Der Rentenexperte und Rechtsanwalt Peter Knöppel untersuchte, ob in Deutschland alten Menschen ein Fahrverbot aufgrund ihres Alters erteilt werden kann. Derzeit ist, Knöppel zufolge, die Rechtslage noch klar. Aber: Mit dem EU-Recht könnte sich das ändern.
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Der aktuelle Rechtsstand
Laut Knöppel sagt das deutsche Recht eindeutig, dass einem Menschen allein aufgrund seines erreichten Lebensalters nicht der Führerschein entzogen werden darf. Doch, so Knöppel: “Ein Blick in das Internet lehrte mich aber eines besseren.”
Was sagt das EU-Recht?
Im Europäischen Parlament war, laut Knöppel, 2023 die Führerschein-Richtlinie ein Thema. Knöppel zufolge war geplant, unter dem Schlagwort Vision Zero (Null-Unfalltote) Menschen über 70 Jahren den Führerschein nur noch für fünf auszustellen.
Bei Menschen ab 80 Jahren sollte in Zukunft sogar eine Frist von zwei Jahren gelten.
Nach fünf Jahren über 70 Führerscheinentzug?
Ausformuliert wurden diese Richtlinien seinerzeit noch nicht im Detail. Regelungen, die in anderen EU-Ländern bereits gelten, bedeuten nicht, dass Senioren ab einem bestimmten Alter ihren kompletten Führerschein, die praktische und theoretische Prüfung, neu machen müssten.
Sie müssen sich hingegen einer ärztlichen Untersuchung unterziehen, ob sie generell fahrtauglich sind hinsichtlich ihrer Bewegungsfähigkeit, ihrer kognitiven Fähigkeiten, ihres Seh- und Hörvermögens etcetera.
Wie lautete die Begründung?
Die Begründung innerhalb der EU lautete: Menschen im Alter würden ihr Fahrverhalten ändern und ihre Fahrtauglichkeit würde sinken, zum Beispiel verschlechtere sich die Beweglichkeit und die Reaktionsgeschwindigkeit verlangsame sich.
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Gemeinsame Position nach der Europawahl?
Knöppel zufolge werden sich EU-Parlament, Kommission und Ministerrat vermutlich nach der Europawahl 2024 auf eine gemeinsame Position zu Einschränkungen beim Führerschein für Senioren verständigen.
Da die Wahlen im Juni sind, wird es voraussichtlich im Herbst diesen Jahres zu einer Entscheidung kommen. Das, so Knöppel “kann ein böses Erwachen auch für deutsche Senioren bedeuten.”
Deutschland müsste EU-Regelungen durchsetzen
Deutschland müsste im nationalen Recht mögliche neue Richtlinien beim Führerschein umsetzen, wenn diese auf EU-Ebene beschlossen sind.
Bereits in der Diskussion innerhalb des Europäischen Parlaments 2023 ging die Tendenz allerdings dahin, dass es den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen werden sollte, ob und wie sie solche neuen Richtlinien umsetzen, zum Beispiel auch, ob Fahrtests für Senioren verpflichtend oder freiwillig sind.
Fahrtauglichkeit statt Alter
Klar geregelt ist in Deutschland im Paragraf 2 Absatz 4 des Straßenverkehrsgesetzes folgendes:
“Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat.”
Dieser Gesetzestext schließt einen Führerscheinentzug einzig aufgrund des Alters aus. Er ließe sich aber durchaus so auslegen, ab einem bestimmten Alter einen regelmäßigen medizinischen Test besonders der körperlichen Anforderungen durchzuführen.
Was sagt die Statistik?
Statistisch gesehen sind Senioren keineswegs diejenigen unter den Autofahrern, die die häufigsten Unfälle verursachen.
Ältere Menschen sind gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung seltener in Verkehrsunfälle verstrickt als jüngere. Allerdings sind bei den Unfällen, an denen sie beteiligt sind, weit häufiger die Hauptverursacher.
2022 waren die mindestens 65-Jährigen in 68,7 Prozent der Fälle Hauptverusacher, mindestens 75-jährige sogar zu 76,6 Prozent. Damit liegen sie sehr weit über den jüngeren Altersgruppen.
Wie sieht es in den Nachbarländern aus?
Die Schweiz verpflichtet alle Fahrzeuglenker ab 75 Jahren ale zwei Jahre zu einer medizinischen Kontrolle der Fahrtüchtigkeit beim Hausarzt. Die Niederlande verlangt ab dem 75. Geburtstag alle fünf Jahre ein solches Attest. In den Dänemark gibt es diese Kontrolle erst ab dem 80. Lebensjahr, dann aber jährlich.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.