Wer Straftaten begeht und in deren Zusammenhang erwerbsgemindert wird, kann seinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente verlieren. So entschied das Sozialgericht Gieรen und bestรคtigte damit die Deutsche Rentenversicherung. Diese lehnte einem Koch wegen seiner Straftaten seinen Antrag auf Erwerbsminderungrente ab. (S 4 R 158/12)
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Knochenbrรผche bei Trunkenheit und vorsรคtzlichem Fahren ohne Fรผhrerschein
Der Betroffene ist gelernter Koch. Bei einem Verkehrsunfall mit seinem PKW brach er sich mehrere Knochen und beschรคdigte seine Armnerven. Infolge dieser Verletzungen konnte er seinen Beruf nicht mehr ausรผben.
Kein Fรผhrerschein und betrunken im Verkehr
Zum Zeitpunkt des Unfalls besaร er keinen Fรผhrerschein und hatte 1,39 Promille Alkohol im Blut. Er wurde rechtskrรคftig verurteilt zu einer Freiheitsstrafe von fรผnf Monaten auf Bewรคhrung. Zuschulden kommen lassen hatte er sich fahrlรคssige Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsรคtzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis.
Rentenkasse lehnt Erwerbsminderungsrente ab
Er stellte einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente, und die Rentenversicherung lehnte diesen ab. Sie begrรผndete die Ablehnung damit, dass sein Rentenanspruch wegen der Straftaten verwirkt sei. Der Betroffene klagte vor dem Sozialgericht Gieรen.
Betroffener sagt, er kรถnne Auto fahren
Dort argumentierte er, das vorsรคtzliche Fahren ohne Fahrerlaubnis sei nicht der Grund fรผr den Unfall gewesen. Denn er habe frรผher einen Fรผhrerschein gehabt und besitze die praktischen wie theoretischen Kenntnisse, um Auto zu fahren. Die Trunkenheit im Straรenverkehr sei fahrlรคssig gewesen.
Trunkenheit lรคsst sich nicht von Fahren ohne Fรผhrerschein trennen
Doch das Gericht erklรคrte, die Rentenversicherung sei im Recht. Wenn der Koch gar nicht erst gefahren wรคre, hรคtte es keinen Unfall gegeben. Die fahrlรคssige Trunkenheit kรถnne auch nicht getrennt vom Fahren ohne Fahrerlaubnis beurteilt werden.
Zur Zeit des Unfalls hรคtte er nรคmlich offensichtlich nicht รผber die theoretischen und praktischen Kenntnisse verfรผgt, um Auto zu fahren. Sonst hรคtte er diesen Unfall nicht verursacht.
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Wie sind die rechtlichen Grundlagen?
Es stehen verschiedene Rechtsgรผter nebeneinander, die abgewogen werden mรผssen. Das betonten die Richter.
So mรผsse bei einem Rentenantrag ausgeglichen werden zwischen dem Grundsatz, dass sozialrechtliche Vorschriften (wie die Entscheidung รผber eine Rente) keine strafrechtliche Funktion hรคtten. Umgekehrt dรผrften aber schwere Verstรถรe gegen das Strafrecht auch nicht durch eine Sozialversicherungsleistung โbelohntโ werden, erlรคuterten die Richter.
Bei Verbrechen kann eine Rente versagt werden
Ein Fehler oder eine selbst verschuldete Gesundheitsschรคdigung aus reiner Fahrlรคssigkeit rechtfertigen es also nicht, eine Erwerbsminderungsrente zu verweigern. Anders sieht es bei Delikten aus, die strafrechtlich als Verbrechen und / oder vorsรคtzliches Vergehen betrachtet werden.
Um letzteres handelte es sich bei dem Betroffenen mit einer Freiheitsstrafe von fรผnf Monaten ohne Bewรคhrung aber eindeutig. Dann kann laut Paragraf 104 des Sozialgesetzbuches VI eine Rente versagt werden – ganz oder teilweise.
Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung
Die Rentenversicherung trifft in solchen Fรคllen eine Ermessensentscheidung. Sie wรคhlt also zwischen verschiedenen Handlungsmรถglichkeiten und entscheidet danach, wie schwer die strafbare Handlung zu beurteilen ist.
Was kรถnnen Sie tun?
Der hier beschriebene Fall ist eindeutig. Der Betroffene wurde wegen seines strafbaren Verhaltens rechtskrรคftig verurteilt, und er hat seine Erwerbsminderung durch dieses straffรคllige Verhalten selbst verursacht. Insofern handelte die Rentenversicherung im Rahmen ihres Ermessens korrekt. Denn der Paragraf 104 sieht fรผr diese Situation ausdrรผcklich vor, eine Rente zu versagen.
Eine solche Ermessensentscheidung ist aber nicht immer so eindeutig. Wenn Sie selbst in Konflikt mit der Rentenversicherung kommen, weil diese Ihren Antrag auf Erwerbsminderung mit dem Verweis auf strafbare Handlungen ablehnt, dann sollten Sie zuerst Widerspruch einlegen, und, wenn dieser scheitert, eine Klage vor dem Sozialgericht vorbereiten.
Prรผfen Sie dazu, mit anwaltlicher Beratung und Vertretung, genau, wie das Ihnen zur Last gelegte Verhalten zu bewerten ist, und ob es noch zum Ermessen der Rentenversicherung gehรถrt, Ihnen deshalb eine Rente zu versagen.




