Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat am 12. Februar 2025 entschieden, dass ein Witwer nur 7 199,76 Euro statt der geforderten 9 207,14 Euro an überzahlter Rente zurückzahlen muss (Az. L 3 R 75/23).
Die Richter bestätigten damit teilweise ein Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf, gaben der Rentenversicherung aber in wichtigen Punkten recht. Gegen die Entscheidung ist Revision zugelassen.
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Gericht stoppt Rückforderung in voller Höhe
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) wollte ursprünglich 11 508,87 Euro zurück, senkte die Forderung später auf 9 207,14 Euro. Das LSG reduzierte die Summe nochmals um gut 2 000 Euro.
Maßgeblich war ein Bescheid von April 2019, der dem Kläger wegen der sogenannten „Mütterrente“ mehr Entgeltpunkte zusprach – dieser Bescheid blieb bestandskräftig und durfte nicht nachträglich kassiert werden.
Hintergrund: Zwei Renten liefen parallel
Der Kläger erhält seit 2007 eine große Witwerrente. 2015 beantragte er zusätzlich eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Die Altersrente wurde jedoch nicht auf die Hinterbliebenenrente angerechnet, obwohl § 97 SGB VI dies vorschreibt, wenn das Einkommen den Freibetrag übersteigt.
Er hatte seine Altersrente im Antragsformular zwar angegeben, verließ sich aber darauf, dass die interne Datenweiterleitung funktioniert. Erst ein automatischer Datenabgleich im September 2019 deckte die Unstimmigkeit auf.
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Kern des Streits: Mitteilungspflicht versus Behördenfehler
Die DRV warf dem Witwer vor, seine Anrechnungspflicht grob fahrlässig ignoriert zu haben. Das LSG sah eine Verletzung der Mitteilungspflicht, stufte sie aber nicht als Vorsatz ein. Zugleich rügte das Gericht Organisationsfehler innerhalb der Behörde: Die Abteilungen für Alters- und Hinterbliebenenrenten arbeiteten offenbar ohne ausreichende Schnittstellen.
Dennoch stellte das LSG klar: Ein Versicherter muss prüfen, ob eine angekündigte Neuberechnung tatsächlich kommt. Bleibt sie aus, sollte er nachhaken.
Ausschlaggebend: Fristen aus dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch
§ 48 SGB X erlaubt eine Rücknahme von Dauerverwaltungsakten, wenn sich die Faktenlage ändert – hier der Bezug einer zweiten Rente.
§ 45 Abs. 4 SGB X setzt der Rückforderung eine Ein-Jahres-Frist, sobald die Behörde positive Kenntnis von der Überzahlung hat.
Die Frist begann erst 2019, weil die Witwerrenten-Abteilung die Altersrente vorher nicht kannte.
Die Zehn-Jahres-Grenze des § 45 Abs. 3 greift nicht, weil laufende Geldleistungen betroffen sind und der Kläger nach Auffassung des Gerichts zumindest grob fahrlässig handelte.
Teilaufhebung des Bescheids von 2014 rechtmäßig
Das LSG bestätigte, dass der Bescheid vom Dezember 2014 ab Juli 2015 korrigiert werden durfte. Für die Zeit ab Januar 2019 greift jedoch der Bescheid zur Mütterrente. Ohne dessen formelle Aufhebung bleibt er gültig – die DRV darf die dort festgelegte Rentenhöhe nicht rückwirkend kürzen.
Bedeutung für Rentnerinnen und Rentner
Wer gleichzeitig Hinterbliebenen und eigene Renten bezieht, muss jede Einkommensänderung aktiv melden. Beratungsstellen berichten, dass viele Betroffene glauben, eine Meldung an die DRV reicht einmalig. Das Urteil zeigt: Fehlt eine explizite Bestätigung der Anrechnung, drohen Rückforderungen auch Jahre später.
Typische Fehler vermeiden
Melden Sie jedes Einkommen stets unter der Versicherungsnummer, über die die jeweilige Leistung läuft, und kontrollieren Sie bei jedem neuen Bescheid sofort, ob die Einkommensanrechnung korrekt ausgewiesen ist; bleibt eine Neuberechnung über mehrere Monate aus, fragen Sie proaktiv bei der Rentenversicherung nach.
Expertenblick: Warum passiert das so häufig?
Die DRV verwaltet getrennte „Konten“ für jede Person. Hinterbliebenenrenten laufen unter der Nummer der verstorbenen Person, eigene Renten unter der eigenen. Interne Querverweise bleiben oft manuell. Fällt die automatische Prüfung aus, bleiben Anrechnungen liegen – ein Problem, das schon der Bundesrechnungshof mehrfach kritisierte.
Was Betroffene jetzt unternehmen können
Sie können Widerspruch einlegen, wenn die DRV Rückzahlungen verlangt. Dabei lohnt es sich, auf folgende Punkte zu achten:
- Wurde die Jahresfrist eingehalten?
- Ist ein bestandskräftiger Bescheid betroffen?
- Liegt ein behördliches Mitverschulden vor?
Fachleute empfehlen, alle Schriftstücke und Telefonnotizen aufzubewahren. Gewerkschaftliche oder soziale Beratungsstellen helfen beim Formulieren des Widerspruchs. Gegen ablehnende Widerspruchsbescheide steht die Klage vor dem Sozialgericht offen.




