Entschärfte Hartz IV Sanktionen? Kommunen zeigen sich erstmals offen

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Kommunen zeigen sich offen gegenüber Lockerungen

Am kommenden Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob ein Teil der Sanktionen im Hartz IV-System gegen das Grundgesetz verstoßen. Schon jetzt signalisieren die Kommunen, dass sie die Sanktionen lockern wollen.

Gegen U25 Sonderregeln

Vor dem Urteil am Bundesverfassungsegericht signalsieren die Kommunen Offenheit. Vor allem für die verschärften Sanktionen gegen Leistungsbezieher unter 25 Jahre gäbe es keine Berechtigung. „So gibt es keinen Grund, bei Menschen unter 25 Jahren schärfere Sonderreglungen vorzusehen. Diese sollten entfallen“, kritisierte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Durch das Urteil könnte es zu einer Vereinfachung der Sanktionsregeln kommen. Das sei zu begrüßen, so Landsberg.

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Bundesverfassungsgericht verhandelt am Dienstag

Lange Zeit hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Terminbekanntgabe gelassen. Gespannt warten Leistungsberechtigte, Anwälte und die Bundesregierung auf den Urteilsspruch zu den Sanktionen im Hartz IV-System. Am Dienstag, den 5. November 2019, um 10.00 Uhr beginnt die mündliche Verhandlung in Karlsruhe. In den §§ 31, 31a, 31b SGB II sind die sogenannten Mitwirkungspflichten von Leistungsberechtigten festgelegt, bei deren Verletzung das Arbeitslosengeld II in gestufter Höhe über einen starren Zeitraum von jeweils drei Monaten gekürzt wird. Das Sozialgericht Gotha hält diese Vorschriften für verfassungswidrig und hat das Bundesverfassungsgericht angerufen.

Durch die Kürzungen des Arbeitslosengelds II wird in das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) eingegriffen. Der Gesetzgeber hat das Existenzminimum mit der Entscheidung über die Höhe des Hartz IV Regelbedarfs festgelegt; dies darf nicht unterschritten werden. Im Fall einer Leistungskürzung wird der Bedarf nicht gedeckt, obwohl er sich tatsächlich nicht geändert hat. Damit verletzt der Gesetzgeber das Gebot, eine menschenwürdige Existenz jederzeit realistisch zu sichern.

Sanktionen verstoßen gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit

Die Regelungen verstoßen ferner gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG, denn eine sanktionierte Arbeitspflicht beeinträchtige die Berufswahlfreiheit und sei mittelbarer Arbeitszwang. Auch stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verstoße, wenn mit den Sanktionen die Gesundheit der Leistungsberechtigten gefährdet werde.

Sozialverbände kritsieren Hartz IV Sanktionen

“Eine Kürzung des Existenzminimums widerspricht dem Grundgesetz”, erklärte auch der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, betonte, die Regelleistungen bei Hartz IV seien bereits zu niedrig. Werden diese gesenkt, würde es schnell existenzbedrohend.

Ebenso kritisch gegenüber den Hartz IV Sanktionen zeigte sich der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Verbandes, Ulrich Schneider: “Es kann nach Artikel 1 unseres Grundgesetzes nicht sein, Menschen durch eine Kürzung einer staatlichen Leistung in ein Leben unterhalb des Existenzminimums zu schicken.” Es müsse Schluss sein mit einem negativen Menschenbild, wonach “die Menschen von Grund auf faul sind, dass man ihnen Beine machen muss, dass sie, wenn man ihnen das Existenzminimum gibt, keine Lust mehr zum Arbeiten hätten und man sie deshalb sanktionieren muss.”

Städte- und Gemeindebund hält grundsätzlich an dem Sanktionsprinzip fest

Landesberg geht jedoch davon aus, dass im Grundsatz die Hartz IV-Sanktionsregelungen konform mit dem Grundgesetz seien. „Das Grundgesetz fordert keine voraussetzungslosen Sozialleistungen.“ Zudem habe es eine Abnahme der Zahlen gegeben.

Für Landsberg sei klar, dass dies auch mit dem Sanktionsprinzip zusammenhänge. „Dies zeigt, dass das Prinzip des Förderns und Forderns funktioniert. Zum Fordern gehören aber in letzter Konsequenz auch Sanktionen“, beschwichtigt Landsberg gegenüber dem RND. „Die Jobcenter brauchen die Möglichkeit der Leistungskürzung im Fall von wiederholten Terminversäumnissen, versäumten Eigenbemühungen oder konsequenter Arbeitsverweigerung.“

Für den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sei klar, „dass die Jobcenter ganz überwiegend mit den Sanktionsmöglichkeiten im Rahmen des gesetzlich Möglichen verantwortungsvoll und einzelfallgerecht umgehen“. Die Sanktionsquote liege bei 3 Prozent.

Gegen-Hartz.de wird vor Ort sein

Entscheidet das Gericht zugunsten der Millionen Hartz IV Beziehenden, stellt es den gesamten Hartz IV Apparat auf den Kopf. Wir werden über den Ausgang des Urteils vor Ort berichten.

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