Gericht muss Neugeborenes persönlich anhören

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Stimmen Eltern zunächst dem Entzug des Sorgerechts für ihr Kind zu, muss dennoch das Familiengericht seine Entscheidung hierüber genau begründen. Handelt es sich um ein neugeborenes Kleinkind, muss das Gericht das Kind persönlich anhören und sich einen „persönlichen Eindruck“ davon verschaffen, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 6. Januar 2025 (Az.: 6 UF 239/24).

Ohne ein solches Vorgehen liege ein schwerer Verfahrensmangel vor, der eine erneute Prüfung des Sorgerechtsentzugs erforderlich mache.

Gericht muss Neugeborenes bei Sorgerechtsentzug „persönlich anhören“

Im konkreten Fall ging es um inzwischen getrenntlebende Eltern zweier Kinder. Beide Elternteile stehen unter gesetzlicher Betreuung. Die Kindesmutter ist unter anderem von Panik- und Angstattacken betroffen. Ihr drohte zeitweise die Obdachlosigkeit.

Durch Beschluss des Amtsgerichts wurde den Eltern das Sorgerecht für das ältere Kind entzogen und ein Amtsvormund bestellt. Das Kind lebt in einer Dauerpflegestelle.

Nach der Geburt des zweiten Kindes wurde dieses mit Zustimmung der Kindesmutter vom Jugendamt in Obhut genommen und in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht. Als die Mutter ihre Zustimmung hierzu zurückzog, beantragte das Jugendamt den Entzug der elterlichen Sorge wegen Kindeswohlgefährdung.

Das Amtsgericht hörte die Eltern, das Jugendamt und den Verfahrensbeistand an. Die Eltern stimmten schließlich dem Entzug des Sorgerechts zu. Die elterliche Sorge wurde auf das Jugendamt übertragen.

Die Mutter widerrief dann jedoch der Übertragung der elterlichen Sorge auf das Jugendamt. Sie legte vor dem OLG gegen die Amtsgerichtsentscheidung Beschwerde ein.

Das OLG entschied, dass das Familiengericht erneut über den Entzug der elterlichen Sorge entscheiden müsse. Denn es lägen schwere Verfahrensmängel vor. So habe das Familiengericht wegen der zunächst erteilten Zustimmung der Eltern zum Entzug des Sorgerechts seinen hierzu ergangenen Beschluss nicht begründet.

Das Gesetz sehe dies aber ausdrücklich vor. So sei dem Beschluss nicht zu entnehmen, dass es eine mögliche Kindeswohlgefährdung geprüft habe und die Hilfe des Jugendamtes verhältnismäßig sei.

Schließlich verlangten die gesetzlichen Bestimmungen in Kinderschutzverfahren, dass das Gericht das Kind „persönlich“ anhört „und sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind“ verschafft.

OLG Frankfurt/Main: Persönlicher Eindruck ist dann entscheidend

Im konkreten Fall sei das neugeborene Kind zwar nicht in der Lage, „seinen Neigungen und seinen Willen kundzutun“, stellte das OLG fest. Das Familiengericht könne sich aber dennoch einen persönlichen Eindruck vom Körper oder Verhalten des Kindes verschaffen. Auch bei Säuglingen und Kleinkindern könnten so Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung entdeckt werden. fle