Für viele Erkrankte ist der Sprung in das Krankengeld zunächst eine finanzielle Brücke, doch nach spätestens 78 Wochen – gerechnet seit dem ersten Arztbesuch wegen derselben Diagnose – schließt sich diese Brücke unweigerlich.
Dieser Zeitpunkt, oft lapidar „Aussteuerung“ genannt, markiert einen gravierenden Einschnitt im Leben der Betroffenen. Die Zahl 78 umfasst bereits die ersten sechs Wochen, in denen der Arbeitgeber das volle Gehalt weiterzahlt.
Effektiv bleiben also höchstens 72 Wochen reines Krankengeld, ehe die Leistung stoppt. Die Befristung folgt unmittelbar aus § 48 SGB V und gilt ohne Ausnahme für jede einzelne Krankheit.
Die Blockfrist: Unsichtbarer Taktgeber im Hintergrund
Was viele erst merken, wenn das Ende naht, ist der Einfluss der sogenannten Blockfrist. Dieses dreijährige Zeitfenster beginnt am Tag, an dem die Krankenkasse das erste ärztliche Attest zu einer bestimmten Erkrankung anerkennt. Innerhalb dieser exakt 1 095 Tage – die Frist läuft starr im Kalender und nicht in Relation zu späteren Krankschreibungen – dürfen für dieselbe Krankheit höchstens 78 Wochen Krankengeld fließen.
Läuft die Blockfrist ab, fällt automatisch der Startschuss für die nächste – gleich am nächsten Kalendertag, ob die Patientin oder der Patient arbeitsunfähig ist oder nicht. Damit setzt sich eine Kette nahtlos aneinanderstoßender Dreijahreszeiträume in Gang, die das System millimetergenau taktet.
Wann ein neuer Anspruch für dieselbe Krankheit entsteht
Ist die erste Blockfrist verstrichen und die 78 Wochen sind verbraucht, kann ein erneuter Krankengeldanspruch wegen exakt derselben Diagnose nur dann aufleben, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind.
Erstens müssen wieder mindestens sechs Monate Mitgliedsbeiträge geflossen sein – bei Beschäftigten geschieht das automatisch über die Lohnabrechnung, bei Arbeitslosen über die Agentur für Arbeit.
Zweitens braucht es eine ebenso lange Phase ohne Krankschreibung wegen dieser Erkrankung. Erst wenn beides zusammenkommt, eröffnet sich innerhalb der neuen Blockfrist erneut das gesamte 78-Wochen-Kontingent.
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Neue Krankheit, neues Kontingent
Kommt eine zweite, völlig unabhängige Krankheit ins Spiel, hängt alles vom Zeitpunkt ab. Entsteht die neue Diagnose in einer Periode, in der kein Krankengeld wegen der ersten Krankheit fließt, bewertet die Kasse sie als eigenständigen Versicherungsfall.
Daraus resultiert eine neue Blockfrist und ein frischer Anspruch von bis zu 78 Wochen. Passiert die neue Erkrankung jedoch während laufender Zahlungen, zählt sie systemintern zur fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit; ein zusätzlicher Topf öffnet sich nicht.
Im Ergebnis entscheidet also oft der Zufall darüber, ob Betroffene in zwei getrennte Rechtskreise fallen oder ob alles unter dem Dach der ursprünglichen Blockfrist verschmilzt.
Nach der Aussteuerung: Arbeitslosengeld und Nahtlosigkeitsregelung
Endet das Krankengeld, wenden sich viele an die Agentur für Arbeit. Dort greift in fast allen Fällen das Arbeitslosengeld nach § 145 SGB III – häufig „Nahtlosigkeitsregelung“ genannt.
Die Leistung soll verhindern, dass Menschen ohne Einkünfte bleiben, während etwa ein Rentenantrag noch geprüft wird.
Für die Berechnung zählt nicht das zuletzt ausgezahlte Krankengeld, sondern das Bruttoarbeitsentgelt, das in den zwei Jahren vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielt wurde.
Ein Absturz wird damit meistens abgefedert, doch bürokratischer Aufwand und erneute ärztliche Begutachtungen sind die Regel.
Individuelle Beratung unverzichtbar
Ob dieselbe Krankheit fortbesteht, eine neue hinzugekommen ist oder nach Aussteuerung der Wechsel zur Arbeitsagentur ansteht – jede Fallkonstellation hat ihre juristischen Feinheiten.
Schon kleinste Details, etwa das genaue Datum der ersten Krankschreibung oder eine kurzfristige Unterbrechung, können Monate an Leistung kosten oder eröffnen.
Deshalb raten Experten wie der Sozialverband Deutschland (SoVD) in Schleswig-Holstein, frühzeitig qualifizierte Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sich das Ende des Krankengeldes abzeichnet. Auch Arbeitgeber- und Kassenberatungen bieten Unterstützung, um Fristen zu prüfen und Folgeleistungen nahtlos zu sichern.
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Fazit
Das Krankengeld ist streng getaktet: Spätestens nach 78 Wochen schließt sich das Zeitfenster für eine Krankheit, gesteuert von einer unsichtbaren, dreijährigen Blockfrist.
Wer anschließend erneut erkrankt, muss entweder die Bedingungen für einen frischen Anspruch erfüllen oder – bei anderer Diagnose – von vorn beginnen. Läuft alles auf eine Aussteuerung hinaus, sichert das Arbeitslosengeld nach der Nahtlosigkeitsregelung das Einkommen zumindest übergangsweise. Komplex bleibt der Weg trotzdem. Frühzeitige Beratung, lückenlose Dokumentation und ein waches Auge auf Fristen sind daher die beste Medizin gegen unliebsame Überraschungen.