtige Einnahme.

Privatversicherte zahlen ihren โ€“ oftmals nicht gerade niedrigen โ€“ Beitrag allein aus Rente, Kapitalertrรคgen oder sonstigem Einkommen. Eine Kรผrzung der Betriebsrente findet nicht statt. Das Problem hoher Altersbeitrรคge verlagert sich somit, ist aber nicht mit der Frage der Betriebsrente verknรผpft.

Und der Pflegeversicherungsbeitrag?

Der Freibetrag knรผpft allein an die Beitrรคge zur Krankenversicherung an. Die Pflegeversicherung kennt einen solchen Puffer nicht. Damit wird grundsรคtzlich die gesamte Betriebsrente zum MaรŸstab.

Lediglich der allgemeine Freibetrag der Krankenโ€‘ und Pflegeversicherung (Mindesteinnahmegrenze), der 2025 bei 1ย 178,33ย Euro liegt, kann eine Rolle spielen, sofern das gesamte beitragspflichtige Einkommen diese Schwelle unterschreitet. In der Praxis betrifft das aber nur Ruhestรคndler mit sehr niedrigen Gesamteinkรผnften.

Wie lรคsst sich der Status โ€žpflichtversichertโ€œ erreichen oder sichern?
Viele Versicherte realisieren erst kurz vor dem Rentenantrag, dass sie die sogenannte 9/10โ€‘Regel nicht erfรผllen und somit in die freiwillige Versicherung fallen wรผrden.

Hier lohnt ein genauer Blick in die eigene Versicherungsbiografie. Zeiten der Familienversicherung und manche Monate ohne eigenes beitragspflichtiges Einkommen zรคhlen mit, andere โ€“ etwa Jahre in der privaten Krankenversicherung โ€“ nicht.

Wer feststellt, dass ihm nur wenige Monate fehlen, kann durch eine rechtzeitige Rรผckkehr in die GKV โ€“ beispielsweise รผber eine sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschรคftigung โ€“ noch die nรถtigen Zeiten sammeln. Entscheidend ist, dass der Wechsel spรคtestens mit Beginn des Vorletzten Jahres vor Renteneintritt erfolgt.

Eine andere Option ist der Wechsel in die private Krankenversicherung im Ruhestand. Diese Lรถsung ist allerdings nur bei durchgehend hohem Einkommen mรถglich und birgt erhebliche finanzielle Risiken angesichts steigender PKVโ€‘Beitrรคge im Alter.

Welche politischen Versprechen stehen im Raum โ€“ und warum ist bisher wenig passiert?

Bereits 2019 versprach die GroรŸe Koalition eine โ€žspรผrbare Entlastungโ€œ von Betriebsrentenยญempfรคngern; sie mรผndete Anfangย 2020 in den einmaligen Freibetrag.

Im Bundestagswahlkampf 2021 kรผndigte Olafย Scholz an, die vรถllige Gleichbehandlung von Pflichtโ€‘ und freiwillig Versicherten zu prรผfen. Seit seinem Amtsantritt als Bundeskanzler ist das Thema jedoch nicht mehr vorangekommen. Die Ampelโ€‘Koalition verwies zuletzt auf die angespannte Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung und vertagte strukturelle Reformen.

Das Resultat: Zehntausende Seniorinnen und Senioren bleiben weiterhin von hohen Abzรผgen betroffen, obwohl sich ihre Versicherungssituation keineswegs dadurch unterscheidet, dass sie eine besondere Vorzugsbehandlung erhalten wรผrden.

Vielmehr standen hรคufig betriebliche Zwรคnge, die private Krankenversicherung wรคhrend des Berufslebens oder der Wechsel in eine Beamtenยญlaufbahn einer Pflichtmitgliedschaft entgegen.

Welche Strategie kรถnnen Betroffene im Vorfeld verfolgen?

Ein erster Schritt ist immer eine transparente Rentenplanung. Wer fรผnf oder zehn Jahre vor dem voraussichtlichen Ruhestand prรผft, wie hoch die betriebliche Rente voraussichtlich ausfรคllt, kann die kรผnftige Beitragslast ungefรคhr abschรคtzen.

Bei grรถรŸeren Summen empfiehlt sich eine Beratung, ob sich beispielsweise eine einmalige Kapitalauszahlung zum Rentenยญbeginn lohnt โ€“ sie unterliegt zwar der Einkommensteuer, aber nicht der Monatโ€‘fรผrโ€‘Monatโ€‘Beitragspflicht der Krankenโ€‘ und Pflegeversicherung.

Daneben bleibt die Mรถglichkeit, die 9/10โ€‘Regel rechtzeitig zu erfรผllen oder zumindest die verbleibende Lรผcke zu verkleinern. Geringfรผgige Beschรคftigungen in der Endphase des Erwerbslebens oder โ€“ sofern zumutbar โ€“ ein vollstรคndiger Wechsel zurรผck in die GKV kรถnnen hier das Zรผnglein an der Waage sein. Verbindliche Auskรผnfte erteilt die zustรคndige Krankenkasse; wer unsicher ist, sollte zusรคtzlich qualifizierten Rechtsrat einholen, denn Fehlentscheidungen lassen sich nach Rentenbeginn kaum noch korrigieren.

Fazit: Worauf sollten kรผnftige Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner jetzt achten?

Die betriebliche Altersversorgung bleibt ein wichtiger Baustein fรผr den Einkommensmix im Alter. Gleichzeitig nagen hohe Beitrรคge zur gesetzlichen Krankenโ€‘ und Pflegeversicherung an der Nettoยญrentabilitรคt.

Ob der Freibetrag von aktuell 187,25ย Euro greift oder nicht, hรคngt allein vom Versicherungsstatus ab โ€“ und dieser lรคsst sich hรคufig nur mit vorausschauender Planung beeinflussen.

Solange der Gesetzgeber an der Ungleichยญbehandlung festhรคlt, gilt deshalb der Rat von Fachleuten: Betriebsrenten frรผhzeitig in die Finanzโ€‘ und Liquiditรคtsplanung einbeziehen, den eigenen Versicherungsstatus รผberprรผfen und gegebenenfalls aktiv verรคndern. Nur so lรคsst sich verhindern, dass am Ende des Monats hunderte Euro weniger auf dem Konto landen als kalkuliert.